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Aktuelles zu Diagnostik und Therapie

Bessert ein Stent die Prognose bei chronischem Koronarsyndrom?
Für eine Antwort auf diese Frage sollte man zunächst definieren, von welcher Prognose man spricht, meinte Prof. Dr. Sven Möbius-Winkler von der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Jena. Geht es um den Krankheitsverlauf in Bezug auf das Leben, auf die Rehabilitation, die Arbeitsfähigkeit oder etwas ganz anderes? Der Referent fokussierte sich in seiner Antwort auf die Prognose quoad vitam. In diesem Fall hängt der Nutzen eines Stents stark von der Lokalisation der Stenose ab.
Was Hauptstammstenosen betrifft, zeigte sich in älteren Studien eine ähnlich ausgeprägte Mortalitätssenkung durch einen Bypass oder eine perkutane Intervention (PCI) mit Stent gegenüber einer medikamentösen Therapie. Nach Bypass erlitten die Patienten aber weniger Infarkte und brauchten seltener eine Revaskularisation als nach PCI. Deshalb hat die OP z.B. in den US-amerikanischen Leitlinien zur Revaskularisierung von 2021 noch eine Klasse-I-, der Stent eine Klasse-IIa-Empfehlung. Dank intrakoronarer Bildgebung – intravaskulärer Ultraschall oder optische Kohärenztomografie – ließen sich die Ergebnisse der PCI in den letzten Jahren aber weiter optimieren. Prof. Möbius-Winkler zog daher das Fazit: Eine Hauptstamm-PCI ist klar lebensrettend.
Die proximale LAD*-Stenose trug früher wegen der durch sie deutlich erhöhten 5-Jahres-Mortalität den bezeichnenden Beinamen „Witwenmacherstenose“. Die interventionelle oder operative Versorgung schien daher obligat. Doch verbesserte medikamentöse Therapien haben dazu geführt, dass in neueren Studien invasive Strategien nicht signifikant besser abschnitten als konservative. Statt der früheren Klasse-I-Empfehlung rangieren sie daher aktuell nur noch in Klasse IIb.
Auch bei einer Mehrgefäßerkrankung mit reduzierter Ejektionsfraktion verbessert ein Stent die Überlebenschancen offenbar nicht stärker als Medikamente und es wird von der Intervention abgeraten. Liegt die Pumpfunktion über 35 %, kann es sinnvoll sein, in Abhängigkeit von der fraktionellen Flussreserve (FFR) zu behandeln. Nicht-FFR-relevante Stenosen brauchen keinen Stent. Bei solchen mit Einfluss auf die FFR performte in der FAME-Studie mit zusammengesetztem Endpunkt aus Tod jeglicher Ursache, Herzinfarkt und Schlaganfall die PCI etwas besser als ein Bypass. Betrachtete man aber nur die Mortalität als Endpunkt, gab es keinen Unterschied zwischen den Verfahren.
Im Hinblick auf die Symptome dagegen profitieren Patienten mit Ein-, Zwei- oder Dreigefäßerkrankung und pektanginösen Beschwerden von einer Intervention. Dieser Vorteil lässt im Verlauf von 24 Monaten wieder nach.
Bessere Ergebnisse und weniger Komplikationen lassen sich generell durch die intrakoronare Bildgebung erzielen, wie eine ganze Reihe von Studien aus den letzten Jahren zeigt. „Wenn man schon PTCAiert, dann bitte bildgebungsgestützt“, lautete daher die Empfehlung von Prof. Möbius-Winkler.
Wann ist bei der doppelten Plättchenhemmung weniger mehr?
Mit diesem Thema befasste sich Prof. Dr. Meinrad Paul Gawaz von der Inneren Medizin III am Universitätsklinikum Tübingen. Klar ist: Setzt man nach akutem Koronarsyndrom (ACS) die doppelte Plättchenhemmung (DAPT) zu früh ab, steigt das Risiko für Stentthrombosen und damit die Mortalität. Andererseits zeigten viele Studien, die den Vorteil der DAPT belegten, immer wieder das damit verbundene erhöhte Blutungsrisiko, das mit der Therapiedauer zunimmt. Lange wurde dieses Risiko als Begleitphänomen hingenommen, erst seit etwa 2010 wuchs das Bewusstsein für die Komplikation und die Gefahren, die damit verbunden sind. Seitdem wurde auf Strategien hingearbeitet, um die Therapie zu optimieren.
