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Von Endokarditis bis Herzinsuffizienz

Update Endokarditis
Bei Hochrisikopatienten für eine infektiöse Endokarditis ist die antibiotischen Prophylaxe vor Eingriffen an Zähnen und Kiefer bereits etabliert. Wie Dr. Victoria Delgado vom Germans Trias i Pujol Hospital in Barcelona und Prof. Dr. Michael Borger von der Universitätsklinik für Herzchirurgie in Leipzig darlegten, soll sie nun auch für Hochrisikopatienten erwogen werden, die sich einer invasiven diagnostischen oder therapeutischen Intervention unterziehen müssen. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese im respiratorischen, gastrointestinalen, urogenitalen oder muskuloskelettalen System erfolgt. Es gibt eine Zusammenfassung der Empfehlungen im Kartenformat, die Patienten den behandelnden Ärzten aushändigen können.
In den Empfehlungen zur Bildgebung werden jetzt neben der klassischen Echokardiografie auch die Kardio-CT, die Positronenemissionstomografie bzw. CT mit 18F-Fluordesoxyglukose und die Leukozytenszintigrafie mit SPECT-CT berücksichtigt. Für ihren jeweiligen Einsatz gibt es in den Leitlinien Algorithmen. Überarbeitete Entscheidungsbäume stehen ebenso für das therapeutische Vorgehen je nach Phase der Endokarditis sowie für mögliche chirurgische Indikationen, deren Timing und das Vorgehen bei Endokarditiden durch elektronische Implantate zur Verfügung.
Update kardiovaskuläre Therapie bei Diabetes
Die neuen Leitlinien zum Management von kardiovaskulären Erkrankungen bei Patienten mit Diabetes stellten Prof. Dr. Nikolaus Marx von der Medizinischen Universitätsklinik I der RWTH Aachen und Prof. Dr. Massimo Federici, Universität Tor Vergata, Rom, vor. Bei jedem Patienten mit einer kardiovaskulären Erkrankung sollte ein Diabetesscreening erfolgen und bei Diabetikern ein kardiovaskuläres. Bei Letzterem untersucht man zusätzlich die Niere.
Für die blutzuckersenkende Therapie gilt ein neues Konzept: In jedem Fall sollte man Substanzen mit nachgewiesenem Benefit für das Herz-Kreislauf-System verwenden und ggfs. zu diesen Medikamenten wechseln. Patienten mit atherosklerotisch bedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhalten unabhängig von der glykämischen Kontrolle GLP1-Rezeptor-Agonisten oder SGLT2-Hemmer. Für die zusätzliche Blutzuckersteuerung eignen sich vor allem Metformin oder Pioglitazon.
Bei Diabetikern mit Herzinsuffizienz haben SGLT2-Hemmer Priorität, ebenfalls unabhängig von der Blutzuckereinstellung. Diese gelingt durch die zusätzliche Gabe von GLP1-Analoga, Sitagliptin, Metformin oder Insulin glargin bzw. Insulin degludec. Pioglitazon und Saxagliptin sind zu meiden, da sie in Studien das Risiko für insuffizienzbedingte Hospitalisierungen erhöht haben.
Geht der Diabetes mit einer chronischen Nierenerkrankung einher, verordnet man Statine, um das kardiovaskuläre, und ACE-Hemmer oder Sartane, um das renale Risiko zu senken. Zum Schutz beider Organsysteme bekommen die Patienten noch SGLT2-Hemmer und Finerenon, ergänzt durch eine gute Blutdruckkontrolle. Zur BZ-Regulierung eignen sich in erster Linie GLP1-Rezeptoragonisten.
Für Diabetiker ohne atherosklerotisch bedingte kardiovaskuläre Erkrankungen oder Endorganschäden wurde ein neuer Risikoscore, der SCORE2-Diabetes, entwickelt. Mit ihm kann man kardiovaskuläre 10-Jahres-Risiko abschätzen. Für den neuen Score wurde der klassische SCORE2 um die Parameter Alter zum Zeitpunkt der Diabetesdiagnose, HbA1c und geschätzte GFR (eGFR) ergänzt. Abhängig von dem damit ermittelten Risiko gibt es Empfehlungen zu LDL-Zielen und Glukosemanagement. Die neue Leitlinie thematisiert außerdem Punkte wie Lebensstil, Arrhythmien und Typ-1-Diabetes, auf die die Referenten nicht weiter eingingen.
