Amiodaron: So meistern Sie die Therapie
„Müssen wir immer noch über Amiodaron reden?“, fragte Professor Dr. Thomas Meinertz vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf provokativ, um gleich ein klares „Ja“ hinterherzuschicken. Die Substanz gehört nach wie vor zu den am häufigsten eingesetzten Antiarrhythmika, doch sie ist nicht einfach anzuwenden, gab der Experte zu: Die meisten Probleme, die im Zuge einer Amiodarontherapie auftreten, beruhen auf Handhabungsfehlern und gehen damit auf das Konto der Ärzte.
Amiodaron - Hoher Stellenwert trotz Ablation und ICD
Einen hohen Stellenwert besitzt Amiodaron nach wie vor bei Patienten mit Vorhofflimmern – trotz neuer Verfahren wie der Ablationstherapie. Gleiches gilt für maligne Kammerarrhythmien – auch im Zeitalter der implantierbaren Defibrillatoren (ICD). Bei folgenden Situationen, die sich mit neueren Antiarrhythmika schlecht beherrschen lassen, gilt Amiodaron nach wie vor als Substanz der ersten Wahl:
- monomorphe Kammertachykardie
- polymorphe Kammertachykardie
- häufige inadäquate ICD-Entladungen
- Reanimation, wenn Kammerflimmern nach initial erfolgreicher Defibrillation wieder auftritt
Häufige Defibrillator-Entladungen beschädigen den Patienten nicht nur psychisch, merkte der Referent an: Sie schmälern auch die Prognose, wie Studien belegen. Vorsicht geboten ist bei unaufhörlichen Kammertachykardien, die nach Überstimulation wiederkehren (oft durch Flecainid provoziert). Hier wäre Prof. Meinertz mit Amiodaron ebenso zurückhaltend wie bei Torsade-de-Pointes-Tachykardie.
Patienten mit Herzinsuffizienz und schweren ventrikuären Rhythmusstörungen sollten bei bestehender Indikation vorrangig einen Defibrillator erhalten. Denn in diesem Kollektiv senkt der ICD die Mortalität im Vergleich zu Amiodaron deutlich ab. Letzteres kommt wiederum „on top“ ins Boot, wenn der ICD zu häufig schockt.
Dronedaron? Amiodaron?
Von Dronedaron unterscheidet sich Amiodaron – als verwandter Multikanalblocker – durch unterschiedliche Pharmakokinetik, höhere Lipophilie, stärkere Wirksamkeit und bessere Verträglichkeit. „Ich will nicht sagen, Dronedaron sei keine wichtige Substanz, doch wir haben vielleicht etwas zu hohe Erwartungen in dieses Medikament gesetzt“, kommentierte der Experte.
Gegenüber Klasse-I-Antiarrhythmika wie z.B. Flecainid zeichnet sich Amiodaron durch deutlich geringere pro-arrhythmische Effekte aus. Bei Reanimationen und anderen Notfallsituationen, beispielsweise wenn eine Arrhythmie immer wieder auftritt, wird Amiodaron intravenös angewendet. Zum Schutz vor dem Wiederauftreten maligner Ventrikelarrhythmien ist Lidocain heute nicht mehr Mittel der Wahl, fügte der Referent hinzu.
Bei der oralen Therapie empfiehlt sich langsames Einschleichen – z.B. bei Vorhofflimmern, wenn keine Dringlichkeit besteht. Weniger gut verträglich, „aber durchaus machbar“ ist die rasche Aufsättigung. Um einen konstanten Wirkspiegel aufrechtzuerhalten, benötigt man 100 bis 300 mg Amiodaron täglich, so der Experte. „400 mg sollte heute kein Patient mehr erhalten, weil das auf Dauer zu schweren Nebenwirkungen führt“, sagte Prof. Meinertz. Der angestrebte Plasmaspiegel beträgt 0,5 bis 1,5 µg/ml.
Amiodaron - Herz, Lunge und Schilddrüse regelmäßig überwachen
„Wann soll der Spiegel gemessen werden? Und wann muss man Amiodaron bei Nebenwirkungen absetzen?“, fragten Kollegen im Auditorium. Prof. Meinertz rät zur Spiegelmessung im Steady State – zunächst nach drei bis sechs Monaten und erneut nach zwei Jahren. Wenn ein Patient mit 200 mg täglich im oberen Bereich (1,5 µg/ml) liegt, kann man z.B. 200 mg täglich mit Wochenendpause anordnen. Kardiologische Kontrollen sollten unter Amiodarontherapie alle drei Monate erfolgen.
Was die Nebenwirkungen angeht, so sind diese bis auf Schilddrüsen- und Nerven-Effekte dosisabhängig. Schwerste pulmonale Nebenwirkungen kommen in weniger als einem Prozent der Fälle vor, die Lungenfibrose ist jedoch irreversibel. Daher sollte man regelmäßig die Lungenfunktion mittels CO-Diffusionskapazität bestimmen, um eine progrediente Verschlechterung frühzeitig zu bemerken: „Da wäre ich äußerst vorsichtig mit Amiodaron“, sagte der Experte.
Mikroablagerungen in der Hornhaut stellen dagegen keinen Grund zum Behandlungsabbruch dar, es sei denn der Patient leidet unter erhöhter Blendungsempfindlichkeit. Um Schilddrüsenprobleme zu erfassen, empfiehlt es sich, das reverse T3 (rT3, die inaktive Form des T3) zu messen. Wenn der Wert das Zwei- bis Dreifache der Norm beträgt, liegen Sie im guten Bereich, erklärte Prof. Meinertz.
Fällt Ihnen ein hoher Puls auf, müssen Sie an eine Hyperthyreose denken. Doch selbst dann darf man die Therapie weiterlaufen lassen, wenn der Patient sein Antiarrhythmikum dringend benötigt. Gegebenenfalls kann parallel thyreostatisch behandelt werden – als Ultima Ratio kommt auch eine subtotale Thyreoidektomie in Betracht.
Quelle: 119. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 2013
Vorhofflimmern – von Propafenon bis Ablation
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