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Die Haut reagiert empfindlich: Jeder Vierzehnte entwickelt eine Arzneimittel-Hypersensitivität

Arzneimittel-Hypersensitivitätsreaktionen betreffen etwa 7 % der Bevölkerung und machen sich vor allem an der Haut bemerkbar. Voraussetzung für eine erfolgreiche Diagnose der kutanen Formen sind vor allem zwei Dinge: Die korrekte Erfassung der Läsionen und der passende zeitliche Ablauf. Urtikaria, Angioödem und/oder Anaphylaxie entwickeln sich fast immer innerhalb von einer Stunde nach der Medikamenteneinnahme.
Typisch für die Urtikaria: plötzlich auftretende Quaddeln variabler Zahl und Größe, die innerhalb von 24 Stunden verschwinden. Das Angioödem befällt vor allem Gesicht und Genitalien und bleibt manchmal tagelang bestehen. Die Anaphylaxie zeigt sich meist in Begleitung von Hauterscheinungen (Urtikaria, generalisierter Flush). Eine Ausnahme bildet das singuläre Angioödem, das noch Monate und Jahre nach dem Beginn einer ACE-Hemmer-Therapie entstehen kann, heißt es in dem Positionspapier der EAACI*. Es gilt aber auch nicht wirklich als Hypersensitivitätssyndrom.
Keine Krankheit, sondern die Beschreibung eines klinischen Bildes ist das „Exanthem“. Trotz der weiten Verbreitung des Begriffs gibt es dafür keine einheitliche Definition. Professor Dr. Knut Brockow von der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein der Technischen Universität München und Kollegen definieren es als akutes Auftreten multipler kleiner, runder oder ovaler erythematöser Makulae und/oder Papulae, die sich über den gesamten Körper ausbreiten und in unterschiedlichem Ausmaß konfluieren.
Quaddel oder Exanthem?
Stevens-Johnson-Syndrom = toxische epidermale Nekrolyse
Zu den schweren bullösen Erkrankungen, die man nicht übersehen darf, gehören das Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und die toxische epidermale Nekrolyse (TEN). Beide beginnen oft mit kleinen Blasen auf violetten Flecken und schießscheibenförmigen Läsionen, die sich vor allem am Körperstamm ausbreiten. Rasch kommt es zu bullösen Veränderungen, die auch die Schleimhäute nicht verschonen, und zu ausgedehnten Hautablösungen führen. Betroffene haben meist Fieber und sind schwer krank. Verursacht werden SJS/TEN überwiegend durch Arzneimittel (z.B. Allopurinol, Antiepileptika). Üblicherweise vergehen zwischen der ersten Dosis und dem Auftreten vier Tage bis vier Wochen. Man geht heute davon aus, dass es sich bei SJS und TEN um dieselbe Erkrankung handelt – mit unterschiedlichem Schweregrad je nach Ausdehnung des Hautbefalls.Reaktion auf Allopurinol kann auch innere Organe betreffen
Auch fixe Arzneimittelexantheme präsentieren sich teilweise multilokulär am ganzen Körper (generalised bullous fixed drug eruption, GBFDE). Im Gegensatz zu SJS/TEN verursachen sie keine systemischen Symptome. Zudem wurde das auslösende Medikament zuvor meist längere Zeit toleriert und viele Patienten berichten über vorangegangene leichtere Episoden. Nicht zu unterschätzen ist jedoch die erhöhte Mortalität von bis zu 22 % bei älteren Patienten. Häufig mit dem SJS bzw. der TEN verwechselt wird die akute generalisierte exanthematöse Pustulose (AGEP), die ebenfalls zu ausgedehnten Hautablösungen führen kann. Betroffene haben in der Regel Fieber, eine Beteiligung innerer Organe findet sich üblicherweise nur bei älteren Patienten. Die Mortalität liegt bei 4 % und betrifft vor allem Senioren. Die AGEP tritt zum Beispiel ein bis zwei Tage nach der Einnahme von Antibiotika auf, nach anderen Medikamenten wie Terbinafin oder Diltiazem dauert es bis zu elf Tage. Eine schwerwiegende Arzneimittelreaktion, die auch die inneren Organe befällt, stellt das DRESS**-Syndrom dar. Es beginnt häufig mit einem makulopapulösen Exanthem, als charakteristisch gilt eine zentrale Gesichtsschwellung. Betroffene klagen oft über Fieber, Unwohlsein und Lymphknotenschwellungen. Das Blutbild zeigt oft eine Eosinophilie, Leukozytose und atypische Lymphozyten. Das Exanthem entwickelt sich meist erst zwei bis zwölf Wochen nach der ersten Einnahme des auslösenden Medikaments (z.B. Allopurinol, Carbamazepin). Die häufigste medikamenten-induzierte Hypersensitivitätsreaktion ist das makulopapulöse Exanthem. Wichtig für die Praxis: Die Diagnose darf erst gestellt werden, wenn andere Erkrankungen, die z.B. mit Blasen oder Pusteln oder einem speziellen Verteilungsmuster einhergehen, ausgeschlossen sind. Das makulopapulöse Exanthem erscheint üblicherweise vier bis 14 Tage nach dem Ansetzen eines neuen Medikaments. Bei vorsensibilisierten Patienten zeigen sich erste Symptome unter Umständen schon nach wenigen Stunden, das Vollbild erscheint dann nach ein oder zwei Tagen. Selbst Tage nach dem Einnahme-Stopp kann es noch zu einem Exanthem kommen. Als Primärläsionen nennen die Kollegen erythematöse Makulae und infiltrierte Papulae. Die mit Pruritus verbundenen Erscheinungen bilden sich symmetrisch verteilt vor allem an Körperstamm und proximalen Extremitäten, die Schleimhäute bleiben meist verschont.Ein Exanthem für alle
Blutende Schleimhäute deuten auf bullöse Formen
Als frühe Warnsignale für SJS/TEN gelten z.B. kleine Vesikel oder Krusten, aber auch grau-violett oder dunkel gefärbte Läsionen. Eine schmerzhafte oder brennende Haut und/oder Schleimhaut warnen ebenfalls davor, vor allem wenn Fieber und Unwohlsein hinzukommen. Hämorrhagische Schleimhauterosionen und Hautablösungen lenken den Verdacht ebenfalls auf SJS/TEN und andere bullöse Dermatosen.DRESS-Syndrom betrifft mehr als die halbe Körperoberfläche
Ein weiterer Verwechslungskandidat: Das DRESS-Syndrom kann einem makulopapulösen Exanthem in den ersten Tagen täuschend ähneln. Für Ersteres spricht eine Ausbreitung der Läsionen auf mehr als 50 % der Körperoberfläche. Dieser Befund sollte eine unmittelbare diagnostische Abklärung nach sich ziehen, einschließlich Differenzialblutbild, Leber- und Nierenwerten. Ein Gesichtsödem kennzeichnet sowohl das DRESS-Syndrom als auch die AGEP. Wegen der charakteristischen Erytheme in den Körperfalten und der zahlreichen Pusteln wird die akute generalisierte exanthematöse Pustulose noch am wenigsten mit dem makulopapulösen Exanthem verwechselt.* European Academy of Allergy and Clinical Immunology
** drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms
Quelle: Brockow K et al. Allergy 2018; online first
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