Barrett-Ösophagus: Karzinomrisiko analysiert

Josef Gulden

Neue Daten legen nahe, dass das Karzinomrisiko bei Vorliegen eines Barrett-Ösophagus geringer ist als bisher angenommen. Die Folgerung: Wenn keine Dysplasie vorhanden ist, ist eine Überwachung nicht gerechtfertigt.

Der Übergang vom Barrett-Ösophagus zum Karzinom verläuft über niedrig- und hochgradige Dysplasie-Stadien, bei deren Vorliegen auf jeden Fall eine regelmäßige endoskopische Überwachung angezeigt ist. Unklar ist allerdings, wie hoch das Risiko nicht dysplastischer Barrett-Läsionen ist und ob Vorsorgeprogramme hier generell gerechtfertigt sind: Ein positiver Einfluss auf das Überleben ist dafür noch nie gezeigt worden.

Adenokarzinom-Risiko bei Barret-Ösophagus erhöht

Gastroenterologen und Epidemiologen von der Universität von Aarhus nahmen deshalb eine populationsbasierte Kohortenstudie in Angriff, in die insgesamt 11 028 dänische Patienten mit Barrett-Ösophagus eingeschlossen wurden. Mithilfe der dänischen Pathologie- und Krebsregister wurde mit einer Nachbeobachtungszeit von median 5,2 Jahren die Entwicklung verfolgt.


Im ersten Jahr nach der Index-Endoskopie, bei der der Barrett-Ösophagus diagnostiziert worden war, entwickelten 131 Patienten ein neues Adenokarzinom, in den darauf folgenden Jahren kamen 66 zusätzliche Malignome hinzu, sodass sich eine Inzidenzrate von 1,2 neuen Karzinomen pro tausend Personenjahre ergab (95%-Konfidenzintervall  [CI] 0,9–1,5).


Das jährliche Risiko lag damit, wenn die Fälle aus dem ersten Follow-up-Jahr ausgeschlossen wurden, bei 0,12 % (95%-KI 0,09 – 0,15) und war im Vergleich zur Normalbevölkerung um den Faktor 11,3 erhöht (95% CI 8,8–14,4), aber deutlich niedriger als die ungefähr 0,5 %, die aus anderen Untersuchungen bisher geschätzt worden waren.

Männliches Geschlecht ist ein Risikofaktor für Barret-Ösophagus 

Diese Zahl traf dagegen ziemlich genau für die Subpopulation von Patienten mit Barrett-Ösophagus und niedriggradiger Dysplasie zu, bei denen sich pro tausend Personenjahre 5,1 Fälle von entweder hochgradiger Dysplasie oder Adenokarzinom entwickelten, entsprechend einem jährlichen Risiko von 0,51 %. Patienten, die zu Beginn keine Dysplasie aufgewiesen hatten, kamen hingegen nur auf 1,0 Fälle pro tausend Personenjahre.


Männer mit Barrett-Ösophagus hatten mit 1,5 Adenokarzinomen pro tausend Personenjahre (95% CI 1,1–1,9) ein signifikant dreifach höheres Risiko als Frauen mit 0,5 Fällen (95% CI 0,3–1,0). Auch das Alter spielt eine Rolle: Hatten 30- bis 49-Jährige eine Inzidenzrate von 0,2 pro tausend Personenjahre (95% CI 0,05–0,8), so stieg sie bei den 50- bis 69-Jährigen auf 1,0 (95% CI 0,7–1,5) und bei den mindestens 70-Jährigen auf 1,8 (95% CI 1,3–2,5).


Der wichtigste Befund in ihrer Studie ist, so die dänischen Autoren, dass das absolute Risiko für ein Ösophaguskarzinom nach Diagnose eines Barrett-Ösophagus deutlich unter den Werten liegt, die in früheren Untersuchungen errechnet worden waren und die die Basis für gegenwärtige Vorsorgeempfehlungen bilden.


Dass mehr als zwei Drittel aller Karzinome im ersten Jahr nach der Index-Endoskopie auftraten, legt nahe, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden gewesen, aber übersehen worden waren oder dass an den falschen Stellen biopsiert worden war.

Adenokarzinom schon vorhanden bei Diagnose des Barrett-Ösophagus?

Aufgrund der großflächigen Anlage der Untersuchung und des Zugangs zu umfangreichen Registerdaten sind die Ergebnisse als sehr zuverlässig und als allgemeingültig anzusehen, meinen die Autoren. Sie schlussfolgern daraus, dass das Risiko für die Entwicklung eines Adenokarzinoms bei Vorliegen eines Barrett-Ösophagus so niedrig ist, dass eine routinemäßige Überwachung solcher Patienten von zweifelhaftem Wert sei – solange sie nicht bereits eine Dysplasie aufweisen.


Quelle: Hvid-Jensen F et al., N Engl J Med 2011; 365: 1375–83.

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