Bei Barrett-Ösophagus nicht überreagieren

Dr. Anja Braunwarth

Adenokarzinome der Speiseröhre entwickeln sich
mit einer jährlichhen Inzidenz von 0,10 bis 0,15%. Adenokarzinome der Speiseröhre entwickeln sich mit einer jährlichhen Inzidenz von 0,10 bis 0,15%. © Albertinen-Krankenhaus Hamburg, www.endoskopiebilder.de

Bei nachgewiesenem Barrett-Ösophagus erfolgte bislang eine konsequente Überwachung. Offenbar ist aber das Karzinomrisiko niedriger als lange gedacht. Die Empfehlungen zur Kontrolle wurden daher etwas gelockert.

Beim Barrett-Ösophagus liegt eine Zylinderepithelmetaplasie der Schleimhaut vom spezialisierten intestinalen Typ vor – das heißt, mit Nachweis von Becherzellen. Als wesentliche Ursache gilt die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD), unter der etwa jeder vierte Erwachsene hierzulande leidet. Dennoch entwickeln nur wenige GERD-Patienten die Barrett-Veränderung, sodass man von einer refluxunabhängigen Entstehung ausgehen muss. Außerdem haben viele Menschen mit dieser Metaplasie keine säurebedingten Beschwerden, erklärt Professor Dr. Joachim Labenz von der Inneren Medizin, Diakonie Klinikum, Jung-Stilling-Krankenhaus in Siegen.

Der Barrett-Ösophagus erhöht das Risiko für ein Adenokarzinom der Speiseröhre, doch mit einer jährlichen Inzidenz von 0,10–0,15 % liegt die Rate deutlich niedriger als lange angenommen. Dazu kommt: Die Gefahr für Patienten mit Reflux oder Barrett-Ösophagus, an einem solchen Karzinom zu sterben, ist laut Prof. Labenz gering. Damit stellt sich die Frage, wen man auf die Metaplasie screenen sollte.

Erst die Kriterien fürs Screening prüfen

Lange hieß es, jeder GERD-Patient müsse in der Frühpashe der Erkrankung endoskopiert werden. Doch bei weniger als 10 % der Barrett-Karzinome gab es vorher die Diagnose der entsprechenden Schleimhautveränderung. Außerdem existieren keine Belege dafür, dass diese Vorsorgemaßnahmen tatsächlich die Prognose des Tumors bessern. Ganz zu schweigen davon, dass es dafür an Kapazitäten mangelt und zwischen Symptomen und Läsionen keine relevante Korrelation besteht. Immerhin hat jeder zweite Mensch in Deutschland gelegentlich Refluxbeschwerden.

Fachgesellschaften empfehlen daher das endoskopische Screening heute bei chronischen Refluxsymptomen plus mindestens einem der folgenden Risikofaktoren:

  • männliches Geschlecht
  • Alter > 50 Jahre
  • positive Familienanamnese für Barrett-Ösophagus/-karzinom
  • viszerale Adipositas
  • Rauchen

Findet sich bei der Erstbetrachtung keine typische spezialisierte intestinale Metaplasie (SIM), brauchen die Betroffenen keine weiteren Kontrollen. Liegt ein Barrett-Ösophagus oder eine Umwandlung in Zylinderepithel ohne SIM vor, sollte nach einem Jahr erneut gespiegelt und biopsiert werden. Hat sich bis dahin keine intraepitheliale Neoplasie oder kein Karzinom entwickelt, können Folgeuntersuchungen alle drei bis vier Jahre stattfinden, eine uneingeschränkte Empfehlung für Patienten mit einer Barrett-Länge ≤ 3 cm besteht aber nicht mehr. Bezüglich der Therapie entscheiden mögliche Begleitsymptome über die Indikation. Eine asymptomatische Metaplasie ohne Ösophagitis kann unbehandelt bleiben.

Bei Refluxsymptomen und/oder begleitender Ösophagitis kommen Protonenpumpenhemmer (PPI) – je nach Schweregrad akut oder langfris­tig zum Einsatz. Ulzera im veränderten Epithel erfordern in der Regel dauerhaft eine intensivere PPI-Gabe (doppelte Standarddosis). In diesen Fällen sollte wegen der Gefahr der Neoplasiebildung auch immer eine Heilungskontrolle erfolgen. Ob PPI generell die Gefahr der Progression zum Karzinom verhindern können, wird seit Langem diskutiert. Zur Klärung dieser Frage läuft derzeit eine randomisierte kontrollierte Studie, die zudem prüft, ob die zusätzliche Einnahme von ASS hilft.

Ohne Dysplasie sollte auch nicht reseziert werden

Barrett-Veränderungen können auch endoskopisch mittels Resektion oder Ablation entfernt werden. Allerdings gibt es bei diesen Verfahren relevante Nebenwirkungen wie Strikturen oder Blutungen, außerdem fehlen Daten zum Langzeiteffekt und die Kosten-Nutzen-Relation fällt vermutlich auch eher schlecht aus. Deshalb raten die Experten bei nicht dysplastischem Ösophagus von diesem Vorgehen ab.

Niedrig- und hochgradige intra­epitheliale Neoplasien (NG-IEN bzw. HG-IEN) sowie frühe Karzinome sollte man dagegen entfernen, was in den meisten Fällen endoskopisch gelingt. Die Identifikation von NG-IEN fällt allerdings oft schwer und die Diagnose ist viel zu weit verbreitet, betont der Kollege. Die Leitlinie zur gastroösophagealen Refluxkrankheit fordert daher grundsätzlich die Begutachtung durch einen zweiten erfahrenen Pathologen. Grund für die Fehleinschätzung können z.B. entzündliche Veränderungen sein, es empfiehlt sich daher, bei bestehender Ösophagitis erst nach Vorbehandlung mit PPI zu biopsieren.

Bei bestätigter intraepithelialer Neoplasie niedrigen Grades ließ sich in einer Studie mit 136 Patienten zeigen, dass die Ablation die Progression zur HG-IEN bzw. zum Adenokarzinom um 25 % reduzierte. Es fehlen aber bislang Belege, dass sich dieser günstige Effekt auch in einer sinkenden Mortalität niederschlägt. Da eben die Entfernung der Veränderungen nicht nebenwirkungsfrei ist und sich auch im Überwachungsarm der Studie ausschließlich endoskopisch resezierbare Tumoren entwickelten, muss man das Vorgehen ausführlich mit dem Patienten besprechen.

Quelle: Labenz J. Der Internist 2016; 57:1079-1091

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