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Bei Hodenhochstand Hormone geben oder gleich operieren?
Von einem Hodenhochstand sind besonders Frühgeborene (30 %) und Jungs mit genetischen Veränderungen betroffen. So ist z.B. beim Klinefelter-Syndrom das Risiko dieser Genitalveränderung 8-fach erhöht, erklärte Professor Dr. Joachim A. Steffens von der Klinik für Urologie und Kinderurologie am St. Antonius-Hospital Eschweiler.
Überaktiver Cremaster sorgt für Pendelhoden
Klinisch wird zwischen Gleit- und Pendelhoden unterschieden. Wichtige Merkmale: Der Gleithoden bleibt wegen des zu kurzen Samenstrangs nicht dauerhaft im Skrotum, während der Pendelhoden einen ausreichend langen Samenstrang hat und nur manchmal von überaktiven Cremasterfastern in die Leiste zurückgezogen wird.
Die Differenzialdiagnose gelingt am besten, wenn man in warmer entspannter Atmosphäre versucht, den Hoden mit dem Finger ins Skrotum auszustreichen. Noch immer werden Buben mit nicht therapiebedürftigem Pendelhoden operiert, kritisierte Prof. Steffens.
Lässt sich beidseits kein Hoden tasten, kann man z.B. am Testosteron-Anstieg nach HCG-Stimulation erkennen, ob eine funktionsfähige Gonade vorliegt. Als Methode der Wahl zur genauen Lokalisation des Bauchhodens gilt die Laparoskopie – die Kernspintomographie liefert etwas ungenauere Ergebnisse.
Therapie im sechsten Monat beginnen und bis zum zwölften abschließen
Die Behandlung erfolgt frühzeitig: Man beginnt schon im sechsten Lebensmonat, bis zum ersten Geburtstag soll die Therapie abgeschlossen sein. Dadurch verbessert sich die postpubertäre Spermaqualität deutlich im Vergleich zur früher üblichen Operation im zweiten Lebensjahr.
Standardeingriff beim tastbaren Hoden ist die Orchidopexie, bevorzugt von der Leiste, um ggf. assoziierte Fehlbildungen mit korrigieren zu können. Der Bauchhoden hingegen erfordert meist die zweizeitige Operation nach Fowler-Stephens: Im ersten Schritt werden die Spermatikagefäße geklippt, anschließend wartet man drei bis sechs Monate bis sich Kollateralen ausgebildet haben, sodass man den Hoden ins Skrotum verlagern kann.
Der Stellenwert der Autotransplantation bleibt hingegen mangels prospektiver Daten zu postpubertärer Fertilität und Hodenatrophierate unklar, so der Experte.
Resultieren aus der HCG-Therapie vermehrt Entzündungen?
Und welche Bedeutung hat die Hormontherapie? In den Leitlinien empfohlen wird eine neoadjuvante Behandlung vier Wochen vor der Operation – vor allem bei bilateralem Hodenhochstand, um die Gonadenreifung zu fördern. Dazu sprüht man dem kleinen Patienten vier Wochen lang dreimal täglich 400 µg GnRH (ein Hub) in jedes Nasenloch.
Alternativ kommt die i.m.-Injektion von HCG (500 I.E. alle sieben Tage über drei Wochen) in Betracht. Der Einsatz von HCG beim Hodenhochstand ist allerdings umstritten, ergänzte Dr. Iris Körner von der Sektion Kinderurologie am Universitätsklinikum Essen während der Diskussion. In einer entsprechenden Studie hatte man eine erhöhte Apoptose- und Entzündungsrate beobachtet, so die Kollegin.
Könnte die Hormontherapie manchen Kindern die Operation ersparen? Genaue Daten fehlen zwar noch, aber man schätzt, dass es in 15–20 % der Fälle so zu einem Hodenabstieg kommt. Für Dr. Körner ist diese Erfolgsrate zu gering.
Hormontherapie darf die Operation nicht verzögern
Professor Dr. Michael Zitzmann von der Klinik für Endokrinologie, Andrologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Münster plädierte dafür, das Vorgehen im Einzelfall mit den Eltern zu besprechen. Auch Professor Dr. Joachim Thüroff von der Urologischen Universitätsklinik Mainz hält eine primäre GnRH-Therapie für keinen Fehler, sofern sie die Operation nicht verzögert. HCG ist für ihn dabei zweite Wahl.
Nach bilateralem Maldeszensus müssen auch frühzeitig behandelte Patienten mit eingeschränkter Fruchtbarkeit rechnen – Prof. Zitzmann nannte eine Azoospermierate von 25–50 %. Allerdings kann man mittels testikulärer Spermienextraktion (TESE) oft doch noch lebende Samenzellen finden.
Das Krebsrisiko ist auch nach der Orchidopexie erhöht
Und noch etwas ist bei Kryptorchismus zu berücksichtigen: Das relative Risiko für einen Tumor im betroffenen Hoden ist 4- bis 5-fach erhöht und lässt sich auch durch eine Operation nicht vollständig aufheben, betonte Professor Dr. Hans U. Schmelz von der Abteilung für Urologie am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz.
Falls der Eingriff im Kleinkindalter verpasst wurde, sollte er möglichst vor der Pubertät nachgeholt werden, denn danach steigt die Krebsgefahr deutlich. Außerdem hält Prof. Schmelz alle Patienten mit Hodenhochstand zur regelmäßigen Selbstuntersuchung an, eine Routine-Biopsie (ehemals) kryptorchider Hoden vermag die Langzeitüberlebenszeit nicht zu verlängern.
Vortrag auf dem 62. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie 2010 in Düsseldorf
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