Moderne Infektionsdiagnostik: Immunantwort interpretieren statt Erreger suchen

Autor: Friederike Klein

Das Produkt der Transkription, die mRNA (rot), verrät, ob Viren oder Bakterien am Werk sind. Das Produkt der Transkription, die mRNA (rot), verrät, ob Viren oder Bakterien am Werk sind. © Juan Gärtner – stock.adobe.com

Bislang ging es in der infektiologischen Dia­gnostik primär darum, nach dem Erreger zu fahnden. Das könnte sich bald ändern.

Wie Professor Dr. Martin Witzenrath von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin berichtete, wird an Systemen gearbeitet, die auf der Analyse der Immunantwort basieren. Sie ermöglichen eine schnellere Diagnostik ohne Suche nach dem Erreger und dem zeitaufwändigen direkten Erregernachweis in der Kultur. Die Systeme sollen zudem helfen, Krankheitscharakteristika vorherzusagen.

„Das mag wie Science fiction klingen“, gab Prof. Witzenrath zu, „liegt aber gar nicht so fern“. Das Unternehmen Inflammatix hat ein System entwickelt, das 27 mRNA aus einer Blutprobe des Patienten bestimmt. Das Gerät ist so klein, dass es in jeder Rettungsstelle neben dem Troponintester Platz haben könnte. Bereits nach 20 Minuten erlaubt es Aussagen über das Vorliegen einer Infektion, ob es sich um eine bakterielle oder virale Genese handelt und ob ein hohes Sepsisrisiko besteht.

Verlauf einer Pneumonie lässt sich vorhersagen

Dass die Vorhersage aus RNA gelingen kann, ergab auch das PROGRESS-Programm. Ziel war, bei Patienten mit Pneumonie, die stationär behandelt werden mussten, „molekulare Fingerabdrücke“ zu identifizieren, die vorhersagen, ob die Kranken einen schweren Verlauf entwickeln und ob sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine maschinelle Beatmung brauchen. Dazu wurden 30.000 Gene von 400 Patienten analysiert. Relevant waren sechs mRNA, von denen vier bei einer Lungenentzündung herunter- und zwei hochreguliert sind.

Mit diesen mRNA ließ sich tatsächlich eine größere prognostische Sicherheit hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer mechanischen Beatmung erreichen als mit dem besten klinischen Score, den PROGRESS identifiziert hatte. „Das wären dann Patienten, die wir im Verlauf besonders aufmerksam beobachten würden“, erklärte Prof. Witzenrath.

Im Projekt CAPSyS entwickeln Forscher aktuell Algorithmen, um auf Grundlage solcher Parameter neue therapeutische Ziele jenseits der Antibiotika zu definieren und den individuellen Erkrankungsverlauf vorherzusagen. Ziel ist die personalisierte Präzisionsmedizin.

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