Bei akuter Tonsillitis bleibt Penicillin erste Wahl

Dr. Dorothea Ranft, Foto: Michaelbladon/wikipedia

Viren oder Bakterien? – lautet die Frage bei der akuten Tonsillitis. Bei der Entscheidung hilft ein Score. Doch wie lange muss man behandeln?

Die meisten akuten Tonsillitiden werden zwar durch Viren ausgelöst, doch immer steht die Frage im Raum, ob betahämolysierende Streptokokken im Rachen ihr Unwesen treiben. Denn dann drohen dem Patienten schwerwiegende Folgeerkrankungen bis hin zu Glomerulonephritis und rheumatischem Fieber.

Bei der Differenzialdiagnose helfen die Centor-Kriterien (siehe Kasten), typisch für einen Infekt durch Gruppe-A-Streptokokken sind hohes Fieber und weißlich-gelbliche Tonsillenbeläge, auch Stippchen genannt.


Als Mittel der Wahl gilt nach wie vor Penicillin V – über einen Zeitraum von zehn Tagen. Mit Cephalosporinen der zweiten Generation lässt sich eine ausreichende Wirksamkeit zwar schon innerhalb von fünf Tagen erreichen.


Diese Antibiotikagruppe sollte aber, um Resistenzen zu vermeiden, Patienten mit Penicillinallergie vorbehalten bleiben, betonte Dr. Frank 
Waldfahrer von der Hals-Nasen-Ohren-Klinik am Universitätsklinikum Erlangen.

Centor-Score

Folgende 4 Kriterien sprechen für eine Streptokokken-Tonsillitis

• Fieber in der Anamnese 
 1 Punkt
• Fehlen von Husten 1 Punkt
• Geschwollene vordere 
 Halslymphknoten 1 Punkt
• Tonsillenexsudate 
(Stippchen) 1 Punkt

Bei 4 Punkten besteht eine Wahrscheinlichkeit von 50 bis 60 % für einen Infekt durch Streptokokken der Gruppe A (bei 3 Punkten 30–35 %)

Klinikum Universität Heidelberg


Alternativ können Penicillinallergiker auch Clindamycin erhalten, Makrolide, Tetrazykline, Cotrimox
azol werden bei der Tonsillitis nicht eingesetzt. Auch Aminopenicilline gelten als kontraindiziert, weil sie bei Patienten mit Mononukleose, der wichtigsten Differenzialdiagnose zur Streptokokken-Tonsillitis, in fast 100 % der Fälle ein Arzneimittel­exanthem auslösen.

Tonsillitis: Wann müssen die Mandeln entfernt werden?

Eine Tonsillektomie ist bei Erwachsenen indiziert, wenn sie im Jahr mehr als drei antibiotikapflichtige Episoden durchmachen. Bei Kindern richtet man sich nach den Paradise-Kriterien, gefordert werden

• ≥ 7 Episoden im vergangenen Jahr oder
• ≥ 5 Episoden in den letzten beiden Jahren oder
• ≥ 3 Episoden in jedem der drei vergangenen Jahre.


Auch Patienten mit Pustulosis palmoplantaris, Ig-A-Nephritis oder PFAPA*-Syndrom profitieren von einer Tonsillektomie.

Zur Schmerzlinderung nach der Tonsillektomie können NSAR eingesetzt werden. Die Nachblutungsrate lag in einer aktuellen Studie unter Ibuprofen mit 5,2 % nicht signifikant höher als unter der Gabe von Paracetamol (3,6 %).


Unklar bleibt bislang, ob die Resektion der Rachenmandeln möglicherweise ungünstige Langzeiteffekte hat: In einer epidemiologischen Studie aus Schweden erkrankten Patienten, die vor dem 20. Lebensjahr tonsillektomiert wurden, häufiger an einem Myokardinfarkt (RR 1,44). Ursächlich vermuten die Studienautoren Alterationen des Immunsystems, ohne diese genauer spezifizieren zu können.


Nicht geklärt ist des Weiteren die Frage, ob man nach einem Peritonsillarabszess wirklich wie empfohlen die Rachenmandeln entfernen muss. Einer kürzlich durchgeführten Untersuchung zufolge erleidet die Mehrheit der Patienten innerhalb von fünf Jahren kein Rezidiv.

* Periodisches Fieber, aphthöse Stomatitis, Pharyngitis und zervikale Adenitis


Quelle: 6. HNO-Update-Seminar, 2012, Mainz

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).