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Bei Harninkontinenz den Überblick behalten
Geburten, Beckenbodeninsuffizienz und Senkung sind die wichtigsten Ursachen für eine Harninkontinenz bei Frauen, Prostatahyperplasie und Prostatitis bei Männern. Auch Voroperationen mit Verletzungen von Schließmuskel und Beckenboden begünstigen das Auftreten einer Inkontinenz.
Weiterhin können Tumoren und Entzündungen der Blase, bestimmte Medikamente, ein Diabetes mellitus und neurologische Erkrankungen zu einer Inkontinenz führen. Der unfreiwillige Urinverlust kann sogar das erste Symptom einer multiplen Sklerose (MS) sein, betonte Dr. Carola Wotzka, Leiterin des Inkontinenzzentrums am Diakonie-Klinikum Stuttgart.
Verliert ein Patient unfreiwillig Urin, sollten Sie fragen, wie oft, bei welchen Gelegenheiten und wie lange dieses Problem schon besteht, wie viele Vorlagen verbraucht werden und wie hoch der Leidensdruck ist. Weiterhin müssen die oben genannten begünstigenden Faktoren abgeklopft werden.
Miktionsprotokoll über zwei Tage reicht aus
Als erste Basisuntersuchung steht eine Urinuntersuchung an mit Sediment und Kultur. Sie dient vor allem dem Ausschluss eines Harnwegsinfekts, kann aber auch eine Mikrohämaturie entdecken, die vielleicht auf einen Blasentumor als Ursache der Inkontinenz hinweist. Dann soll der Patient ein Miktionsprotokoll führen, in dem Toilettengänge, Inkontinenzepisoden, Vorlagenwechsel, aber auch Trinkmengen und Art der Getränke vermerkt werden. Wenn dies genau und sorgfältig gemacht wird, reichen zwei Tage Protokoll, so Dr. Wotzka.
Das Wiegen von Vorlagen vor und nach Gebrauch, um den Urinverlust zu quantifizieren, ist ziemlich aufwendig und erfordert einen motivierten Patienten. Diese Maßnahme hält Dr. Wotzka nicht bei jedem Patienten für erforderlich. Sinnvoll sei dies aber vor einem operativen Eingriff, um hinterher dessen Effekt beurteilen zu können.
Inkontinenz bei Belastung? Physiotherapie kann helfen
Eine orientierende neurologische Untersuchung, eine rektale Untersuchung, um den Sphinktertonus oder die Prostatagröße zu erfassen, und eine vaginale Untersuchung ergänzen die klinische Evaluation. Bei der vaginalen Untersuchung können Inkontinenz bzw. Senkung durch Pressen oder Husten provoziert werden. Die Sonographie von Blase und Nieren gibt Hinweise auf Restharn bzw. Harnstau, Detrusordicke, Raumforderungen oder Steine.
Mit dem transabdominalen oder transrektalen Ultraschall lässt sich auch die Größe der Prostata bestimmen. Weiterführende Untersuchungen wie Cystoskopie, Urodynamik und Uroflowmetrie können hinzukommen, wenn weiterer Abklärungsbedarf besteht.
Wenn keine Ursachen wie Blasensteine oder Blasentumoren gefunden werden, die primär behoben werden müssen, steht die konservative Therapie an erster Stelle. Eine Physiotherapie mit Beckenbodentraining, Biofeedback, Elektrostimulation oder Training mit Vaginalkonen kann bei Belastungsinkontinenz und überaktiver Blase helfen.
Erfolgsrate der sakralen Neuromodulation bei 80 %
Anticholinergika beruhigen die überaktive Blase. Leider in Deutschland nicht mehr verfügbar ist der Beta-2-Rezeptoragonist Mirabegron, bedauerte Dr. Wotzka. Duloxetin ist nur für Frauen mit Belastungsinkontinenz zugelassen. Die Substanz wirkt beim Mann jedoch genauso gut, kann aber nur off label eingesetzt werden. Zu den Hilfsmitteln gehören u.a. Einlagen. Gut funktionieren bei Frauen auch Würfel- oder Ringpessare, bei Männern Kondomurinale.
Wenn konservative Maßnahmen nicht ausreichen, gibt es weitere Optionen: Bei überaktiver Blase kann man Botulinumtoxin direkt in den Blasenmuskel spritzen. Dies wirkt über sechs bis neun Monate und ist gut verträglich. Hohe Erfolgsraten von bis zu 80 % werden für die relativ aufwendige sakrale Neuromodulation (Blasenschrittmacher) berichtet.
Bänder-Operationen auch für Männer eine Option
Als operative Therapieoptionen bei der Belastungsinkontinenz der Frau sind transvaginale spannungsfreie Bandeinlage (TVT) und transobturatorische Bandeinlage (TOT) etabliert. Sie werden in einem kurzen, einfachen Eingriff unter die Harnröhre gelegt. Es gibt heute auch Bänder, die bei Bedarf nachjustierbar sind. Auch für Männer mit Belastungsinkontinenz gibt es heute ähnliche Schlingenoperationen. Sie sind primär für Männer gedacht, die nach radikaler Prostatektomie oder Zystektomie inkontinent geworden sind.
Die Bänder werden ähnlich einer Hängematte unter den Bulbus gelegt. Die Ergebnisse dieses wenig invasiven Eingriffs sind sehr gut, aber es fehlen noch Langzeitdaten. Als Weiterentwicklung sind auch Bänder mit komprimierenden Silikonkissen verfügbar. Über einen Port am Hoden können die Kissen von außen mit Flüssigkeit nachgefüllt werden. Den Goldstandard in der Inkontinenztherapie des Mannes stellt nach wie vor der artefizielle Harnröhrensphinkter dar, der eine Lebensdauer von 10–15 Jahren aufweist.
Quelle: 51. Ärztekongress der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg
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