Trockene Haut: Xerosis cutis verdient eine gezielte Behandlung

Maria Weiß

Für uns Menschen kann trockene Haut riskant sein. Für uns Menschen kann trockene Haut riskant sein. © Fotolia/charnsitr

Mehr als zehn Millionen Menschen in Deutschland leiden unter „trockener Haut“. Obwohl es sich dabei um einen behandlungsbedürftigen Befund handelt, unterschätzen viele Kollegen das Problem.

Xerosis cutis gilt zwar als eigenständige Diagnose, wird aber sehr selten als solche in den Patientenakten dokumentiert. Meist wird die trockene Haut nur als Begleitsymptom wahrgenommen, das vielleicht am Rande mitbehandelt wird, heißt es in dem Positionspapier unter Schriftführung von Professor Dr. Matthias Augustin vom Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Dies werde dem Risikopotenzial einer unzureichend behandelten Xerosis cutis aber nicht gerecht. Durch die eingeschränkte Barrierefunktion können Allergene und Noxen leichter eintreten, es drohen vermehrte Sensibilisierungen und allergische/chronisch irritative Erkrankungen. Bei älteren pflegebedürftigen Patienten wird die trockene rissige Haut leicht Ausgangspunkt von Dekubitalulcera. Vor allem wenn Pruritus hinzukommt, kann auch die Lebensqualität stark eingeschränkt sein. Die Entität stellt somit kein kosmetisches Problem, sondern einen behandlungsbedürftigen Befund dar.

Die Diagnose lässt sich in der Regel rein klinisch stellen – etwas mehr Aufwand verlangt oft die Abklärung möglicher Ursachen. Die Xerosis cutis kann konstitutionell oder durch exogene Faktoren wie Medikamente und Umwelteinflüsse bedingt sein. Dazu gehören z.B. Kälte, trockene Heizungsluft, starke Sonnenexposition oder Feuchtarbeit, Arbeit mit schädigenden Berufsstoffen, langes, heißes Duschen oder Baden und die Verwendung alkalischer Seifen/Reinigungsmittel. Trockene Haut kennzeichnet aber auch zahlreiche Dermatosen und andere Erkrankungen (siehe unten).

Endogene Auslöser

Dermatologische Ursachen

  • Entzündliche Dermatosen: atopisches Ekzem, allergisches oder irritatives Kontaktekzem, dyshidrotisches oder nummuläres Ekzem, Arzneimittelexanthem, Psoriasis, seborrhoische Dermatitis, periorale Dermatitis
  • Genodermatosen, z.B. Ichthyosen
  • Chronische infektiöse Dermatosen, Mykosen, Pediculosis, Scabies, bakterielle Infektionen
  • Neoplasien, z.B. kutane Lymphome

Internistische Ursachen

  • Endokrine und metabolische Erkrankungen, z.B. chronische Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, Leberund Gallenwegserkrankungen, Hyperparathyreoidismus, Hypothyreose, Malabsorption
  • Entzündliche Erkrankungen, z.B. chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, rheumatische Erkrankungen
  • Infektiöse Erkrankungen, z.B. Durchfallerkrankungen, Helminthen, Hepatitis C, HIV-Infektion
  • Hormonelle Veränderungen: Menopause, Andropause, Schwangerschaft
  • Hämatologische und lymphoproliferative Erkrankungen, z.B. myeoloproliferative Neoplasien, M. Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphome, Plasmozytom

Psychiatrische Ursachen

  • Zwangsstörungen, z.B. Waschzwang
  • Essstörungen, z.B. Anorexia nervosa
  • Suchterkrankungen, z.B. Alkohol- und Drogenabusus

Nutritive Ursachen

  • Flüssigkeitsmangel, z.B. ungenügende Flüssigkeitszufuhr, übermäßiges Schwitzen
  • Mangelernährung, z.B. Hypovitaminosen (D, A, Niacin), Zink- oder Eisenmangel

Harnstoff sollte in der Creme unbedingt enthalten sein

Ein einfaches „ABCDE“-Schema hilft bei der Abklärung weiter (siehe Kasten).

ABCDE-Schema zur Diagnostik

Anamnese
  • Atopie (Familienanamnese, Stigmata)
  • Alter
  • äußere Einflüsse (Wasch- und Pflegeverhalten, Kontakt mit Reizstoffen, Beruf, Hobby, Lebensumstände, Ernährung)
  • Schwangerschaft
  • Vorerkrankungen (v.a. Diabetes, Leber und Galle, Niere, Schilddrüse, Infektionen)
  • B-Symptomatik
  • Vor- und Begleitmedikationen
  • bisheriges Management der Xerosis cutis
Befund
  • objektivierbarer Hautbefund (Rötung, Schuppung, Rhagaden/Fissuren) mit Schweregradbeurteilung
  • Verteilungsmuster
  • subjektive Symptomatik (z.B. Jucken, Brennen, Schmerzen, Spannungsgefühl)
Clinical Course
  • Dauer (akut: < 6, chronisch: > 6 Wochen)
  • Verlauf (kontinuierlich oder intermittierend, Triggerfaktoren)
Diagnose
  • Dermatose „cum materia“ (z.B. bei anderen Dermatosen wie Psoriasis)
  • genuin oder konstitutionell bedingt
  • Komorbidität, Medikamentennebenwirkung
Entscheidung
  • spezifische Therapie
  • weiterführende Diagnostik (z.B. Allergie, internistische Erkrankungen)

Für die Wahl der geeigneten Basistherapie muss man Alter, Lokalisation und Schweregrad beurteilen. Wichtigster Baustein der Therapie ist die regelmäßige Anwendung geeigneter externer Basistherapeutika, die die Hydratation verbessern, rückfetten und die Hautbarriere stärken. Das lässt sich am besten durch eine Kombination hydrophiler und lipophiler Bestandteile erreichen. Dabei gilt: Je trockener die Haut, umso fettreicher sollte die Grundlage sein. Reine Fette oder Öle eignen sich nicht als Basispflege. Bei akut entzündlichen Stadien sollten Grundlagen mit höherem Wassergehalt bevorzugt und gegebenenfalls hautberuhigende (z.B. Licochalcon A, Dexpanthenol) und juckreizlindernde Substanzen (z.B. Polidocanol) zugefügt werden. Die beste Wirksamkeit unter den „natürlichen Feuchthaltefaktoren“ hat Harnstoff (Urea), der immer mit dabei sein sollte. Sehr gute hydratisierende Effekte lassen sich in Kombination mit Glycerin und anderen „natürlichen Feuchthaltefaktoren“ erzielen.

Patienten den Effekt der Externa genau erklären

Für eine optimale rückfettende Wirkung empfehlen die Autoren hautphysiologische Lipide wie Ceramide oder Omega-6-Fettsäure-haltige Öle (z.B. Jojobaöl, Wollwachs, Shea-Butter oder Nachtkerzenöl). Mineralöle wie Vaseline oder Parrafinum liquidum können den barrierestabilisierenden Effekt erhöhen. Wichtig ist, den Patienten den Effekt der Externa genau zu erklären, einen Therapieplan aufzustellen und gegebenenfalls auch Angehörige mit einzubeziehen, um die Adhärenz zu fördern. 

Quelle: Augustin M et al. J Dtsch Dermatol Ges 2018; Suppl 4: 3-35

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