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Antibiotika bei Husten und Auswurf?

Eine junge Frau kommt mit starken Halsschmerzen und Fieber in die Praxis. Die Halslymphknoten sind geschwollen, die Inspektion zeigt einen stark geröteten und mit Stippchen belegten Rachenring. „Würden Sie ihr direkt ein Antibiotikum geben?“, fragte Dr. Sabine Gehrke-Beck vom Institut für Allgemeinmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin in die Runde. Das Auditorium war geteilter Meinung.
Wer eine solche Behandlung erwägt – oder das Gefühl hat, der Patient erwartet sie – kann sich verschiedener Scores bedienen, um die Wahrscheinlichkeit einer Streptokokken-Tonsillopharyngitis abzuschätzen. Zur Auswahl stehen zum Beispiel der Centor-, der McIsaac- oder der FeverPAIN-Score. „Es ist egal, welchen Sie anwenden“, erklärte die Referentin.
Gemäß der Leitlinie erfordern niedrige Werte (bis 2 Punkte) keine Antibiose. Patienten mit mittleren bis (sehr) hohen Werten kann man ein Rezept zur Einlösung und Einnahme bei einer etwaigen Verschlechterung (Delayed Prescription) anbieten, solchen mit sehr hohen die Medikamente auch direkt angedeihen lassen. Bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3–15 Jahren hilft unter Umständen ein Schnelltest auf Gruppe-A-Streptokokken (GAS) bei der Entscheidung. Kommt es nicht zur Besserung oder verschlechtert sich die Lage klinisch, erfolgt nach drei bis vier Tagen eine Re-Evaluation.
Patienten im Gespräch über Pro und Kontra aufklären
Unerlässlich im Gesamtkontext ist eine ausführliche Beratung, in der man folgende Punkte ansprechen sollte:
- natürlicher Krankheitsverlauf (selbstlimitierend, Beschwerden dauern ca. eine Woche)
- geringes Risiko (1–1,5 %) für Komplikationen wie Otitis media, Sinusitis
- Selbstmanagement (viel trinken, Schonung)
- Wahrscheinlichkeit für eine bakterielle Pharyngitis auf Grundlage von Anamnese und Befund
- Vor- und Nachteile der Antibiose; Symptomverkürzung um ca. 16 h; hohe Number-needed-to-treat von ca. 200, um Komplikationen zu vermeiden; Risiko von 10 % für Nebenwirkungen wie Diarrhö, Anaphylaxie, Mykosen
- ggf. auf Nachfrage über die Inzidenz des akuten rheumatischen Fiebers (< 1:1.000.000) und die geschätzte Number-needed-to-treat > 5.500 für eine rheumatische Herzerkrankung aufklären
Unklarheiten tauchen auch häufig beim Thema Husten auf. Patienten sind vor allem beunruhigt, wenn er mit gelbem oder gar grünem Sputum einhergeht. „Die Farbe sagt aber überhaupt nichts darüber aus, ob eine Antibiotikaindikation besteht oder nicht“, betonte Dr. Gehrke-Beck. Anders bei der COPD: Purulenter Auswurf während einer Exazerbation gilt dann als Indikation für Antibiotika.
Anhaltender Husten erfordert Abklärung
Bei akutem Husten – bis zu acht Wochen andauernd – eruiert man zunächst Red Flags (siehe Kasten), die einer weiteren Abklärung bedürfen. Liegen keine vor, schaut man nach Infektzeichen. Gibt es sie, kommen sowohl harmlosere Ursachen (Erkältung, akute Bronchitis), für die eine symptomatische Therapie genügt, als auch schwere (Pneumonie, COVID-19, Influenza) mit speziellem Behandlungsbedarf infrage. Gerade die Differenzialdiagnose einer Pneumonie fällt nicht immer leicht. Normale Vitalparameter und ein unauffälliger Auskultationsbefund machen die Lungenentzündung aber sehr unwahrscheinlich, stellte die Kollegin klar. Das CRP hilft nicht wesentlich weiter, diagnostischer Goldstandard bleibt der Röntgenthorax. Wer firm darin ist, kann den Thorax auch schallen. Die O₂-Sättigung und der CRB-65-Index, ein klinischer Score für den Schweregrad einer ambulant erworbenen Pneumonie, nützen für die Entscheidung über eine stationäre Therapie.
Red Flags bei Husten
- Stridor
- Dyspnoe, Tachypnoe, Zyanose
- neu auftretender, relevanter Abfall der Sauerstoffsättigung
- Tachykardie
- Thoraxschmerz
- Hämoptysen
- schaumiger Auswurf
- vor Kurzem aufgetretenes Thoraxtrauma
- Inhalation von reizenden Stoffen oder Rauchgas
- schwere Immunsuppression
- Gebrechlichkeit (engl. frailty)
Bei viralen Infekten Übergebrauch vermeiden
Da es sich ansonsten vorwiegend um virale Infekte handelt, besteht in der Regel keine Notwendigkeit für die Gabe eines Antibiotikums. Die Aufklärung darüber, evtl. Delayed Prescription, ein Schnelltest auf CRP oder die Messung von Procalcitonin helfen, einen Übergebrauch zu vermeiden. Für eine akute Sinusitis braucht man ebenfalls nur selten Antiinfektiva. 80 % Prozent der Patienten sind nach zwei Wochen beschwerdefrei, 90 % nach rund sechs Wochen.
Erfolgen sollte eine Antibiose laut Leitlinie bei Hinweisen auf Komplikationen wie Lethargie, starke Kopfschmerzen oder Gesichtschwellungen. Erwogen werden kann sie für Patienten mit Risikofaktoren (z.B. Immunsuppression, chronisch-entzündiche Lungenerkrankungen), starken oder zunehmenden Beschwerden sowie Fieber über 38,5 °C. Zur Antibiotikaempfehlung raten die Leitlinienautoren bei Patienten mit (sehr) starken Schmerzen in Kombination mit erhöhten Entzündungsparametern.
Kongressbericht: 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin
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