Zu wenige Blutkulturen, zu viele Antibiotika: Der Umgang mit Infektionen muss besser werden

Dr. Dorothea Ranft

Erst Kulturen anlegen, dann handeln. Erst Kulturen anlegen, dann handeln. © Patchara – stock.adobe.com

Bei einer Sepsis ist die Sache klar: sofort Antibiotika geben. Im Fall einer Meningitis sollte jedoch in der Regel zuerst eine Blutkultur erfolgen. Tummeln sich Bakterien im Urin, sind Keimkiller oft überflüssig.

Eine Sepsis oder ein septischer Schock bedarf einer kalkulierten und hoch dosierten Antibiose, und zwar rasch. Für Blutkulturen bleibt keine Zeit. Auch im Fall der schweren (ambulant erworbenen) Pneumonie verbessert eine unverzügliche Gabe die Prognose, erklärte Privatdozent Dr. Frank­ Hanses­ von der Interdisziplinären Notaufnahme des Universitätsklinikums Regensburg. Initial empfiehlt er die Kombi von einem Breitspektrum-Betalaktam mit einem Makrolid. Je nach Befinden kann diese Therapie nach drei Tagen beendet werden.

Amoxicillin wirkt bei Bronchitis so gut wie ein Placebo

Der Schweregrad der Pneumonie lässt sich z.B. anhand des CRB-65-Scores einschätzen (Confusion, Respiratory Rate, Blood Pressure, Age [≥ 65?]). Außerdem ordnet der Experte bereits frühzeitig die Erkrankung einer der drei Formen zu: ambulant erworben, nosokomial oder unter Immunsuppression. Letztere geht oft mit opportunistischen Erregern einher.

Besteht der Verdacht auf eine bakterielle Meningitis, sollte die CT nicht generell vor der Lumbalpunktion erfolgen. Indiziert ist die vorherige CT nur bei Symptomen für erhöhten Hirndruck oder für eine Herdpathologie (z.B. Krampfanfall, GCS** < 10), ebenso bei intensiver Immunsuppression. In allen anderen Fällen heißt es, zuerst Blutkulturen abnehmen, anschließend Dexamethason geben, unmittelbar gefolgt von Antibiotika. Erst danach erwägt man die Bildgebung. Cave: Falls sich die Lumbalpunktion verzögert, Antibiose vorab starten.

Zeit für mehr Kultur

Bei Verdacht auf eine schwere bakterielle Infektion fordern die Kollegen hierzulande noch zu wenig Blutkulturen an, erklärte Dr. Hanses. Mehr als dreimal so viele wären adäquat. Der Referent empfiehlt, im Verdachtsfall – der grundsätzlich mit einer stationären Aufnahme einhergeht – mindestens zwei Blutproben an seperaten Punktionsstellen abzunehmen und mehrere Kulturen anzulegen.

Kein Antibiotikum bekommen hingegen Patienten mit akuter unkomplizierter oberer Atemwegs­infektion inklusive Bronchitis. Laut Studien sprechen Menschen mit bronchitischen Symptomen auf Amoxicillin­ nicht besser an als auf Placebo. Hinter einem Großteil dieser Infektionen dürften ohnehin Viren stecken. Dennoch bleibt die Antibiose bei oberen Atemwegsinfekten hierzulande mit Abstand die häufigste Fehlindikation. Auch der Candidanachweis im Bronchialsekret ist kein Grund für eine Antibiotikatherapie. Die Hefepilze lassen sich zwar relativ häufig in Atemwegsmaterial finden – insbesondere unter Antibiotika. Jedoch handelt es sich ausschließlich um eine Besiedlung, weder um eine Infektion noch um eine Indikation. Das belegt eine Autopsiestudie mit Patienten, die Zeichen einer Lungenentzündung aufwiesen. Von den mehr als 134 Teilnehmern zeigte keiner eine Gewebeinvasion durch Candida. Der Nachweis von Hefepilzen in Stuhlproben ist ebenfalls kein Grund für eine Medikation. Die asymptomatische Bakteri­urie zählt im Allgemeinen ebenfalls nicht zu den Indikationen für eine Antibiose. Sie hat schließlich keinen Krankheitswert. Außerdem verhindern Antibiotika keine Infektionen, führen aber zu mehr Nebenwirkungen und Resistenzen.

Nicht alles Machbare ist auch nötig

„Klug entscheiden“ heißt die Initiative der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), an der zwölf Fachgesellschaften teilnehmen. Motto: Nicht alles, was machbar ist, ist auch nötig. Inspiriert wurde das Ganze von den USA (Choosing Wisely). Derzeit stehen fast 150 Empfehlungen im Netz, außerdem gibt es Sammelbände und ein CME-Portal. www.klug-entscheiden.com

Antibiose ist selten länger als zehn Tage erforderlich

Als Ausnahmen nannte Dr. Hanses Schwangerschaft und urologische Eingriffe; nach Transplantationen wird zudem der Einsatz diskutiert. Auch erhöhte Entzündungswerte (z.B. CRP, Procalcitonin) taugen nicht als alleinige Indikation, schließlich beweist der Anstieg noch keinen Infekt. Grundsätzlich sollten Ärzte auf eine unnötig lange Gabe verzichten, forderte der Referent. Bei klinisch stabilen Patienten z.B. mit Pneumonie, Urosepsis oder abdominellen Infektionen kann man die Behandlung oft schon nach maximal sieben bis zehn Tagen beenden. Im Falle der nosokomial erworbenen Pneumonie bringt ein 15-tägiges Regime gegenüber einem achttägigen keinen Vorteil. Ausnahmen bilden Endokarditis, Osteomyelitis und Infektionen mit Staph. aureus, möglicherweise erleichtert Procalcitonin die Therapiesteuerung. Wenn möglich, sollte man orale Antibiotika gegenüber intravenösen bevorzugen. Voraussetzungen: fehlende Kontraindikationen (Resorptionsstörungen etc.) und gute orale Bio­verfügbarkeit (z.B. Cotrimoxazol, Clindamycin, Fluorchinolone). Somit verhindert man auch infusionsbedingte Infektionen. Eine peri­operative Antibiotikaprophylaxe sollte nicht über 24 Stunden hinaus gehen, dies fördert nur Resistenzen und Nebenwirkungen. 

Quelle: 47. Kongress der DGRh*

* Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie
** Glasgow Coma Scale

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