Allergologie: Konjunktivale Provokation zu wenig genutzt

Dr. Elisabeth Nolde

Bei der konjunktivalen Provokation wird das zu untersuchende Allergen in den Bindehautsack geträufelt. Bei der konjunktivalen Provokation wird das zu untersuchende Allergen in den Bindehautsack geträufelt. © thinkstock

Ein Positionspapier schafft Klarheit über konjunktivale Provokationstests: wann das Vorgehen zur Diagnostik allergischer Reaktionen geeignet ist, welche Kontraindikationen bestehen und wie die Testung ablaufen sollte.

Ein internationales Forscherteam befasste sich mit praxisrelevanten Aspekten der konjunktivalen allergischen Provokation. Die Experten, eine Task Force aus Mitgliedern der "Interest Group on Ocular Allergy" der EAACI*, analysierten 131 wissenschaftliche Arbeiten – und legten nun die Schlussfolgerungen als Positionspapier vor.

Nach Einschätzung der Autoren klafft eine Anwendungslücke: Während der Gebrauch konjunktivaler Provokationstests (KPT) zu Studien- bzw. Forschungszwecken verbreitet ist, wird dieses einfache, sichere und schnell durchführbare Testtool im klinischen Alltag zu wenig genutzt, um okuläre und anderweitige IgE-vermittelte allergische Reaktionen bzw. Erkrankungen zu beurteilen.

Sofortreaktion binnen 20 Minuten

Der Wirkmechanismus des KPT lässt sich mit dem Ablauf einer allergischen Reaktion vergleichen. Dabei stellt sich die Sofortphase binnen 20 Minuten ein, die Spätreaktion kann in einem Zeitfenster von bis zu 24 Stunden auftreten – abhängig von der Allergendosis und Sensibilisierung des Patienten.

Diese Arzneimittel können das Testergebnis beeinflussenund sollten rechtzeitig abgesetzt werden

ApplikationsformMedikamentDauer der Einnahmepause vor KPT*
TopischAntihistaminika2 Tage
Mastzellstabilisatoren2 Tage
NSAR1 Woche
Kortikosteroide2 Tage
Cyclosporin1 Woche
SystemischAntihistaminika1 Woche(Ketotifen: 3 Wochen)
Kortikosteroide2 Wochen
Antileukotriene3 Wochen

*Empfehlung gemäß Task Force der IGOA (EAACI)


Eine positive Antwort auf die Testallergene triggert die gleichen Symptome (Juckreiz, Tränenfluss, Rötung, Chemosis und Lidschwellung) wie bei natürlicher Exposition. Der KPT eignet sich bei folgenden Indikationen, um Trigger okulärer Allergien abzuklären:
  • saisonale allergische Konjunktivitis (SAC)
  • perenniale allergische Konjunktivitis (PAC)
  • in Einzelfällen: Keratokonjunktivitis vernalis (VKC) und atopische Keratokonjunktivitis (AKC)
Darüber hinaus ist der KPT bei klinisch unklaren Fällen einsetzbar:
  • Widersprüchlichkeiten zwischen Anamnese und Sensibilisierung
  • Multisensibilisierung
  • Evaluation antiallergischer Eigenschaften von Topika
Und das dritte Einsatzgebiet, das die Arbeitsgruppe anführt, ergibt sich aus dem Modellcharakter, den die okuläre Mukosa bietet – die mukosale Sensibilisierung gewissermaßen als Surrogat, u.a. beim Austesten der Sensibilisierung bzw. Toleranz gegenüber Allergenen. Dies gilt für:
  • beruflich bedingte Allergien (z.B. Latex)
  • Follow-up nach spezifischer Immuntherapie
  • Lebensmittelallergien
Doch nur unter Beachtung relevanter Kontraindikationen, so die Experten, sei der KPT ein praktikables und sicheres Verfahren, um IgE-vermittelte Reaktionen auf verschiedene umwelt- bzw. umfeldbedingte Allergene nachzuweisen und könne damit die Diagnostik und das Monitoring des Allergiemanagements verbessern.