Update Kardiomyopathien
Prof. Dr. Elena Arbelo von der Universitätsklinik in Barcelona und Dr. Juan Pablo Kaski vom University College London berichteten über die News zur Kardiomyopathie. Zunächst gilt es, den richtigen Phänotyp der Erkrankung mittels EKG, Labor, genetischer Marker und klinischer Symptome zu identifizieren. Zumindest bei der ersten Evaluation sollten die Patienten auch zur kardialen MRT, für eventuelle Kontrollaufnahmen nennt die Leitlinie definierte Vorgaben. Praktisch obligat sind die gründliche Familienanamnese bis in die dritte und vierte Generation hinein und idealerweise eine genetische Testung. Für danach eventuell anstehende Testungen in der Familie kann man sich an einem Algorithmus orientieren. Die Patienten sollten generell in einem multidisziplinären Team betreut werden, die Therapie zielt vor allem auf Arrhythmien und Herzinsuffizienz ab. Für jeden Phänotyp liefern die Leitlinienautoren dezidierte Empfehlungen.
Update akutes Koronarsyndrom
Das akute Koronarsyndrom (ACS) war Thema von Prof. Dr. Robert Byrne vom Mater Private Hospital in Dublin und Prof. Dr. Borja Ibanez vom National Center for Cardiovascular Research in Madrid. Erstmals wurden die Leitlinien zum STEMI und NSTEMI zusammengefasst. Denn für beide wie auch für die instabile Angina sind Diagnostik und Basismaßnahmen dieselben.
Neu beim NSTEMI: Hochrisikopatienten, also solche mit gesicherter Diagnose, einem GRACE-Risikoscore > 40, mit transienter ST-Streckenhebung, dynamischem ST-Segment oder T-Wellenveränderung, sollen nun binnen 24 Stunden invasiv behandelt werden. Eine weitere Neuerung betrifft den Herzstillstand außerhalb der Klinik. Verlassen wurde das Konzept der Hypothermie, es gilt nur noch, Fieber zu vermeiden. Und ist keine ST-Hebung zu sehen, wird keine routinemäßige sofortige Angiografie mehr angeraten.
Zur antithrombotischen Therapie vor einer primären perkutanen koronaren Intervention haben P2Y12-Inhibitoren nun eine Klasse-IIb-Empfehlung. Standard nach dem akuten Koronarsyndrom bleibt das Duo aus ASS und P2Y12-Inhibitor für zwölf Monate, danach ASS alleine. Die alternativen Strategien zur Senkung des Blutungsrisikos wurden neu überarbeitet und sind in einem übersichtlichen Schema dargestellt, ebenso die Alternativen zu ASS in der Langzeittherapie.
Bei einer Multigefäßerkrankung mit kardiogenem Schock soll nun nach der Erstintervention eine stufenweise vollständige Revaskularisierung erfolgen. Hat der Befall mehrerer Gefäße zum STEMI geführt, wird die vollständige Wiedereröffnung während der Indexprozedur oder binnen 45 Tagen empfohlen, und zwar angiographiegesteuert.
Die letzten wichtigen Neuheiten der Leitlinie: Eine eventuell nötige Intensivierung der LDL-Senkung veranlasst man am besten bereits bei Einlieferung, Krebspatienten erhalten invasive Strategien, wenn ihre Lebenserwartung noch mindestens sechs Monate beträgt, und man verordnet am besten Polypillen, um die Adhärenz zu steigern.
Update Herzinsuffizienz
Prof. Dr. Theresa McDonagh vom King’s College Hospital London und Prof. Dr. Marco Metra, Università degli Studi di Brescia, hatten die Herzinsuffizienz zum Thema. Die Änderungen in der Leitlinie betreffen vor allem die Herzinsuffizienz mit leicht reduzierter Ejektionsfraktion (heart failure with mildly reduced ejection fraction, HFmrEF) oder erhaltener EF (HFpEF).
Für Patienten mit HFmrEF und HFpEF wird jetzt die Gabe eines SGLT2-Inhibitors empfohlen, um das Risiko für Hospitalisierungen oder kardiovaskulären Tod zu senken. Außerdem haben für diese Patientengruppe Diuretika eine Klasse-I-Empfehlung bekommen.
Bei HFmrEF kommen ACE-Hemmer/Sartan/ARNI sowie Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten und Betablocker dazu (Klasse-II-Empfehlung). Patienten mit HFpEF benötigen neben SGLT2-Hemmern und Diuretika eine Behandlung zugrunde liegender Erkrankungen und Komorbiditäten.
Wird eine Hospitalisierung wegen einer akuten Insuffizienz nötig, raten die Experten dazu, die evidenzbasierte Therapie noch während des stationären Aufenthaltes einzuleiten, schnell aufzutitrieren und in den ersten sechs Wochen engmaschig zu kontrollieren. Bei Bedarf kann man sie dann anpassen. Auch die Autoren der Herzinsuffizienzleitlinie sprechen sich für die Gabe von SGLT2-Hemmern bei herzkranken Diabetespatienten aus und bei komorbider chronischer Nierenerkrankung für Finerenon. Im Falle eines Eisenmangels bei HFrEF- und HFmrEF-Patienten raten sie zur i.v. Supplementierung, um Symptome und Lebensqualität zu bessern sowie die Gefahr von Hospitalierungen zu mindern.
* European Society of Cardiology
Quelle: Kongressbericht ESC* Congress 2023
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