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Antikörper befreite von extremer Muskelschwäche

Mit Muskelschwäche und Schluckbeschwerden kam ein 27-Jähriger in die Klinik. Hautausschläge, Arthritis oder eine Raynaud-Symptomatik zeigte er nicht, berichten Dr. Océane Landon-Cardinal von der Universitätsklinik Montréal und Kollegen. Die Kraft von M. deltoideus und M. psoas lag bei 2 von 5 Punkten auf der MRC-5-Skala, es bestand eine schwere proximale Muskelschwäche mit deutlichen funktionellen Einschränkungen. Der Blick auf die Laborwerte ergab erhöhte Werte für Kreatinkinase (19.824 IU/l) und Troponin I (196 ng/l). Auch bei der Antikörpersuche wurden die Ärzte fündig. Zwar waren ANA, ENA und Anti-SS-DNA negativ. Doch anti-SRP und anti-Ro52 erwiesen sich schließlich als positiv. Das EMG zeigte ein myopathisches Muster, die MRT muskuläre Hypersignale.
Den Schluckbeschwerden gingen die Kollegen mittels Ösophagografie nach. Diese entlarvte eine schwere oropharyngeale Dysphagie, die eine parenterale Ernährung erforderlich machte. Das Herzecho hingegen war unauffällig. Schlussendlich bestätigte die Muskelbiopsie die Diagnose: Die Pathologen entdeckten ein pauci-immunes nekrotisierendes Muster, passend zur immunvermittelten nekrotisierenden Myopathie (IMNM).
Auch Tacrolimus und Plasmaaustausch erfolglos
Trotz der Behandlung mit Glukokortikoiden, MTX, intravenösen Immunglobulinen (IVIG) und Rituximab verschlechterte sich der Zustand des Patienten. Er wurde auf die Intensivstation verlegt und musste dort ab dem zweiten Monat nach Diagnose aufgrund einer Zwerchfelldysfunktion mechanisch beatmet werden. Eine weitere Rituximabgabe und Tacrolimus blieben in den nächsten Wochen ebenso erfolglos wie der insgesamt sechsmalige Plasmaaustausch.
Schließlich entschlossen sich die Kollegen im achten Monat nach Therapiebeginn, zusätzlich zu Glukokortikoiden, IVIG, Tacrolimus und MTX den Anti-CD38-Antikörper Daratumumab zu infundieren. Zuerst bekam der Mann wöchentlich, dann zweiwöchentlich 16 mg/kgKG verabreicht. Die ersten Therapieerfolge zeigten sich schon innerhalb von vier Wochen. Nach 13 Infusionen hatte sich die Muskelkraft des Mannes erheblich gebessert. Seine Handkraft stieg von 5 kg auf 19 kg (normal sind 50–55 kg), die Quadricepskraft von 56 kg auf 121 kg (normal 215 kg +/- 41 kg). Außerdem konnte die parenterale Ernährung beendet und der Patient von der Beatmung entwöhnt werden.
Die klinische Besserung spiegelte sich auch im Labor wider. Die Kreatinkinase sank unter 1.000 IU/l, und der anti-SRP-Titer von dreifach zu einfach positiv. Im weiteren Therapieverlauf wurden die Glukokortikoide schrittweise getapered, MTX reduziert und die Immunglobuline abgesetzt. Auch Daratumumab reduzierten die Kollegen auf eine Dosierung von 16 mg/kgKG pro Monat. Elf Monate nach seiner Einweisung in die Klinik konnte der Patient in die Rehaklinik entlassen werden.
Dies ist der erste Fall, in dem eine refraktäre IMNM mit Daratumumab behandelt wurde, schreiben die Autoren. Die zusätzliche Gabe zu konventionellen Immunsuppressiva und Rituximab brachte eine schnelle und spektakuläre Besserung der klinischen Beschwerden bei gleichzeitiger Reduktion von CK und Antikörpertitern.
Eine mögliche Begründung ist, dass die Standardtherapie mit Rituximab auf CD20-positive B-Zellen zielt, langlebige Plasmazellen mit dem Oberflächenmarker CD38 jedoch nicht beeinflusst. Diese spielen bei der IMNM offenbar eine zentrale Rolle. Der Anti-CD38-Antikörper adressiert diese Plasmazellen und könnte den Autoren zufolge bei der seropositiven IMNM eine vielversprechende neue Therapieoption darstellen.
Quelle: Landon-Cardinal O et al. Ann Rheum Dis 2023; 0:1–2; DOI: 10.1136/ard-2022-223541
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