Medikamentenallergie: Reaktionen auf Nicht-Betalaktam-Antibiotika sind vielseitig

Dr. Elke Ruchalla

Eine Allergiediagnostik ist im Verdachtsfall sehr wichtig. Eine Allergiediagnostik ist im Verdachtsfall sehr wichtig. © iStock/apomares

Nicht nur die schwindende Wirksamkeit der Antibiotika schränkt Ihren Handlungsspielraum ein. Gelegentlich reagieren Patienten mit einer systemischen Hypersensibilität auf diese Medikamente. Und das muss nicht immer die altbekannte Allergie gegen Penicillin oder andere Betalaktam-Antibiotika sein.

Verglichen mit Penicillin und Konsorten sind Allergien auf Nicht-Betalaktam-Antibiotika weniger verbreitet, aber gleichzeitig auch viel schlechter untersucht, erklärt Privatdozentin Dr. Kathrin Scherer Hofmeier von der Abteilung Allergologie an der Klinik für Dermatologie des Universitätsspitals Basel. Eine Allergiediagnostik ist im Verdachtsfall sehr wichtig. Einerseits gilt es, den Akutfall richtig zu beurteilen, und andererseits, die allergologische Aufarbeitung an eine vermutete Reaktion anzuschließen. Wie und wann hat sich die Unverträglichkeit gezeigt? Nur so haben Sie und Ihr Patient Klarheit über zukünftige Optionen.

Die vier häufigsten Nicht-Betalaktam-Antibiotika, die systemische Reaktionen auslösen, sind:

  • Antituberkulotika
  • Sulfonamide
  • Makrolide
  • Fluorchinolone

Eine Begegnung mit Antituberkulotika ist durch die zunehmende Inzidenz von Tuberkuloseinfektionen in der Praxis nicht mehr auszuschließen. Fast drei Viertel der Patienten, die die Kombi aus Isoniazid, Ethambutol, Rifampicin und Pyrazinamid einnehmen, entwickeln ein Exanthem. Seltener treten Urtikaria, medikamenteninduziertes Fieber, DRESS*-Syndrom und Hepatitis auf. Rifampicin kann außerdem durch die direkte Mastzell-Toxizität ein Red-Men-Syndrom verursachen, was differenzialdiagnostisch von einer Anaphylaxie abgegrenzt werden muss.

Schwere Hautreaktionen treten vor allem bei gleichzeitig HIV-Infizierten auf. Da ist guter Rat teuer: Die Tuberkulose muss behandelt werden und wahnsinnig viele Optionen gibt es nicht. Nach Bestätigung der Allergie kann der Patient z.B. zur Toleranzinduktion an Fachkollegen überwiesen werden. Die versuchen, nach vorläufigem Therapieabbruch, den Patienten langsam an das Medikament zu gewöhnen.

Nicht schöner, aber seltener

Neben den vier oben genannten Auslösern verursachen auch andere Nicht-Beta-Laktam-Antibiotika Allergien, allerdings wesentlich seltener bzw. mit einem „limitierten klinischen Spektrum“, schreibt Dr. Scherer Hofmeier:
  • Aminoglykoside: Kontaktallergien, z.B. als Topika oder antibiotische Prophylaxe in Knochenzement
  • Lincosamide (Clindamycin): unkomplizierte makulopapulöse Exantheme oder schwere (systemische) Reaktionen wie AGEP, TEN, DRESS oder Anaphylaxie
  • Nitrofurantoin: selten DRESS, Erythema multiforme, SJS/TEN und Agranulozytose
  • Tetrazykline: fixes toxisches Arzneimittelexanthem (z.T. generalisiert bullös), DRESS (v.a. bei Minocyclin)
  • Vancomycin: Anaphylaxie, makulopapulöse Exantheme, Vaskulitis, Eosinophilie, exfoliative Dermatitis, DRESS, SJS, Red-Men-Syndrom

Auf Sulfonamid-Antibiotika (meist Sulfamethoxazol mit Trimethoprim) sind Sofortreaktionen eher die Ausnahme, meist kommt es zu späten Hautausschlägen. Sys­temische Reaktionen wie Stevens-Johnson-Syndrom (SJS)/toxische epidermale Nekrolyse (TEN) und DRESS sind vor allem bei Kindern unter 15 Jahren sowie HIV- und Tuberkulose-Patienten überproportional häufig. Solange sich die Systembeteiligung in Grenzen hält, kann z.B. bei HIV-Patienten gelegentlich ein „Augen zu und durch“ erwogen werden – unter engmaschiger Kontrolle. Alternativ wäre ebenfalls eine Toleranzinduktion möglich.

Exanthem, Nephritis und Hepatitis durch Fluorchinolone

Da Makrolide wie Erythromycin, Azithromycin und Clarithromycin sehr oft eingesetzt werden, sind Sensibilisierungen nicht so selten, wie das eigentliche Risiko vermuten lässt. Meist entwickeln die Patienten eine isolierte Urtikaria oder ein unkompliziertes makulopapulöses Exanthem. Dennoch sind Vaskulitis, SJS/TEN und DRESS möglich. Kreuzreaktionen innerhalb der Gruppe sind nicht üblich.

Aufgepasst beim Impfen!

Durch den Herstellungsprozess sind in vielen Impfstoffen Spuren von Neomycin enthalten. Die Mengen des Aminoglykosids sind eigentlich zu gering, um eine Spättypallergie zu verursachen. Hat Ihr Patient allerdings eine Neomycin-Allergie mit Anaphylaxie hinter sich, ist Vorsicht geboten.

Fluorchinolone kommen ebenfalls vielfach zum Einsatz – besonders wenn Patienten eine „Penicillinallergie“ angeben. Spitzenreiter sind laut Dr. Scherer Hofmeier Levofloxacin und Moxifloxacin. Insbesondere bei Letzterem sind Typ-1-Allergien besonders häufig und im internen Vergleich schwerer. Die Liste der möglichen Reaktionen ist lang. Sie reicht von Exanthemen über SJS/TEN, AGEP (akute generalisierte exanthemische Pustulose) und DRESS bis hin zu IgA-Dermatose, Hepatitis und Nephritis. Unter Ciprofloxacin kann es mitunter auch zu einem Red-Men-Syndrom kommen. Ist die Allergie gegen ein Fluorchinolon gesichert, sollten Sie auf alle Substanzen der Gruppe verzichten, da von Kreuzallergien auszugehen ist. Nur 5 % aller von Patienten beschriebenen Reaktionen auf Fluor­chinolone entpuppten sich letztendlich als Allergie, schreibt die Spezialistin. Das macht deutlich, wie wichtig Hauttests (Prick-, Epikutan- und Intrakutantest), die Messung von spezifischen IgE-Antikörpern und Provokationstests sind, um die Allergie nach einem anfänglichen Verdacht eindeutig zu bestimmen. Alternativ, z.B. bei Antituberkulotika, kommt ein Lymphozytentransformationstest infrage.

* Drug rash with eosinophilia and systemic symptoms

Quelle: Scherer Hofmeier K. Ther Umschau 2019; 76: 13-21; doi: doi.org/10.1024/0040-5930/a001059

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Eine Allergiediagnostik ist im Verdachtsfall sehr wichtig. Eine Allergiediagnostik ist im Verdachtsfall sehr wichtig. © iStock/apomares