
Akuter Schmerz in Fuß, Wade, Schulter: Experten-Tipps für alltägliche „Notfälle“

Echte rheumatologische Notfälle wie z.B. ein akuter Zentralarterienverschluss mit drohender Erblindung bei Arteriitis temporalis kommen zum Glück selten vor, betont der niedergelassene Schweizer Rheumatologe Dr. Heinz Fahrer aus Reichenbach.
Auch infektiöse Komplikationen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis, die Immunsuppressiva nehmen, stellen echte rheumatologische Notfälle dar. Doch diese gehören nicht zur Routine des Hausarztes. Wohl aber hat dieser häufig mit anderen „rheumatologischen Akutsituationen“ zu tun, die rasche Abhilfe erfordern.
Etwa die 43-jährige Hausfrau, die eines Morgens mit einem „grässlichen Schmerz“ in der Schulter aufwacht. Weder aktiv noch passiv bekommt sie den rechten Arm in die Höhe und Rotationen im Gelenk sind unmöglich. Das Ganze kam angeflogen wie ein Schnupfen, abgesehen von zwei intensiven „Haushaltstagen“ lässt sich kein Auslöser der Symptomatik ermitteln.
Echte rheumatologische Notfälle sind sehr selten
Das Röntgenbild zeigt eine „unschuldige“ Schulter und auch eine HWS-Problematik scheidet aus, berichtet Dr. Fahrer. Der Kollege diagnostiziert in diesem Fall eine „akute Periarthropathia humeroscapularis“, auch bekannt als „Frozen Shoulder“. Es handelt sich dabei um eine akute Tendopathie oder Tendinitis, sprich eine Reizung im Bereich der Rotatorenmanschette (Mm. supra- und infraspinatus, M. subscapularis), eventuell ist auch die Bizepssehne involviert.
Zusätzlich kann eine Bursitis subacromialis bestehen – ein Befund, den das MRT verifizieren könnte, wenn es denn nötig wäre. Im Allgemeinen genügt jedoch die klinische Diagnose, betont der Experte. Das MRT zieht er nur zurate, wenn neu aufgetretene Bewegungsdefizite auf eine Rotatorenmanschettenruptur hinweisen – wenn etwa der passiv abduzierte Arm nicht in der Position gehalten werden kann.
Frozen Shoulder statt akuter Arthritis
Was hat Dr. Fahrer seinen schmerzgeplagten Patienten nun anzubieten? Vorübergehende Ruhigstellung drängt sich auf. Physiotherapie dagegen – von Kollegen häufig in guter Absicht verordnet – macht in dieser Phase der Erkrankung alles nur noch schlimmer: Der Patient wird gequält, der Therapeut frustriert und das gesamte Krankheitsbild verschlechtert sich eher noch.
Dr. Fahrer setzt vielmehr auf Kortison. Er selbst hat gute Erfahrung mit der subakromialen Steroidinfiltration, die innerhalb von wenigen Tagen deutliche Linderung oder sogar Schmerzfreiheit bringt.
Steroidinfiltration lindert Schmerzen bei Tendovaginitis
Ein anderer Extremitäten-Notfall liegt bei der 38-jährigen Hobbyläuferin vor. Seit dem Vorabend hat sie eine massiv geschwollene linke Wade. In den Wochen zuvor sei immer mal wieder das linke Knie dick geworden, berichtet die Frau. Dr. Fahrer sieht einen dicken geröteten Unterschenkel mit gespannter, glänzender Haut und einer Umfangsvermehrung von knapp 2 cm gegenüber dem rechten Bein. Sollte man in einem solchen Fall D-Dimere bestimmen, um keine tiefe Venenthrombose zu übersehen?
Als „cleverer Praktiker“ verzichtet der Rheumatologe auf die Blutentnahme ebenso wie auf die Duplexsonographie und würdigt stattdessen die wegweisende anamnestische Angabe „vorangegangene Knieprobleme“. Und tatsächlich kann er eine popliteale Zyste dingfest machen. Wenn diese Baker-Zysten spontan rupturieren, so der Kollege, kann einfließende Synovia im Unterschenkel eine ausgedehnte und heftige entzündliche Reaktion provozieren und das Bild einer akuten Thrombose imitieren.
Rupturierte Baker-Zyste imponiert wie TVT
Die Therapie, die Dr. Fahrer seiner 38-jährigen Patientin angedeihen lässt, gestaltet sich denkbar einfach: Entlasten, hochlagern, bei Bedarf lokal kühlen und orale Antiphlogistika einnehmen. Eventuelle Zweifel an der Baker-Zysten-Diagnose kann die Sonographie ausräumen. Per Schall lassen sich Gelenkerguss, Zystenreste sowie im Unterschenkel verteilte Flüssigkeitsmengen darstellen, so der Experte. Als auslösende Ursache nennt der Kollege vor allem Knieknorpel- oder Meniskusschäden.
Der nächste Patient, den Dr. Fahrer vorstellt, präsentiert einen massiv geschwollenen, heftig schmerzenden Fuß. Das sei gestern ganz plötzlich aufgetreten, berichtet der 52-jährige übergewichtige Bauarbeiter. Der Fuß imponiert klinisch als blaurötlich verfärbt, CRP und Leukozyten sind erhöht. Sollte nun der Hausarzt einen solchen Patienten schleunigst mit Infekt- und Sepsisverdacht einem Spezialisten zuweisen?
Alkohol-Anamnese lenkt den Verdacht auf Gichtarthritis
Nicht, wenn das klinische Bild richtig gedeutet wird: Akutes Auftreten, gutes Allgemeinbefinden, Habitus des Patienten, Angabe eines üppigen Nachtessens mit Alkoholgenuss am Abend zuvor spricht für eine Gichtarthritis. Beweisend für die Diagnose wäre eine Untersuchung von Gelenkpunktat (Harnsäurenadeln, Pyrophosphatkristalle).
Doch auch ohne diesen Nachweis, betont der Kollege, rechtfertigt die Indizienkette meist eine gezielte Behandlung. Durch Punktion und Gabe eines Depotsteroids erreicht der Rheumatologe bei seinem Patienten innerhalb von Stunden eine deutliche Besserung.
Quelle: Heinz Fahrer, Therapeutische Umschau 2015; 72: 23–27; DOI: http://dx.doi.org/10.1024/0040-5930/a000633
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