Zeig mir die alte Schulter: Hochbetagte trotz schlechterer Immunantwort impfen
Auch das Immunsystem ist vor Alterungsprozessen nicht geschützt, schreiben Autoren um den Geriater Professor Dr. Hans Jürgen Heppner von der Universität Witten/Herdecke. Die jenseits des 50. Lebensjahres einsetzende Immunseneszenz verursacht eine erhöhte Infektanfälligkeit mit Symptomwandel, schwächt die Impfreaktion und führt zu einer geringeren Antikörperbildung. Hinzu kommen oft Faktoren wie Multimorbidität oder Mangelernährung. Trotzdem werden die meisten Vakzinierungen bis ins hohe Alter empfohlen.
Pneumokokken:
Nach wie vor sind Pneumokokken die häufigsten Erreger einer ambulant erworbenen Pneumonie im Alter. Ab dem 70. Lebensjahr nehmen Erkrankungsrate und daraus resultierende Krankenhausaufenthalte deutlich zu. Bei jedem fünften Senior führt die Pneumonie zu einem irreversiblen Verlust an Funktionalität und Selbsthilfefähigkeit, sodass man die Möglichkeit zur Impfprävention voll ausschöpfen sollte.
Höhere Dosis, Adjuvanzien und i.d.-Gabe steigern den Erfolg
Die STIKO empfiehlt, alle Senioren ≥ 60 Jahre einmalig mit dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff (PPSV23) zu immunisieren. Nach mindestens sechs Jahren erscheint eine wiederholte Vakzinierung sinnvoll. Nur bei bestimmten Risikokonstellationen, z.B. Immundefizienz oder -suppression, rät die STIKO zur Anwendung des 13-valenten Konjugatimpfstoffs (PCV13), der auch eine mukosale Immunität induziert. Es folgt die Vakzinierung mit PPSV23 – jedoch frühestens zwei Monate später. Die simultane Impfung gegen Pneumokokken und Influenza senkt laut den Autoren die 1-Jahres-Mortalität.
Influenza:
Auch die Grippe macht vor allem älteren Menschen zu schaffen, die Sterblichkeit ist bei ihnen deutlich erhöht. Häufig verzögert das eher untypische, oft oligosymptomatische Bild im Alter die Diagnose. Die WHO rät zur jährlichen Immunisierung als Standard für alle Menschen ab dem 60. Lebensjahr – für Bewohner von Pflegeeinrichtungen und Menschen mit chronischen Erkrankungen bereits früher.
Während bei unter 65-Jährigen die Effektivität bei 70–90 % liegt, erreichen Ältere aufgrund der Immunseneszenz nur noch 50–60 %. Verschiedene Methoden helfen jedoch, die Impfantwort zu verstärken. Dies gelingt z.B. durch höhere Dosierungen, die Zugabe eines Adjuvans oder eine intradermale Applikation.
Tetanus-Diphtherie-Pertussis:
Dieses Trio ist auch für Ältere wichtig. Nur zwei Drittel der 70- bis 79-jährigen Bundesbürger haben eine ausreichende Grundimmunisierung gegen Tetanus. Für Diphtherie und Pertussis sieht es noch schlechter aus.
Eine frühere Keuchhustenerkrankung oder Pertussisimpfung gilt keinesfalls als Argument gegen die Immunisierung – der Schutz lässt in beiden Fällen nach vier bis sieben Jahren nach. Liegt die letzte Pertussisvakzinierung mehr als zehn Jahre zurück, wird daher seit 2009 zu einer einmaligen Auffrischung geraten. In Deutschland steht die Vakzine nur als Kombinationsimpfstoff mit Tetanus und Diphtherie (Tdap – ggf. mit Polio) zur Verfügung.
Herpes Zoster:
Aktuell empfiehlt die STIKO die für über 50-Jährige zugelassene Impfung nicht als Standard. Die Immunisierung verringert das Erkrankungsrisiko um bis zu 50 % und reduziert Komplikationen wie postherpetische Neuralgie. Mit zunehmendem Alter schwindet die Wirksamkeit aber deutlich, was maßgeblich für die Entscheidung der STIKO war.
Reisen:
Worauf sollte man bei älteren Reisenden achten? Südlich der Alpen und östlich der Oder ist eine Hepatitis-A-Impfung angeraten – zumal Senioren deutlich schwerere Verläufe aufweisen. Bei über 50-jährigen Langzeiturlaubern mit dem Ziel Indien und Nepal wird eine Grundimmunisierung gegen Japanische Enzephalitis empfohlen. Eine FSME-Vakzinierung kann nicht nur in deutschen Risikogebieten, sondern auch für ausländische Endemiegebiete indiziert sein. Eine Gelbfieber-Immunisierung kommt nur für über 60-Jährige mit einem erheblichen Infektionsrisiko infrage. In dieser Altersgruppe ist das Risiko einer Impferkrankung erhöht, die ähnlich fulminant verlaufen kann wie die Wildtypuserkrankung.
Quelle: Heppner HJ et al. Internist 2018; 59: 205-212