Bei Kälte-Urtikaria herrscht Lebensgefahr

Maria Weiß

Sprung ins Schwimmbecken, eiskalte Limonade – und schon schwillt der Rachen zu. Fast jeder vierte Bundesbürger wird mindestens einmal im Leben von juckenden Quaddeln und Hautschwellungen heimgesucht. Den jeweiligen Auslöser der Urtikaria zu finden und fortan zu meiden, ist nicht immer leicht.

Die Urtikaria oder Nesselsucht ist die häufigste dermatologische Erkrankung, charakterisiert durch schnell aufschießende, stark juckende Quaddeln. Etwa die Hälfte der Patienten entwickeln zusätzlich ein Angioödem mit oft schmerzhaften Schwellungen vor allem im Gesicht und Genitalbereich.

Dauern die Hauterscheinungen kürzer als sechs Wochen, spricht man von einer akuten, bei längerer Dauer von einer chronischen Form. Zugrunde liegt eine Aktivierung von Mastzellen, die zahlreiche Mediatoren wie Histamin und Leukotriene freisetzen.

Schmerzhafte Schwellung nach der Rucksacktour

Was bringt aber die Mastzellen zu dieser Aktion? Bei etwa 20 % Patienten mit chronischer Urtikaria findet man physikalische Auslöser.

Dermographismus

Eine der häufigsten Formen ist der sogenannte Dermographismus (Urtikaria factitia). Durch Kratzen, Abtrocknen oder durch den scheuernden Hosenbund entstehen Scherkräfte auf der Haut, die dann die Quaddeln hervorlocken. Bei anderen Patienten kommt es bei sehr starker Druckeinwirkung, beispielsweise nach Tragen eines schweren Rucksackes, mit mehrstündiger Verzögerung zu derben, schmerzhaften Schwellungen (Druckurtikaria).

Kälteurtikaria

Besonders unangenehm ist die Kälteurtikaria: Hautabkühlung um einige Grad provoziert die Symptome. Beim Genuss kalter Getränke oder dem Eintauchen in kaltes Wasser kann diese Form durch die Schwellung im Rachen sogar Lebensgefahr heraufbeschwören.

Wärmeurtikaria Lichturtikaria

Deutlich seltener tritt die Wärmeurtikaria auf oder die Lichturtikaria durch UV-Strahlen und/oder sichtbares Licht.

NSAR können jede Form der Urtikaria verstärken

Weitere nicht physikalische Urtikariaformen sind die durch Wasserkontakt ausgelöste aquagene Urtikaria, die cholinergische Urtikaria (nach Erhöhung der Körperkerntemperatur z.B. bei körperlicher Anstrengung oder Stress) und die Kontakturtikaria. NSAR können alle Formen der Urtikaria verstärken bzw. einen Schub auslösen.

Die Suche nach dem jeweiligen Auslöser steht bei der chronischen Form im Mittelpunkt. Die Labordia­gnostik hilft hier meist nicht viel weiter. Neben der internistischen Untersuchung empfiehlt die Dermatologin ein Differenzialblutbild und die Bestimmung von CRP, Schilddrüsenwerten und -Antikörpern. Von Allergologen werden auch physikalische Tests angeboten. Akute Formen werden nur abgeklärt, wenn die Anamnese auf Allergien oder Intoleranzreaktionen hinweist. Insgesamt findet sich eine allergische Ursache aber äußerst selten (< 5 %).

Urtikaria ist keine Allergie

Um die Quaddeln zu bekämpfen, sollte man natürlich die Auslöser so gut wie möglich meiden. Das wird aber in vielen Fällen nicht vollständig möglich sein, schreibt die Dermatologin. Oft ist es notwendig, den Patienten mit chronischer Urtikaria zu vermitteln, dass sie nicht unter einer Allergie leiden und in der Regel auch keine einschränkenden Diäten auf sich nehmen müssen, so die Erfahrung der Kollegin. Nahrungsmittel und -zusatzstoffe sind nur extrem selten Ursache der Urtikaria.

Ansonsten bleibt die symptomatische Therapie. An erster Stelle stehen die nicht sedierenden Antihistaminika. Bei ungenügender Wirkung nach zwei Wochen kann die Dosis bis auf das Vierfache der üblichen Tagesdosis gesteigert werden. Sedierende Antihistaminika sollten dagegen grundsätzlich gemieden werden – sie verbessern auch nicht den Nachtschlaf, wie Untersuchungen im Schlaflabor gezeigt haben.

Leukotrien-Antagonist zum Antihistaminikum?

Reicht die Wirkung der Antihistaminika nicht aus, können zusätzlich Leukotrien-Antagonisten gegeben werden. Bei schweren Schüben hat sich auch die Gabe von systemischen Steroiden über drei bis sieben Tage bewährt. Schwerste Formen rechtfertigen auch einen Therapieversuch mit weiteren Medikamenten wie Cyclosporin A, Dapson oder Omalizumab.

Barbara K. Ballmer-Weber, Thomas M. Kündig, Therapeutische Umschau 2010; 67: 167–173

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).