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Leitlinien für kardiologisches Screening nach Krebstherapie im Kinder-, Jugend- oder Erwachsenenalter aktualisiert

Überlebende einer Krebserkrankung im Kindes-, Jugend- oder jungen Erwachsenenalter (CAYA) haben, wenn sie eine anthrazyklinhaltige Chemotherapie oder eine Bestrahlung im Brustbereich erhalten, später ein erhöhtes Risiko für eine Kardiomyopathie. In der Regel sind die dazu führenden Prozesse schleichend, mit einer allmählich fortschreitenden Abnahme der Herzfunktionen. Die IGHG* mit internationalen Expert:innen aus den Bereichen pädiatrische Onkologie und Strahlentherapie, Krebsüberlebenshilfe, Kardiologie, Epidemiologie und Leitlinienmethodik formulierte im Jahr 2015 Leitlinien zur Überwachung und Behandlung eintretender Herzveränderungen. Das Team um Dr. Matthew J. Ehrhardt, St. Jude Children’s Research Hospital, Memphis, aktualisierte diese jetzt durch ein systematisches Review.
Die Leitlinien wurde für Krebsüberlebende formuliert, die zum Zeitpunkt der Diagnose jünger als 25 Jahre waren, deren onkologische Behandlung mindestens zwei Jahre zurücklag und die zuvor eine anthrazyklinhaltige Chemotherapie oder eine Bestrahlung erhalten hatten, bei der das Herz exponiert war.
Erhöhtes Risiko bestätigt
Im aktuellen Review bestätigte sich, dass hohe kumulative Anthrazyklin- und auf den Brustkorb gerichtete Strahlendosen die Gefahr für spätere Kardiomyopathien in der Gruppe der CAYA- Krebsüberlebenden steigern. So ergaben die Daten beispielsweise, dass die Anwendung von Doxorubicin-äquivalenten kumulativen Anthrazyklindosen von mindestens 250 mg/m² ein mehr als fünffach erhöhtes Risiko für Herzversagen mit sich bringt im Vergleich zu Personen, die diese nicht erhalten hatten. Patient:innen, die mit Dosen von 100–300 mg/m² behandelt wurden, weisen ein um 2,7- bis 3,8-fach (bei Dosen von mehr als 300 mg/m2 um mehr als vierfach) höheres Risiko für asymptomatische linksventrikuläre systolische oder diastolische Dysfunktion (ALVD) auf.
Ebenso konnten die Kolleg:innen bestätigen, dass CAYA-Krebsüberlebende, die einer Bestrahlung des Thorax ausgesetzt waren, ein gesteigertes Risiko für Herzversagen haben. Es deutete sich an, dass der bisher angenommene Schwellenwert von 35 Gy, oberhalb dessen eine erhöhte Gefahr besteht, auf 30 Gy gesenkt werden muss: In drei Studien fand sich ein 6,7- bis 20,6-fach erhöhtes Risiko für Herzversagen, wenn eine Strahlendosis von mehr als 30 Gy eingesetzt wurde.
Überwachung abgestuft
Die Autor:innen raten zu einer generellen Überwachung von
- Überlebenden, die eine Anthrazyklindosis von mindestens 250 mg/m2, eine Brustbestrahlung von mindestens 30 Gy oder eine Kombination aus beidem erhalten haben (hohes Risiko) und
- Patient:innen, die mit 100–249 mg/m² Anthrazyklinen oder 15–29 Gy Thoraxradiotherapie behandelt wurden (moderates Risiko).
Hingegen sei die generelle Surveillance von Personen, die weniger als 100 mg/m2 Anthrazyklindosis und weniger als 15 Gy Brustbestrahlung xerhielten (niedriges Risiko), ineffektiv und damit nicht empfehlenswert.
Überwachung von Schwangeren mit mittlerem bis hohem Risiko
Besonders wichtig erscheint im Licht der neuen Erkenntnisse eine Überwachung der Herzfunktionen vor und während einer Schwangerschaft, um eventuelle Verschlechterungen schon im ersten Trimester rechtzeitig zu erkennen.
Für die Überwachung wird der Einsatz der 2D- oder 3D-Echokardiografie im Abstand von zwei Jahren (hohes Risiko) bzw. fünf Jahren (moderates Risiko) empfohlen. Ein Screening von Krebsüberlebenden mit niedrigem Risiko sei nicht ratsam, schreiben die Autor:innen. Da in qualitativ hochwertigen Studien kein Nachweis für eine Abschwächung der Gefahr eines Herzversagens im Laufe der Zeit nachgewiesen werden konnte, sprechen sich die Forschenden für eine lebenslange Überwachung von Patient:innen mit mittlerem und hohem Risiko aus.
Intervention – ab wann?
Die Entscheidung, ab wann man im Falle einer asymptomatischen Kardiomyopathie intervenieren muss, beurteilen die Kolleg:innen als schwierig, weil man weitere Faktoren wie das Lebensalter berücksichtigen müsse. Sie empfehlen allerdings die Überweisung an eine Kardiologin oder einen Kardiologen, wenn eine asymptomatische Kardiomyopathie festgestellt wird. Bei einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von weniger als 40 % sollte eine Behandlung mit Herzinsuffizienzmedikamenten in Erwägung gezogen werden. Ebenso raten die Autor:innen zu einem Screening auf veränderbare Risikofaktoren im Lebensstil und gegebenenfalls entsprechende Veränderungen.
* International Late Effects of Childhood Cancer Guideline Harmonization Group
Quelle:
Ehrhardt MJ et al. The Lancet Oncol 2023; DOI: 10.1016/S1470-2045(23)00012-8
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