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Angeborene Long-QT-Syndrom - Erst die Synkope, dann der Herztod
Etwa eines von 5000 Kindern kommt mit einem angeborenen Ionenkanaldefekt auf die Welt. Dieser führt typischerweise zu einer verlängerten Repolarisationszeit (QT-Zeit im EKG) mit dem Risiko von polymorphen ventrikulären Tachykardien vom Typ Torsade de pointes.
Meist sind die Träger des in der Regel dominant vererbten Defekts ansonsten gesund. In etwa 10 % der Fälle ist der plötzliche Herztod die erste klinische Manifestation, in 30 bis 40 % wird man durch Synkopen auf das Long-QT-Syndrom (LQTS) aufmerksam.
Plötzlicher Herztod lässt sich verhindern
Unbehandelt ist die Prognose relativ schlecht: Nach der ersten Synkope versterben innerhalb eines Jahres 20 % der Kinder, innerhalb von fünf Jahren ist die Hälfte der Betroffenen verstorben, schreibt Dr. Andreas Pflaumer von der Klinik für Kinderkardiologie am Deutschen Herzzentrum München.
Zwar steht keine kausale Therapie zur Verfügung, der gefürchtete plötzliche Herztod lässt sich aber recht effektiv verhindern. Es ist also wichtig, die betroffenen Kinder möglichst frühzeitig zu diagnostizieren, betont der Kinderkardiologe.
Bei Schwindel, Palpitationen oder Synkopen während oder nach Anstrengung, Erschrecken und Aufregung, unmittelbar nach dem Aufwachen oder beim Schwimmen sollte eine entsprechende EKG-Diagnostik erfolgen. Weiterhin ist eine Abklärung bei allen prolongierten Synkopen mit Krampfanfällen, unklaren Todesfällen bei jüngeren Familienmitgliedern oder bekanntem LQTS in der Familie zu empfehlen.
Standard-EKG liefert wichtige Hinweise
Entscheidende Hinweise auf ein angeborenes Long-QT-Syndrom liefert das Standard-12-Kanal-EKG mit Messung der QT-Zeit (vor allem in den Ableitungen II und V5). Die QT-Zeit sollte frequenzkorrigiert über drei Intervalle gemittelt werden.
Bei Kindern von 1–15 Jahren werden QT-Zeiten über 460 Millisekunden als eindeutig verlängert angesehen, der Bereich zwischen 440 und 460 ms gilt als grenzwertig. Zusätzlich kann auch eine veränderte Morphologie der T-Welle (meist betont und breitbasig) auf ein LQTS hinweisen. Um den Verdacht zu erhärten, sollte das Standard-EKG mehrmals wiederholt bzw. ein Langzeit-EKG durchgeführt werden.
Für die Abschätzung der Erkrankungswahrscheinlichkeit ist der Schwarz-Score hilfreich . Bei mehr als zwei Punkten ist eine weitere Abklärung notwendig.
Keine Entwarnung durch negativen Gentest
Bei jedem begründeten Verdacht auf ein LQTS und bei Verwandten ersten Grades mit LQTS ist eine genetische Untersuchung sinnvoll, da Risikoprofil, Prognose und Behandlung je nach Gentyp variieren können, schreibt Dr. Pflaumer. Ein negativer Gentest schließt ein LQTS aber nicht aus, da nur in 70–80 % Mutationen identifizierbar sind.
• In etwa jedem zweiten Fall findet man ein LQTS 1. Typisch für diese Form ist, dass kardiale Ereignisse durch körperliche Anstrengung (vor allem Schwimmen und Tauchen) ausgelöst werden. Häufig und früh treten Torsaden und Synkopen, aber nur selten Todesfälle auf. Liegt die QTc > 500 ms, ist das Risiko erhöht.
• Die zweithäufigste Form (38 %) ist das LQTS 2. Trigger sind hier vor
allem auditorische Reize, plötzliches Erschrecken und psychische Belastun-
gen. Mädchen mit einer QTc > 500 ms gelten als besonders gefährdet.
• Das LQTS 3 betrifft nur 8 % der Patienten. Kardiale Ereignisse werden hier bevorzugt in Ruhe und im Schlaf beobachtet. Häufige Erstmanifestation ist der (beinahe) plötzliche Herztod. Beim LQTS 3 sind Jungen mit QTc > 500 ms besonders gefährdet und Betablocker weniger effektiv als bei den anderen Formen.
Risiko-Medikamente sind im Netz gelistet
Basis der medikamentösen Therapie ist bei allen LQTS-Formen die Gabe von Betablockern, ggf. ergänzt durch einen Natriumkanalblocker wie Mexitilen. Die Einnahme von Medikamenten, die die QT-Zeit zusätzlich verlängern, muss streng vermieden werden.
Unter www.qtdrugs.com findet sich eine vollständige Liste potenziell gefährlicher Substanzen. Kommt es trotz adäquater Betablockade zu einem Herzstillstand und wird dieser überlebt, ist die Implantation eines intrakardialen Defibrillators indiziert.
Auch bei LQTS 3 mit hohem Risikoprofil und Synkopen kann ein ICD erwogen werden. Allerdings ist die ICD-Implantation im Kindesalter vermehrt mit Risiken und Komplikationen verbunden, sodass der Nutzen individuell abgewogen werden muss. Nach ICD-Implantation müssen die Betablocker ebenfalls weiter eingenommen werden, um zu häufige Schockabgaben zu vermeiden.
Andreas Pflaumer et al., internist. prax. 2010; 50: 241–254
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