Die Kontraindikationen

  • Zeitlich begrenzt: Expositionsperioden (Pollensaison), Einnahme von Arzneimitteln, die die Testantwort beeinflussen könnten, Augenerkrankungen, Augenoperation in den zurückliegenden sechs Monaten, Kontaktlinsenträger, Schwangerschaft und Stillzeit n
  • Grundsätzlich: Unkontrollierte Erkrankungen (insbesondere Asthma), Hypersensibilität gegenüber KPTWirkstoffen, nicht IgE-vermittelte konjunktivale Augenerkrankungen

Stets gewappnet für Anaphylaxien

Als Kontraindikation gelten z.B. Expositionsperioden wie die Pollensaison und Medikamente mit möglichen Interaktionen (s. Kasten und Tab.). Als weiteren Sicherheitsaspekt fordert die Task Force ein adäquates Notfallmanagement. Ebenso wie bei anderen In-vivo-Provokationstests können ggf. Asthma-Exazerbationen, Urtikaria bzw. Anaphylaxien auftreten. Obenan steht auch die Patientenaufklärung (informed consent) und deren Dokumentation.

Zur Durchführung der konjunktivalen Provokation wird zunächst ein Tropfen Kontrolllösung in den Bindehautsack des einen Auges geträufelt (Kontrollauge).

Augensymptome mittels TOSS-Wert beurteilen

Juckreiz: 0=kein, 1=mild, 2=moderat, 3=schwer, 4=absolut beeinträchtigend
Rötung: 0=keine, 1=mild, 2=moderat, 3=schwer
Tränenfluss: 0=kein, 1=mild, 2=moderat, 3=schwer
Chemosis: 0=keine, 1=mild, 2=moderat, 3=schwer
Lidschwellung: 0=keine, 1=mild, 2=moderat, 3=schwer Positive Testreaktion bei einem TOSS-Wert über fünf Punkten.
Positives Ergebnis: Juckreiz und Rötung > 2 Punkte oder TOSSWert > 5 Punkte

Bleibt eine Reaktion aus, wird schrittweise die nächsthöhere Konzentration der Allergenlösung getestet. Falls auch die maximale Konzentration der Allergenlösung zu keiner Reaktion führt, muss wegen allergischer Spätreaktionen ein 24-stündiges Monitoring erfolgen. Finden sich währenddessen keine Hinweise auf eine allergische Reaktion, ist das Testergebnis negativ.

Bei positivem KPT kommen topische Antihistaminika und/oder Kortikosteroide zum Einsatz, bei systemischer Symptomatik ggf. systemische Antihistaminika, dann wird zwei Stunden nachbeobachtet.

Fotodokumentation ist im Gepräch

Im Anschluss erfolgt die gleiche Prozedur mit dem zu untersuchenden Allergen am anderen Auge. Nach 15-minütiger Wartezeit kann das Testergebnis z.B. gemäß TOSS** beurteilt werden (s. Kasten). Der Score bezieht sich auf insgesamt fünf Augensymptome, Juckreiz und Rötung gelten dabei als primäre Outcome-Parameter der allergischen Reaktion. Juckreiz tritt ggf. bereits nach drei bis fünf Minuten als Erstsymptom auf, nach etwa fünf Minuten kommt es zur okulären Rötung.

Um die Testbeurteilung zu objektivieren, werden auch Fotodokumentationen und deren digitale Auswertung diskutiert. Optimierungsbedarf gibt es zudem bei den Allergenlösungen: Allergenauswahl und -gehalt stehen hier im Fokus – und die mögliche Verwendung rekombinater Allergene.

*European Academy of Allergy and Clinical Immunology
**Total Ocular Symptoms Score

Quelle: Fauquert J-L et al. Allergy 2017; 72: 43-54

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Bei der konjunktivalen Provokation wird das zu untersuchende Allergen in den Bindehautsack geträufelt. Bei der konjunktivalen Provokation wird das zu untersuchende Allergen in den Bindehautsack geträufelt. © thinkstock