Bei alten Antihistaminika kriegen Dermatologen Ausschlag

Ulrike Viegener

Kinder mit chronischer Urtikaria leiden oft viele Jahre lang unter ihrer Krankheit. Kinder mit chronischer Urtikaria leiden oft viele Jahre lang unter ihrer Krankheit. © fotolia/juefraphoto

Viele Kinder mit chronischer Urtikaria erhalten weiterhin langfristig sedierende Antihistaminika oder systemische Glukokortikoide. Das ist völlig obsolet, denn an erster Stelle stehen ganz klar nicht-beruhigende Substanzen.

Kinder mit chronischer Urtikaria leiden oft über lange Zeit. Nach einem Jahr haben 80 % und nach fünf Jahren noch 50 % Beschwerden. Meist manifestiert sich die Erkrankung mit juckenden Quaddeln, die plaqueartig konfluieren können. Einzelläsionen sind transient und wechseln typischerweise innerhalb von 24 Stunden den Ort.

Es gibt aber auch eine Form ohne jegliche Quaddel: In rund 15 % aller Fälle macht sich die Krankheit ausschließlich durch Angioödeme bemerkbar. Und bei 10 % aller Kinder mit chronischer Urtikaria treten Hauterhebungen und Angio­ödeme in Kombination auf, schreibt Privatdozent Dr. Hagen Ott von der Pädiatrischen Dermatologie und All­ergologie am Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult in Hannover. Im Unterschied zur Quaddel jucken die Ödeme nur selten, verursachen aber häufig Schmerzen.

Kein Allergiescreening bei spontaner Urtikaria

Die chronische spontane Urtikaria ist von der chronischen induzierbaren zu unterscheiden, wobei nicht selten auch beide vorkommen. Bei der spontanen Form können Autoimmunprozesse eine Rolle spielen. Dann sind Antikörper gegen den IgE-Rezeptor oder rezeptorgebundenes IgE auf Mastzellen nachweisbar. Für die induzierbare kommen viele Auslöser infrage (s. Kasten).

Potenzielle Auslöser der induzierbaren Urtikaria

physikalisch:
  • Kälte
  • Wärme
  • Druck (mit Verzögerung)
  • Vibrationen
  • Licht
  • symptomatischer Dermographismus (Urticaria factitia)
andere Formen:
  • aquagen
  • cholinergisch
  • nach Kontakt

Die Diagnostik stützt sich in ers­ter Linie auf Anamnese und körperliche Untersuchung. Anhand von Quaddelzahl und Juckreizintensität lässt sich der Schweregrad ermitteln. Bei spontaner Urtikaria besteht keine Indikation für Allergiescreenings, die Eltern häufig fordern. In diesem Fall legt Dr. Ott nahe, auf internationale Leitlinien zu verweisen, die weitergehende diagnostische Schritte nur bei entsprechenden Verdachtsmomenten empfehlen. Bei chronischer induzierter Urtikaria dagegen rät er zu kutanen Provokationstests. Differenzialdiagnostisch müssen zuvor neben anderen Hautkrankheiten auch einige systemische Erkrankungen ausgeschlossen werden. Von besonderer Relevanz sind früh manifeste – schon in der Neonatal- und Säuglingsperiode auftretende – Urtikariaepisoden, die auf seltene Kryopyrinopathien mit gravierenden Komorbiditäten hinweisen können. Die Prinzipien einer effektiven und sicheren Therapie kennen selbst Pädiater nur ungenügend. In einer Umfrage unter ca. 800 Ärzten gaben rund drei Viertel zu, die regelmäßig aktualisierte europäische Leitlinie zur chronischen Urtikaria nicht zu kennen.

Ansprechraten von > 50 % unter der Dauertherapie

Laut dieser Leitlinie soll die Behandlung nach einem Stufenplan erfolgen: Standardtherapie stellen nicht-sedierende H1-Antihistaminika dar, die man im ersten Schritt in üblicher Tagesdosis oral gibt. Die antihistaminergen Substanzen der zweiten Generation aus der Gruppe der Piperidine und Piperazine (z.B. Cetirizin, Loratadin) zeichnen sich durch schnelle Resorption und schnelles Anfluten aus. Da die nur schwach lipophilen Wirkstoffe aktiv aus dem ZNS eliminiert werden, bereiten Nebenwirkungen wie Schlafstörungen und Vigilanzminderung kaum Probleme. Dies ist das große Plus gegenüber Antihistaminika der ersten Generation, die trotz ihres ungünstigen Nutzen-Risiko-Profils immer noch Anwendung finden – speziell bei Kindern. Unter einer Dauertherapie liegen die Ansprechraten bei über 50 %. Bei unzureichender Response soll innerhalb von einer bis vier Wochen eine Steigerung der Tagesdosis auf das Vierfache erfolgen. Allerdings muss man den Patienten bzw. ihren Eltern erklären, dass es sich dabei um einen „Off-Label-Use“ handelt. Lässt sich die Urtikaria mit hoch dosierten H1-Antihistaminika nicht in den Griff bekommen, steht für Patienten ab zwölf Jahren der humanisierte monoklonale IgE-Antikörper Omalizumab als weitere Therapieop­tion zur Verfügung. Er wird alle vier Wochen bevorzugt in den M. deltoideus injiziert. Die Behandlung mit H1-Antihist­aminika läuft parallel weiter. Die Beschwerden vermindern sich unter der kombinierten Therapie signifikant, die Rate vollständiger Remissionen liegt in Studien mit allerdings nur geringem Anteil pädiatrischer Patienten bei 36 %.

Systemische Kortikosteroide nur bei Exazerbation

Off label kann sich bei Therapieresistenz auch ein Versuch mit Ciclosporin oder dem Leukotrienrezeptor-Antagonisten lohnen. Die limitierten Daten zu Ciclosporin lieferten vielversprechende Ergebnisse, während die Datenlage zu Montelukast sehr widersprüchlich ausfällt. Systemische Kortikosteroide eignen sich nicht zur Dauerbehandlung. Sie sollten allenfalls über maximal zehn Tage in der Therapie akuter Exazerbationen Verwendung finden.

Quelle: Ott H. Monatsschr Kinderheilkd 2017; 165: 437-448

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Kinder mit chronischer Urtikaria leiden oft viele Jahre lang unter ihrer Krankheit. Kinder mit chronischer Urtikaria leiden oft viele Jahre lang unter ihrer Krankheit. © fotolia/juefraphoto