Dafür gilt es zunächst, das Blutungsrisiko einzuschätzen. Es wird von vielen Faktoren beeinflusst, z.B. Alter und Nierenfunktion. Schnell und recht gut evaluieren lässt es sich mit dem PRECISE-DAPT-Score, der nur fünf Parameter enthält:
- Hb-Wert
- Leukozytenzahl
- Alter
- Kreatinin-Clearance
- Blutungen in der Vorgeschichte
Ergibt sich daraus ein hohes Risiko, sollte man die DAPT verkürzen. Bleibt die Frage, auf welchen Zeitraum? Auf sechs, drei oder gar nur einen Monat? Oder deeskaliert man und stellt nach einem oder drei Monaten von einem hochpotenten Plättchenhemmer wie Ticagrelor oder Prasugrel auf das mildere Clopidogrel als Partner für ASS um? Alles möglich, sagte Prof. Gawaz. Letztlich sind es immer individuelle Entscheidungen. Die wichtigste Botschaft aber lautet seiner Aussage nach: „Wir sollten viel häufiger verkürzen.“ Denn es gebe zunehmend schwer kranke Patienten.
Wer braucht noch eine diagnostische Koronarangiografie?
Größter Konkurrent der Koro ist inzwischen die CT-Angiografie (CTA), die sich als wichtiges diagnostisches Tool etabliert hat, erklärte Dr. Joachim Eckert vom Cardioangiologischen Centrum am Agaplesion Bethanien Krankenhaus in Frankfurt. In der SCOT-HEART-Studie durchliefen 4.146 Patienten mit Brustschmerzen und niedrigem bis mittlerem Risiko randomisiert nur das klassische Untersuchungsprogramm mit Belastungs-EKG oder erhielten zusätzlich eine CTA. In den ersten 50 Tagen danach gab es keine Unterschiede bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse, da sich die Untersuchungsergebnisse in diesem Zeitraum erst in einer Behandlung (z.B. Revaskularisierung) niederschlugen.
Unmittelbar danach begannen die Kurven auseinanderzudriften. Im CTA-Kollektiv fand sich über die folgenden drei Jahre eine Reduktion des kombinierten Endpunkts Myokardinfarkt und kardiovaskulärer Tod um 50 % (Hazard ratio, HR, 0,50), nach fünf Jahren lag die HR noch bei 0,59. Getrieben war der Abfall in erster Linie durch weniger Infarkte, erklärte Dr. Eckert. Bis zum Follow-up nach fünf Jahren lagen die Raten an invasiven Angiografien und Revaskularisierungen in beiden Kollektiven gleichauf.
Mittlerweile weiß man auch, dass sich aus den in der CTA erkennbaren morphologischen Veränderungen wichtige Hinweise auf die Prognose ableiten lassen. Als besonders gefährlich gelten folgende Plaque-Eigenschaften:
- Stenosen ≥ 50 %
- positives, expansives Remodeling (Gefäßauswuchs an der erkrankten Stelle > 10 %)
- Plaques mit niedriger Dichte (nekrotischer Kern, weniger als 30 Hounsfield Units)
- Napkin-Zeichen (zentraler Kern mit niedriger Kontrastdichte, umrundet von Plaquekomponenten ohne oder mit wenig Verkalkung)
- punktförmige Verkalkungen
In einer Post-hoc-Analyse der SCOT-HEART-Studie stieg die Ereignisrate vor allem dann signifikant, wenn bei obstruktiven KHK-Patienten derart ungünstige Plaquekonstellation hinzukamen.
Generell riet Dr. Eckert dazu, die diagnostischen Mittel an die Patientencharakteristika und die lokale Verfügbarkeit anzupassen. Die CTA sei aber für die meisten Patienten sicherlich die beste Erstuntersuchung, vor allem zum Ausschluss einer obstruktiven KHK.
Nach unklarer CTA oder bei intermediären Stenosen kann man eine funktionelle Bildgebung nachschalten. Eine primäre Koronarangio empfahl Dr. Eckert leitlinienkonform für Patienten mit hoher klinischer Wahrscheinlichkeit oder starken Beschwerden bei geringer Belastung sowie bei erwartbarer schlechter Bildqualität der CT, z.B. durch Arrhythmien, ausgeprägte Kalzifizierungen oder Adipositas.
Die Angiografie sollte immer mit der Möglichkeit der FFR-Messung erfolgen.
Die Bildqualität der CT lässt sich durch Photonencounter noch einmal erheblich bessern, man kann damit Kalzifizierungen oder Stents deutlicher abgrenzen. Zum Einsatz in der Praxis fehlen aber noch Daten.
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Quelle: Kongressbericht DGK (Deutsche Gesellschaft für Kardiologie) Herztage 2023
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