An das Alter angepasste Therapieoption

ASH 2022 Friederike Klein

Studien zeigen, dass es wirksame Optionen für ALL Patient:innen gibt, die sich auch für über 55-Jährige eignen. (Agenturfoto) Studien zeigen, dass es wirksame Optionen für ALL Patient:innen gibt, die sich auch für über 55-Jährige eignen. (Agenturfoto) © LIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com

Wenig Menschen mit akuter lymphatischer Leukämie in höherem Lebensalter erhalten eine intensive Therapie – unabhängig von ihrem Performance-Status. Einige werden sogar nur palliativ behandelt. Dabei gibt es wirksame Optionen, die sich auch für über 55-Jährige eignen.

Dr. Nicola Gökbuget von der Universitätsklinik in Frankfurt am Main rief dazu auf, ältere Personen mit ALL an Zentren zu überweisen. Die Prognose sei vor allem ab dem Alter von 55 Jahren schlecht und der medical need hoch. In laufenden Studien werden Immun-Chemotherapie-Optionen mit Inotuzumab-Ozogamicin oder Blinatumomab in der Erstlinie für ältere Patient:innen geprüft. Das dürfte die Zukunft für Betroffene im höheren Lebensalter sein, meinte Dr. Gökbuget und betonte: „Wir haben wirksame Therapien auch für Ältere, allerdings werden sie für diese Gruppe nicht vermarktet und es gibt in den meisten Ländern in Europa keine Kostenerstattung dafür.“ 

Um diese Situation zu verbessern, muss eine Standardtherapie definiert werden, die auch in randomisierten Studien als Kontrolle dienen kann. Zentrale Ziele sind die Reduktion der Frühmortalität und die Verringerung der Rezidivrate durch die Eradikation einer minimalen Resterkrankung (MRD). 

Die Referentin präsentierte die Ergebnisse einer Studie mit einem angepassten, pädiatrisch-stimulierten Protokoll der deutschen ALL-Studiengruppe GMALL, das zugelassene Therapeioptionen nutzt (s. Kasten). Dr. Gökbuget und ihr Team verglichen Patient:innen, die das ursprüngliche Protokoll mit leichten Abwandlungen erhalten hatten (Gruppe 1), mit einer zweiten Kohorte, in der das zuletzt eingesetzte Regime nach Möglichkeit dosisdichter erfolgen sollte und MRD-basiert nach der zweiten Konsolidierungsphase ein Behandlungswechsel stattfinden konnte.

Das mediane Alter der Teilnehmenden lag bei 68 Jahren, der Anteil der über 75-Jährigen betrug 11 % (n = 91). 50 % wiesen einen Carlson-Komorbiditätsindex (CCI) von 0 auf, 40 % von 1-2 und 10 % von ≥ 3. 80 % hatten eine ALL der B-Linie.

Alter als Hauptrisikofaktor

73 % der evaluierbaren Personen erreichten nach Induktion eine Komplettremission (CR). Der Anteil in der zweiten Gruppe war mit 75 % vs. 72 % etwas höher als in der ersten. Die Referentin bezifferte die Rate früher Todesfälle mit insgesamt 14 %, mit 15 % in der ersten und 9 % in der zweiten Gruppe. Hauptrisikofaktor für frühe Todesfälle war das Alter, außerdem ein CCI ≥ 3. Eine Leukozytenzahl von ≥ 30.000/µl ging mit einer reduzierten Wahrscheinlichkeit für ein CR einher (62 % vs. 77 % bei < 30.000/µl). 

Zwei Protokolle für Ältere im Test

Die GMALL-Elderly-Studie mit Register begann 2003 mit einem pädiatrisch-angelehnten, altersadaptierten Regime. Eingeschlossen wurden 741 Patient:innen mit ALL im Alter von über 50 Jahren. Die bei jungen Personen eingesetzte Asparaginase wurde nicht in die Induktion, aber in die Konsolidierung mit integriert, Daunorubicin durch Idarubicin ersetzt und die Dosierung anderer Zytostatika reduziert. Außerdem verlängerten die Forschenden die Behandlungsintervalle, um die Tolerabilität zu verbessern. Alle Erkrankten mit CD20+ ALL erhielten zudem Rituximab. Über die Jahre wurde das Regime weiter verändert. 

Die MRD-Negativitätsrate fiel in der Studie niedriger aus als bei jungen Patient:innen und erreichte nach der Induktion 41 %, nach der ersten Konsolidierung mit intrathekalem Methotrexat und Asparaginase 57 % und nach der zweiten Konsolidierung mit Hochdosis-Cytarabin 64 %.

Die OS-Rate betrug über alle Teilnehmenden hinweg nach einem Jahr 62 %, nach drei Jahren 36 % und nach fünf Jahren 28 %. „Die Ein-Jahres-OS-Rate wird heute in vielen Studien berichtet, aber ist wenig geeignet, um die Langzeiteffektivität zu beurteilen“, betonte Dr. Gökbuget. Die Drei-Jahres-OS-Rate war mit 50 % vs. 32 % in Gruppe 2 signifikant besser als in Gruppe 1 (p < 0,0001). Das galt auch für andauernde Remissionen (62 % vs. 41 %; p = 0,006). Die Referentin hob die niedrige Mortalitätsrate in CR hervor, die sich in Gruppe 1 vs. 2 auf 5 % vs. 3 % belief. „Das Hauptproblem ist die Induktionstherapie“, sagte sie. Von dem Regime der Gruppe 2 profitierten vor allem Erkrankte im Alter von 56–65 Jahren. „Darüber hinaus sind wir offenbar an einem Limit angekommen für das, was wir mit Chemotherapie erreichen können“, so Dr. Gökbuget.

Patient:innen mit molekularer CR nach der zweiten Konsolidierung hatten mit einem Drei-Jahres-OS von 80 % eine größere Überlebenswahrscheinlichkeit als Betroffene, die dies nicht erreichten. Es sollte über eine frühere Therapieänderung bei MRD-Persistenz nachgedacht werden als es in diesem Protokoll der Fall ist, glaubt die Referentin. Personen mit persistierender MRD hatten bei Hinzunahme von Blinatumomab nach Konsolidierung einen signifikanten Vorteil mit einer OS-Rate nach drei Jahren von 74 % gegenüber 46 % ohne diese Immuntherapie. „Das zeigt gut, dass eine MRD-gesteuerte Therapie einen Unterschied machen kann“, meinte sie. 

Insgesamt stellt das Protokoll der Gruppe 2 einen Standard für über 55-jährige Patient:innen mit ALL dar. Noch ungeklärt ist die Strategie für Erkrankte im Alter von über 65 Jahren und mit eingeschränktem Performance Status. Dr. Gökbuget regte an, bei diesen Personen eine alleinige Immuntherapie einzusetzen. 

Quelle:
Gökbuget N et al. 64th ASH Annual Meeting 2022; Presentation and Abstract #53

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