Wie Sie die Gefahr einer Antibiotikaallergie abschätzen und den geeigneten Keimkiller finden

Maria Weiß

„Ich bin gegen Antibiotika allergisch“ – Lassen Sie sich die vermeintliche allergische Reaktion vom Patienten genau beschreiben. „Ich bin gegen Antibiotika allergisch“ – Lassen Sie sich die vermeintliche allergische Reaktion vom Patienten genau beschreiben. © New Africa – stock.adobe.com

Ihr Patient braucht dringend ein Antibiotikum – berichtet aber, er sei dagegen allergisch. Wie ernst müssen Sie diese Aussage nehmen? Und lässt sich das potenzielle Risiko begrenzen, wenn für die Allergiediagnostik keine Zeit bleibt?

Allein in Deutschland geben etwa acht Millionen Menschen an, an einer „Penicillin-Allergie“ zu leiden. Grundsätzlich sollte man diese Aussage immer durch eine entsprechende allergologische Diagnostik überprüfen, betonte Dr. Gerda Wurpts von der Hautklinik des Universitätsklinikums Aachen. Denn in vielen Fällen ist sie schlichtweg falsch.

In einigen klinischen Situationen bleibt allerdings für die entsprechende Diagnostik keine Zeit, da der Patient das Antibiotikum sofort benötigt. Dann sollte man zunächst genau nachfragen, welches Antibiotikum in der Vergangenheit verordnet wurde und wie die allergische Reaktion abgelaufen ist.

Nur wenige reagieren auf alle Betalaktamantibiotika

Bei schweren systemischen Reaktionen auf ein Betalaktamantibiotikum sollte sicherheitshalber auf die erneute Gabe verzichtet werden und ein Nicht-Betalaktamantibiotikum zum Einsatz kommen. Hatte dagegen nur eine leichtere Reaktion vorgelegen und wäre ein Betalaktamantibiotikum für den Patienten eigentlich die beste Wahl, kann man nach sorgfältiger Abwägung versuchen, das Risiko durch die Verordnung eines anderen Betalaktamantibiotikums zu begrenzen.

Nur sehr wenige Patienten reagieren auf alle diese Substanzen allergisch, betonte die Dermatologin. Allerdings muss man sich hierfür mit der chemischen Struktur der Antibiotika etwas auskennen.

Haben Patienten auf ein Aminopenicillin (z.B. Amoxicillin, Ampicillin) reagiert, sollten sie kein Penicillin erhalten – aber auch kein Cephalosporin der ersten Generation mit Aminogruppe. Zu diesen Aminocephalosporinen gehören Cefaclor, Cefalexin und Cefadroxil. Bei ihnen ist aufgrund von Kreuzreaktionen in 30–40 % der Fälle mit Sofortreaktionen und zu 10–20 % mit Spätreaktionen zu rechnen.

Alternativen wären dann Nicht-Aminocephalosporine (Cefotaxim, Cefodixim, Ceftazidim), Aztreonam und Carbapeneme. Diese Substanzen sollten in der Regel in langsam aufsteigender Dosierung eingesetzt werden. Nur wenn es sich mit hoher Sicherheit bei der allergischen Reaktion um eine milde, gutartige Spätreaktion gehandelt hatte (mildes Exanthem mit spontaner Abheilung), kann ggf. auch sofort mit der therapeutischen Dosis eingestiegen werden.

Hatte der Patient auf ein Aminocephalosporin allergisch reagiert, verbietet sich die Anwendung von Aminopenicillinen.

Kreuzreaktionen zwischen verschiedenen Cephalosporinen treten insbesondere bei gleicher R1-Seitenkette auf. Cefuroxim, Ceftriaxon, Cefotaxim und Cefodizim besitzen alle eine Methoxyimino-Gruppe in R1-Position, sodass mit Kreuzreaktivitäten innerhalb dieser Gruppe zu rechnen ist. Genaue Informationen, wie bei Verdacht auf eine Überempfindlichkeit gegenüber Betalaktam­antibiotika vorzugehen ist, liefert die aktuell publizierte Leitlinie1, erklärte Dr. Wurpts.

