Angeborene Herzfehler werden erwachsen

Dr. Anja Braunwarth, Foto: S.Kobold - fotolia

Der Fortschritt macht es möglich: Die Mehrheit aller Kinder mit angeborenem Herzfehler wird groß. Doch kardiale Komplikationen sind keine Seltenheit.

Von 1000 Lebendgeborenen leiden etwa vier bis zehn unter einem angeborenen Herzfehler, schreiben Dr. Judith Bouchardy von den Services de cardiologie am CHUV in Genf und Kollege. Dank der heutigen Möglichkeiten erreichen 85–95 % von ihnen das Erwachsenenalter, sodass die Gesamtprävalenz derzeit 2,8–4,9 pro 1000 Erwachsene beträgt, Tendenz steigend.

Wer braucht eine 
Antibiotikaprophylaxe?

Ein stark erhöhtes Endokarditis-Risiko besteht bei folgenden Situationen:

  • Endokarditis in der Vergangenheit
  • Klappenprothese
  • nicht korrigierter zyanotischer Herzfehler
  • korrigierter zyanotischer Herzfehler bis zu sechs Monate postoperativ
  • angeborener Herzfehler mit residuellen Läsionen
Ihr kardia­ler Zustand hängt wesentlich von der funktionellen Kapazität – die sich mittels regelmäßiger Ergo überwachen lässt – und möglichen Komplikationen ab.


Rhythmusstörungen
stellen häufig ein Problem dar, supraventrikuläre betreffen je nach Art des Herzfehlers etwa 15 % der Patienten und verschlechtern die Prognose. Das Risiko ist nach bestimmten chirurgischen Korrekturen (z.B. atrialer Switch-Op. bei Transposition der großen Gefäße) besonders hoch.

Arrhythmiegefahr besonders hoch nach Vorhof-Eingriffen

Ausgedehnte Eingriffe an den Vorhöfen wirken arrhythmogen und können bei ein und demselben Patienten sowohl Brady- als auch Tachykardien auslösen, was die Pharmakotherapie erschwert. Ablationsverfahren zeigen hingegen gute Wirkung, gehen aber mit hohem Rezidivrisiko einher. Häufig braucht es daher Schrittmacher mit endo- oder epikardialen Elektroden.


Ventrikuläre Arrhythmien zählen zu den häufigsten Todesursachen bei Patienten mit kongenitalen Herzfehlern. Anatomische oder elektrische Anomalien etwa mit rechtsventrikulärer Dilatation oder QRS-Verbreiterung steigern die Gefahr. Bei einigen Formen der Fallot-Tetralogie leiden bis zu 15 % der Patienten an diesen Rhythmusstörungen.

Endokarditisrisiko nicht unterschätzen

Auch die Herzinsuffizienz gefährdet das Leben der Betroffenen. Neben der klassischen linskventrikulären Insuffizienz liegen vermehrt Dysfunktionen der rechten Kammer vor (z.B. bei D-Transposition der großen Gefäße nach atrialem Switch oder Ein-Kammer-Herz).


Es lohnt die Suche nach behebbaren Ursachen (Shunt, Klappenfehler), ansons­ten folgt die Behandlung klassisch mit Betablockern, ACE-Hemmern, Aldosteronantagonisten und anderen Diuretika. Im Einzelfall kommt eine kardiale Resynchronisationstherapie infrage, letztes Mittel ist die Transplantation.


Bei 20 % der Fälle werden kardiochirurgische Eingriffe erforderlich, 40 % sind Re-Interventionen. So entwickeln viele Erwachsene nach früherer Op. einer Fallot-Tetralogie eine interventionsbedürtige Pulmonalklappeninsuffizienz. Ein großes Problem stellen auch infektiöse Endokarditiden (Strepto- oder Staphylokokken) dar, die etwa 40 mal häufiger als in der Allgemeinbevölkerung auftreten. Die Mortalität liegt bei 20 %. Patienten mit höchstem Risiko sollten eine Antibiotikaprophylaxe erhalten (s. Kasten).

Herz

Transposition der 
gro­ßen Arterien: Die Aorta ist mit dem 
rechten, die Lungenarterie mit dem linken Ventrikel verbunden.

