Alkoholsucht: So kann die Therapie gelingen

Dr. Anja Braunwarth , Foto: thinkstock

Wichtige Therapiegrundsätze: Aggressionen klar begrenzen, Verleugnung und Widersprüche offen ansprechen.

Kein eigenes Krankheitsverschulden, freiwillige Suche nach Hilfe, Vertrauen in den Arzt – all diese Wunschvorstellungen vom idealen Patienten greifen bei Alkoholikern nicht. Aber auch, wenn sie oft schwer auszuhalten sind, geben Sie ihnen eine Chance!

Dauerhafte Krankheitseinsicht fehlt meist bei Alkoholikern

Sich in den selbstzerstörerischen Prozess eines Suchtkranken einzu­fühlen, ist quasi unmöglich. Die Abhängigkeit setzt die Autonomie des Betroffenen außer Kraft, was oft eine massive Abwehrhaltung auslöst. Dazu fehlt es meist an dauerhafter Krankheitseinsicht, schreibt Dr. Claudine Aeschbach von den Ambulatorien für Abhängigkeitserkrankungen, Basel-Landschaft, in Liestal.


Suchtkranke sind wie Alkoholiker keine einheitliche Gruppe: Das Persönlichkeitsspektrum reicht von psychotisch bis neurotisch, von sozial integriert bis völlig außen vor. Entsprechend sind die „Ich-Leistungen“, also die psychischen Fähigkeiten, die zu einem autonomen Leben befähigen (Liebes-, Arbeits-, Beziehungsfähigkeit), extrem verschieden.

Sucht-Therapie: Auch Ärzte dürfen Hilflosigkeit äußern

Der Umgang mit den Patienten wird auch dadurch erschwert, dass das Suchtmittel in Konkurrenz zum Therapeuten steht, praktisch nach dem Motto „Wer oder was hilft mir besser?“ Der Versuch, die Kontrolle über den Konsum der Droge zu erzielen, ist Energieverschwendung, der Betroffene wird alles daran setzen, diese Kontrolle zurückzugewinnen.


Ärzte sollten sich auch des hohen Aggressionspotentials der Patienten bewusst sein, die zur Entwertung von sich selbst und allen anderen führt. Umgekehrt löst der Süchtige aber auch Aggressionen beim Arzt aus, vor allem, weil sich das „Problem“ nicht auf einfache Art lösen lässt, aber auch durch die Unehrlichkeit der Patienten. Wichtig ist es, diese Unehrlichkeit nicht persönlich zu nehmen und eigene Gefühle der Hilflosigkeit anzusprechen.

Arzt muss Ohnmacht aushalten können!

Auch Bagatellisierungstendenzen, Verleugnung und offensichtliche Widersprüche bei den Kranken gehören auf den Tisch, ohne in die Rolle des Inquisitors zu verfallen. Offene Aggressionen des Gegenübers müssen begrenzt werden, umgekehrt muss der Arzt eigene Gefühle von Wut und Ohnmacht aushalten und darf sie nicht an den Patienten weitergeben.


Als wesentliche Fixpunkte bei der Therapie gelten für die sog. „äußere Realität“: Autonomie, Beziehungs- und Konfliktfähigkeit. Auch für die „innere Realität“ sind verschiedene Merkmale relevant: das Zurechtrücken des Selbstbildes (reales vs. ideales Ich), die Liebesfähigkeit (reales vs. ideales Objekt) und die Frustrationstoleranz (reale vs. ideale Umwelt). Diese Fixpunkte sind durch die diskontinuierlichen Ich-Leistungen der Sucht-Patienten determiniert, so Dr. Aeschbach. Sucht sei eine gelernte Fehlerfahrung, die wieder verlernt werden müsse. Auch mögliche psychiatrische Komorbiditäten spielen eine Rolle.


Die bipolare Störung findet sich mit 60 bis 80 % am häufigsten, wobei in beiden Phasen ein unkontrollierter Alkoholkonsum die Folge sein kann. Gerade während der Manie mit herabgesetzter Steuerbarkeit und eingeschränktem Realitätsbezug ist die Kombination mit der Alkoholkrankheit sehr gefährlich.

Depression erst nach Wochen der Abstinenz erkennbar

Bis zu zwei Drittel aller Alkoholiker leiden auch an einer Depression. Die Diagnose ist allerdings erst nach vier bis sechs Wochen Abstinenz bzw. anhand der Anamnese möglich. Weitere häufige Komorbiditäten sind Schizophrenie (50 bis 60 %) und Persönlichkeitsstörungen (30 bis 70 %). Ein Aufenthalt in einem akut-somatischen Krankenhaus bedeutet für Alkoholiker, einen schützenden Ort in der Krise zu haben und ist weniger stigmatisierend als die Behandlung in einer psychiatrischen Klinik.


Die Ärzte von Akutkliniken sind allerdings oft enttäuscht, wenn bestimmte Patienten immer wieder mit den gleichen Problemen „aufkreuzen“. Es kann sich aber erst etwas ändern, wenn die Patienten innerlich bereit sind, eine Verhaltensänderung anzugehen. Das heißt, sie sollten immer wieder eine Chance bekommen. Die Zeit im Krankenhaus kann genutzt werden, um eine ambulante Nachbehandlung einzuleiten oder wieder aufzunehmen. Je schneller der Patient nach der Entlassung dort einen Termin erhält, umso höher ist die Adhärenz.

Quelle: Claudine Aeschbach, Schweiz Med Forum 2012; 12: 893-896

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