Allergien auch auf Nicht-Betalaktamantibiotika

Antibiotika-Allergien beschränken sich aber nicht auf Penicilline und Cephalosporine. Auch Nicht-Betalaktamantibiotika können allergische Reaktionen auslösen, die von Intoleranzsyndromen abgegrenzt werden müssen, mahnte Professor Dr. Nicolas Hunzelmann von der Dermatologischen Klinik des Klinikums der Universität zu Köln.

  • IgE-vermittelte allergische Sofortreaktionen mit Urtikaria, Angio­ödem oder anaphylaktischen systemischen Reaktionen findet man vor allem bei Sulfonamiden und Fluorchinolonen.
  • Nicht-IgE-vermittelte Spätreaktionen, wie unkomplizierte makulopapulöse Exantheme sowie andere Hautreaktionen und arzneiinduzierte Hypersensitivitätssyndrome, kommen vor allem bei Clindamycin, Makroliden, Sulfonamiden, Tetracyclinen und Fluorchinolonen vor.
  • Davon abzugrenzen sind nicht-allergische Intoleranzsyndrome wie das „Red-Man-Syndrom“ mit Flush, grippeähnlicher Symptomatik und selten auch Urtikaria. Diese Reaktionen kennt man vor allem von Fluorchinolonen, Vancomycin und Rifampicin.
  • Das gefürchtete Hypersensitivitätssyndrom (DRESS, drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms) tritt vor allem nach Vancomycin- und Sulfonamidgabe auf. Neben Exanthem und Fieber kann es im Rahmen der Organbeteiligung auch zu Leberschäden kommen, sodass die Bestimmung der Leberwerte immer zur Diagnostik gehört.
  • Das Stephen-Johnson-Syndrom wird außer durch Betalaktamantibiotika vor allem durch Cotrimoxazol und Chinolone ausgelöst.

Nur mit stark verdünnten Lösungen testen

In der Labordiagnostik einer potenziellen Allergie auf Nicht-Betalaktamantibiotika hat die Bestimmung von spezifischem IgE keinen Stellenwert, sagte Prof. Hunzelmann. Bei sehr schweren Reaktionen sollte man die Tryptase bestimmen, um eine systemische Mastozytose auszuschließen.

Bei Hauttestungen mit Nicht-Betalaktam-Antibiotika ist zu beachten, dass unverdünnte intravenöse Lösungen nicht selten irritativ wirken und so das Ergebnis verfälschen. Insbesondere für den Epikutantest müssen die Lösungen daher stark verdünnt werden. Eine Alternative bei Spättyp-Reaktionen sind Epikutantests mit verschiedenen Konzentrationen von zerkleinerten Tabletten in Vaseline.

Allerdings fallen die Hauttests auch bei gut dokumentierter Anamnese relativ oft negativ aus. Goldstandard der Diagnostik ist daher immer die orale Provokation. Sie erfolgt in der Regel stationär unter engmaschiger Beobachtung. Für die Testung werden kommerziell erhältliche Präparate genutzt, wobei die Anfangsdosierung von der Stärke der anamnestischen Reaktion, dem Applikationsweg und möglichen Komorbiditäten abhängt. Zwischen den einzelnen Dosierungsschritten sollten Intervalle von mindestens 30 Minuten eingehalten werden. Bei sehr schweren allergischen Reaktionen in der Anamnese wie DRESS, Stephen-Johnson-Syndrom oder Vaskulitis verbietet sich eine Expositionstestung.

Quelle:
1
Wurpts G et al. Allergo J Int 2019; 28: 121-151; DOI: 10.1007/s40629-019-0100-8

Kongressbericht: 14. Deutscher Allergiekongress

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


„Ich bin gegen Antibiotika allergisch“ – Lassen Sie sich die vermeintliche allergische Reaktion vom Patienten genau beschreiben. „Ich bin gegen Antibiotika allergisch“ – Lassen Sie sich die vermeintliche allergische Reaktion vom Patienten genau beschreiben. © New Africa – stock.adobe.com