Mycoplasma genitalium ist hartnäckig wie eine Klette

Dr. Elke Ruchalla

Mit seinem Fortsatz kann das Bakterium gleiten und sich anheften. Mit seinem Fortsatz kann das Bakterium gleiten und sich anheften. © iStock/Dr_Microbe

Die Therapie von Infektionen mit Mycoplasma genitalium ist nicht ganz einfach. Das Bakterium kann es sich jahrelang im Urogenitaltrakt gemütlich machen, ohne Beschwerden zu verursachen. Zudem wird es alarmierend schnell resistent gegen die wenigen wirksamen Antibiotika.

Treten bei einer Infektion mit Mycoplasma genitalium überhaupt Symptome auf, gestalten sie sich eher unspezifisch: Männer geben neben Schmerzen beim Wasserlassen vor allem Ausfluss aus der Harnröhre und penile Reizung an, bei Frauen gesellen sich zur Dysurie, Kontakt- oder Zwischenblutungen, Zervizitis und nicht genau zu lokalisierende Schmerzen im Unterleib.

Patienten mit nicht-gonorrhoischer Urethritis oder einer Unterleibsentzündung („Pelvic Inflammatory Disease“) sollten Sie an eine Spezialsprechstunde für sexuell übertragbare Erkrankungen überweisen, empfehlen Dr. Nicolas Pinto-Sander und Dr. Suneeta Soni, Brighton and Sussex University Hospitals NHS Trust. Einen Test erwägen können Sie auch bei Anzeichen einer mukopurulenten Zervizitis, postkoitalen Blutungen, Epididymitis und sexuell erworbener Proktitis. Und nicht nur die Betroffenen müssen untersucht werden, ihre Sexualpartner(innen) gehören ebenfalls gecheckt – selbst wenn sie keine Beschwerden angeben.

Diagnostisch wird bei Männern der Morgenurin und bei Frauen ein vulvovaginaler Abstrich untersucht. Ganz einfach ist das nicht, denn M. genitalium ist unter dem üblichen Lichtmikroskop nicht sichtbar und in der Kultur nicht nur anspruchsvoll, sondern auch sehr langsam wachsend. Am sichersten und schnellsten, aber auch am teuersten ist der Nachweis der Erreger-DNA.

Von einem Screening ohne entsprechende Beschwerden halten die britischen Mediziner dagegen nichts: Die meisten Infektionen verlaufen asymptomatisch.

In drei von vier Fällen kein Ansprechen auf Azithromycin

Zusätzlich entwickeln sich Makrolid-Resistenzen bei Mycoplasma genitalium sehr schnell – eine einzelne Mutation reicht dafür bereits aus. Behandelte man auch alle symptomfreien Patienten, würden sich Resistenzen gegen den derzeitigen Therapie-Hauptpfeiler Azithromycin rapide ausbreiten, befürchten die Experten.

Bereits jetzt liegen die Resistenzraten alarmierend hoch: In Teilen Großbritanniens und Australiens sprechen drei von vier Patienten nicht mehr auf Azithromycin an. Und die Liste der Alternativen ist kurz. Viele Antibiotika fallen schon im Vorfeld weg: Bei einem Bakterium, das keine Zellwand besitzt, sind z.B. Betalaktame wirkungslos. Neben Moxifloxacin, das in Europa noch eine Effektivität von > 95 % besitzt, sind derzeit nur Pristinamycin (mit Doxycyclin), Sitafloxacin und, sollten sich die klinischen Daten bestätigen, Solithromycin möglich.*

Therapie von Mycoplasma genitalium*
unkomplizierte Infektion ohne bekannte Makrolid-ResistenzErste Wahl:
Doxycyclin 2 x 100 mg/d über 7 Tage, um die Keimzahl zu verringern, gefolgt von Azithromycin (1 g Sofortgabe plus 500 mg/d für zwei weitere Tage

Zweite Wahl:
Moxifloxacin 400 mg/d über 14 Tage
unkomplizierte Infektion mit bekannter Makrolid-ResistenzMoxifloxacin 400 mg/d über 10 Tage
komplizierte Infektion (z.B. Epididymitis, Unterleibsentzündung)Moxifloxacin 400 mg/Tag über 14 Tage
Der Therapie sollte eine Kontrolluntersuchung folgen, um die Elimination der Erreger zu sichern – am besten etwa fünf Wochen nach Behandlungsbeginn

* Angaben der British Association for Sexual Health and HIV

Die Folgen einer unbehandelten Infektion sind noch nicht eindeutig geklärt. Bei Männern könnten eine reaktive Arthritis, Epididymitis und ggf. Prostatitis entstehen, bei Frauen eine Unterleibsentzündung. Inwieweit Fertilitätsstörungen und Komplikationen während späterer Schwangerschaften zu befürchten sind, muss noch geprüft werden. 

* Empfehlungen der internationalen Fachgesellschaft

Quelle: Pinto-Sander N, Soni S. BMJ 2019; 367: I5820; DOI: 10.1136/bmj.l5820

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Mit seinem Fortsatz kann das Bakterium gleiten und sich anheften. Mit seinem Fortsatz kann das Bakterium gleiten und sich anheften. © iStock/Dr_Microbe