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Auf Unachtsamkeit folgt Lebensgefahr

Eine zuvor gesunde Jugendliche wurde von ihren Eltern bewegungslos vor ihrem Bett kniend vorgefunden. Dem herbeigerufenen Notarzt fielen bei der 16-Jährigen mittelweite Pupillen auf, ihre Vitalparameter waren stabil und sie reagierte auf Schmerzreize. Hinweise auf Verletzungen gab es nicht, berichten Khaled Elsayed vom St. Franziskus-Hospital Ahlen und Kollegen. Bei der Aufnahme in die Klinik reagierte die komatös-stuporöse Patientin dann schon nicht mehr auf Schmerzreize. Ihre Pupillen waren mittlerweile verengt. Es zeigte sich eine mäßige Tachykardie bei normalem Blutdruck und unauffälliger peripherer Sauerstoffsättigung. Bei der Laboruntersuchung fanden sich eine Leukozytose sowie erhöhte Glukosewerte.
Zur Hypotonie gesellten sich Halluzinationen
Um ein intensives Monitoring bei befürchteten Herzrhythmusstörungen sicherzustellen, kam das Mädchen auf die Intensivstation. Dort entwickelte es eine Hypotonie mit Werten von minimal 80/50 mmHg. Hinzu kam eine Sinustachykardie von bis zu 157 Schlägen pro Minute bei zweimaligem ansonsten unauffälligem 12-Kanal-EKG. Eine vorhandene Pneumonie wurde als Aspirationspneumonie gedeutet und antibiotisch behandelt. Als die Patientin nach Tagen etwas wacher wurde, reagierte sie teils aggressiv und halluzinierte. Aufgrund fortbestehender Gangunsicherheit erfolgte eine MRT, die einen Befund wie bei Multipler Sklerose ergab.
Der Multidrogentest mit Katheterurin lieferte ein positives Ergebnis für trizyklische Antidepressiva. Erst sechs Tage später folgte das Resultat der Blutanalyse mit einem Summenspiegel für Amitriptylin und Nortriptylin von 1.044 ng/ml – eine als letal beschriebene Konzentration. Bereits Werte ab 300 ng/ml gelten als toxisch, schreiben die Autoren.
MRT ergab Befund wie bei Multipler Sklerose
Dieses Testergebnis kam unerwartet, da die Eltern auch nach intensivem Befragen Amitriptylin nicht als Teil der Hausapotheke angegeben hatten. Erst nach Androhung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen erklärten sie, das Antidepressivum einige Wochen zuvor im Hausmüll entsorgt zu haben. Die Jugendliche gab fast zeitgleich zu, die Packungen dort herausgeholt und nach einem Streit mit der Mutter 30 bis 40 der Tabletten geschluckt zu haben.
Da die Ursache der Intoxikation erst so spät erkannt werden konnte, war keine kausale Therapie erfolgt. Eine mögliche Option wäre die Infusion von Natriumhydrogenkarbonat als 8,4%ige Lösung in einer Dosis von 1–2 mmol/kgKG gewesen. Ziel dieser Maßnahmen ist die Alkalisierung des Blutserums und die Steigerung des extrazellulären Natriumspiegels, um die Spiegel an aktivem Nortriptylin zu verringern.
Die Jugendliche wurde wegen Suizidalität in die Kinder- und Jugendpsychiatrie verlegt. Mit Einverständnis der Eltern entließ sie sich drei Tage später gegen ärztlichen Rat selbst nach Hause.
Quelle: Elsayed K et al. Monatsschr Kinderheilkd 2023; 171: 638-642; DOI: 10.1007/s00112-023-01777-9
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