Akupunktur - Bei akutem Kreuzschmerz empfehlenswert?

Dr. Carola Gessner, Foto: thinkstock

Kreuzschmerz: Keine Dauermedikation, keine Passivität. Nur ein multimodales Konzept hilft langfristig beim chronischen Rückenschmerz.

Ein organisches Korrelat haben Sie nicht gefunden, ein „abwendbar gefährlicher Verlauf“ durch Fraktur, Tumor, Infektion oder Radikulopathie-/ Neuropathiezeichen ist bei Ihrem Patienten nicht auszumachen – ein nicht spezifischer Kreuzschmerz also.


Um diesen schnellstmöglich zu vertreiben, sind Medikamente erlaubt, aber nur vorübergehend. Ansonsten stehen nicht medikamentöse Maßnahmen ganz im Mittelpunkt, um den Betroffenen ohne großen Verzug wieder arbeitsfähig zu bekommen.

Multimodale Therapie: Was geht, was nicht?

Konzept der multimodalen SchmerztherapieSie haben die Qual der Wahl. Empfehlen Sie Wärme oder Kälte? Schicken Sie den Patienten zur Massage oder bringen Sie die Elektrotherapie ins Spiel? Die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) der Bundesärztekammer* bewertet die Verfahren, z.T. ausführlich begründet, berichtete Dr. Norbert Reichert, Oberarzt an der Klinik für Neurologie im Marienhospital Stuttgart, beim 47. Süddeutschen Kongress für aktuelle Medizin.


Was die Evidenzlage angeht, so erhalten in der Leitlinie nur drei nicht medikamentöse Maßnahmen eine starke Empfehlung (zwei Pfeile nach oben) bei akutem und chronischem nicht spezifischem Kreuzschmerz: körperliche Aktivität, Patientenedukation und Verhaltenstherapie. Ansonsten beurteilt man die zur Wahl stehenden Verfahren wie folgt.

Akupunktur ist nichts für den akuten Rückenschmerz!

Leitlinie KreuzschmerzAkupunktur geht gar nicht im Akutfall. Man will ja aktivierend und nicht „medikalisierend“ vorgehen: Akupunktur aktiviert nicht und benötigt obendrein sechs bis zehn Sitzungen, was bei einer akuten Erkrankung mit rascher Besserungstendenz eher hinderlich ist. Bei der chronischen Indikation mündet das Urteil zum Nadeln in einem unentschlossenen „nur sehr eingeschränkt“.

Tragende Säule bei Rückenschmerzen: Bewegungstherapie

In puncto Bettruhe ist die Sache klar: Schädlich sowohl beim akuten als auch beim chronischen Kreuzschmerz, sie fördert Vermeidungsverhalten und Chronifizierung. Im Einzelfall können Akutschmerzen so heftig sein, dass sich das Liegen kurzfristig nicht vermeiden lässt. Dann muss der Arzt durch konsequente Schmerztherapie das Aufstehen rasch möglich machen.


Als tragende Säule der Behandlung erhält die Bewegungstherapie den Doppelpfeil nach oben: Beweglichkeit, Koordination, Muskelkraft, Ausdauer und Schnellkraft werden systematisch aufgebaut, damit der Patient seine normale Körperfunktion rasch wieder erreicht.

Elektrotherapie bei Kreuzschmerzen ein No-go!

Die Elektrotherapie – jahrelang enthusiastisch und häufig angewandt – fällt in der NVL „hinten runter“. Ob Interferenzstrom, perkutane elektrische Nervenstimulation (PENS) oder transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), diese Verfahren bekommen heute die rote Karte: Ungenügender Wirksamkeitsnachweis und Förderung von Passivität, lautet die Begründung.


Indifferent bleibt das Urteil zu Entspannungsverfahren (progressive Muskelrelaxation) in der Akutphase, das Erlernen der Techniken dauert zu lang. Anders beim chronischen Kreuzschmerz, hier gilt ein „sollte“ (einfacher Pfeil nach oben).

Passivität-fördernde Mittel werden beim Rückenschmerz nicht empfohlen

Kurzwellendiathermie, Laser und Magnetfeld scheiden klar aus: Ungenügender Wirksamkeitsnachweis und Förderung von Passivität, heißt es in der Leitlinie – Gleiches gilt für Massage und Orthesen. Und wie ist der Stellenwert von Manipulation und Mobilisation? Kann man machen, meinen die Leitlinienautoren. Im chronischen Fall sollte aber zugleich eine Bewegungstherapie erfolgen.


Sehr stark empfohlen wird die zweite Säule Patientenedukation. Folgende drei Punkte sollten im Akutfall vermittelt werden:

  • Die Prognose ist gut!
  • Es besteht kein Grund für Röntgenuntersuchungen!
  • Weitere Diagnostik ist nur nötig, wenn die Symptomatik persistiert oder sich verschlimmert.

Das Ziel bei Schmerzpatienten: Wiederaufnahme der körperlichen Tätigkeit

Der Patient muss verinnerlichen, dass „Schmerz“ nicht gleich „Organschaden“ bedeutet und dass das Ziel „Wiederaufnahme der körperlichen Aktivität“ heißt. Bei chronischem Schmerz sollen multimodale Programme u.a. Folgendes erreichen:

  • Heben, Tragen, Hausarbeiten erledigen,
  • mit Stress umgehen,
  • Familienbeziehungen erhalten,
  • den Arbeitsplatz behalten.

Nur bei chronischem Schmerz rät die Leitlinie zur Rückenschule, und das auch nur unter der Prämisse des biopsychosozialen Ansatzes. Skeptisch ist man gegenüber der Thermotherapie. Von Traktion und Ultraschall wird ganz abgeraten.

Dritte Säule bei Rückenschmerzen: Verhaltenstherapie

Als dritte Säule erhält auch die Verhaltenstherapie den Doppelpfeil nach oben. Sie fügt sich in das multimodale Konzept ein und wird ans individuelle Risikoprofil des Patienten angepasst.



*http://www.versorgungsleitlinien.de/themen/ kreuzschmerz/pdf/nvl-kreuzschmerz-kurz. pdf (8/2011);  Für Patienten: http://www. versorgungsleitlinien.de/patienten/pdf/nvl-kspatienten. pdf (12/2011)

Quelle: Dr. Norbert Reichert, Marienhospital Stuttgart, 47. Süddeutscher Kongress für aktuelle Medizin

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