Foto: wikimedia/CDC

Gut auf Blutdruck, Lipide und Zucker achten!

Zu neurologischen Komplikationen kommt es bei etwa 2 % der Patienten, besonders bei zyanotischem Herzfehler, pulmonaler Hypertonie, Ein-Kammer-Herz oder mechanischer Herzklappe. Zur Prävention dient die enge Kontrolle von Risikofaktoren (Rhythmusstörungen, Hypertonie, Hypercholesterinämie, Dia­betes, Rauchen). Bei zyanotischen Herzfehlern raten die Autoren dazu, Filter für i.v. Injektionen zu verwenden. Werden Kontrazeptiva verschrieben, sind rein progestinhaltige zu bevorzugen.


Während einer Schwangerschaft muss man bei bis zu 13 % der vorerkrankten Frauen mit kardialen Komplikationen (wie Rhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, zerebrovaskulären Ereignissen oder Todesfällen) rechnen. Das steigende Herzzeitvolumen mit relativer Tachykardie sowie die starken Blutdruckschwankungen unter der Geburt strengen das Herz beträchtlich an.

Trotz kongenitalem Vitium schwanger werden

Die European Society of Cardiology teilt die verschiedenen Herzfehler nach WHO in vier Risikoklassen ein. Bei höchstem Schweregrad wird dringend von einer Schwangerschaft abgeraten, alle anderen Patientinnen bedürfen einer indivuellen Überwachung nach Risikoprofil.


Dabei sollten Gynäkologen und Kardiologen eng zusammenarbeiten, zumal auch geburtshilfliche Komplikationen wie Präeklampsien, postpartale Hämorrhagien, Frühgeburten oder nicht kardiale Todesfälle bei bis zu 30 % der Schwangeren eintreten. Darüber hinaus besteht Gefahr für den Fetus, seine Wahrscheinlichkeit für einen angeborenen Herzfehler ist mit 4 % gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht und neonatale Zwischenfälle treffen etwa jedes vierte Ungeborene.

Herzfehler nach WHO-Risikoklassen der European Society of Cardiology

Risikoklasse I

  • kleiner Ductus Botalli, milde Pulmonalstenose, milder Mitralklappenprolaps
  • erfolgreich in der Kindheit korrigierter einfacher Herzfehler (Vorhof-/Ventrikelseptumdefekt, partielle Lungenvenenfehlmündung, Ductus Botalli)
  • isolierte atriale oder ventrikuläre Extrasystolen


Risikoklasse II

  • unkorrigierter Vorhofseptum- oder Ventrikelseptumdefekt
  • korrigierte Fallot-Tetralogie ohne Residuen
  • verschiedene Arrhythmien


Risikoklasse II–III (individuell abhängig)

  • hypertrophe Kardiomyopathie
  • leicht eingeschränkte systolische linksventrikuläre Funktion
  • Marfan-Syndrom ohne Aortendilatation
  • Aortendilatation < 45 mm bei bikuspider Aortenklappe
  • Herzklappenerkrankung nicht WHO I oder IV


Risikoklasse III

  • mechanische Herzklappe
  • morphologisch rechter Ventrikel als Systemventrikel
  • Fontan-Zirkulation
  • unkorrigierte oder residuelle Zyanose
  • anderweitiger komplexer Herzfehler
  • Marfan-Syndrom mit Aortendilatation 40–45 mm
  • Aortendilatation 45–50 mm bei bikuspider Aortenklappe


Risikoklasse IV (Schwangerschaft kontraindiziert; allenfalls ist vorgängig eine Intervention in Betracht zu ziehen)

  • pulmonal-arterielle Hypertonie
  • schwer eingeschränkte systolische linksventrikuläre Funktion LVEF < 30 %, NYHA III–IV)
  • schwere Mitralstenose, schwere symptomatische Aortenstenose
  • native schwere Aortenisthmusstenose
  • Marfan-Syndrom mit Aortendilatation > 45 mm
  • Aortendilatation > 50 mm bei bikuspider Aortenklappe
  • durchgemachte peripartale Kardiomyopathie mit residuell eingeschränkter Ventrikeldysfunktion, native schwere Coarctatio


Quelle: Judith Bouchardy et al., Schweiz Med Forum 2014; 14: 311-313

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