Alternative Impf-Fakten: Rheumatologe bringt das Kartenhaus einer scheinbar ordentlichen Metaanalyse zum Einsturz
Die Methodik liest sich wie die jeder anderen Metaanalyse: Einschlägige medizinische Datenbanken wurden nach Studien durchsucht, die sich mit der Inzidenz von rheumatoider Arthritis (RA) und/oder systemischem Lupus nach Impfungen beschäftigen. Aus fast 7000 Treffern filterte eine Arbeitsgruppe aus Shanghai letztlich 16 Untersuchungen heraus, die eine ausreichende Relevanz und Qualität aufwiesen.
Die Ergebnisse hatten es derart in sich, dass sie „drohten, meine innere Überzeugung, was Impfen angeht, ein bisschen zu erschüttern“, gab Professor Dr. Christof Specker, Klinik für Rheumatologie und Klinische Immunologie, St. Josef Krankenhaus Essen-Werden, offen zu. Zumal die Metaanalyse nicht in irgendeiner Fachzeitschrift veröffentlicht wurde, sondern in den renommierten Autoimmunity Reviews, hinter deren Impact Factor* sich dem Kollegen zufolge „die beste rheumatologische Zeitung verstecken kann“.
Konkret kamen die asiatischen Forscher anhand von zwölf Lupus-Studien zu dem Schluss, dass Vakzinierungen das Risiko für die Kollagenose signifikant um 50 % erhöhen. Begrenzt auf Untersuchungen mit kurzer Latenzzeit zwischen Injektion und Erkrankungsbeginn ergab sich sogar eine noch größere Gefahr. Ähnliches galt für die RA. Die Autoren räumen zwar ein, dass es letztlich nur moderate Hinweise auf ein erhöhtes Lupus- und Rheumarisiko durch Impfungen gebe und die Assoziation weiterer Forschung bedürfe. Doch selbst dieses Ergebnis konnte Prof. Specker – u.a. aufgrund anderer Studien mit gegensätzlichen Resultaten – nicht recht glauben. Zusammen mit Professor Dr. Christian Kneitz vom Klinikum Südstadt in Rostock knöpfte er sich die Metaanalyse en détail vor.
Zwei Studien fielen komplett aus dem Rahmen
In der Einleitung heißt es, „in immer mehr Studien werden Bedenken hinsichtlich des möglicherweise erhöhten Risikos von Autoimmunerkrankungen im Zusammenhang mit Impfungen geäußert“. Als Literaturnachweis führen die Wissenschaftler aus Shanghai elf Publikationen ins Feld, an denen ein gewisser Yehuda Shoenfeld beteiligt war. Dieser hat das sogenannte ASIA**-Syndrom definiert, bei dem es sich um eine unspezifische Entzündungsreaktion durch Adjuvanzien und nicht durch den Wirkstoff handelt, erklärte Prof. Specker. Den Autoren genügte das aber offenbar, um gewisse Vorbehalte zu generalisieren.
Der Forest-Plot der Metaanalyse, also das Diagramm mit den zahlenmäßigen Ergebnissen einzelner Studien, machte die Rheumatologen dann endgültig stutzig. Nur drei von zwölf Untersuchungen zum Lupus zeigten überhaupt eine signifikante Erhöhung, zwei fielen mit einem relativen Risiko von 7,6 und 9,1 massiv aus dem Rahmen. Das Erstaunliche: Beide stammen von den zwei Autoren M.R. Geier und D. Geier – Vater und Sohn, wie Prof. Specker bei einer Internetrecherche herausfand. Der Vater leitet eine Einrichtung namens „Institute of Chronic Illnesses“ in Silver Spring, USA, und war Gutachter in mehr als 90 Gerichtsfällen zu vermeintlichen Impfschäden.
„Intellektuell unehrlich“ und „völlig unqualifiziert“
Geier senior bringt u.a. Autismus mit Vakzinen in Zusammenhang. 2011 verlor er seine staatliche ärztliche Zulassung – wegen einer fragwürdigen Therapie und einer Lüge gegenüber der Ärztekammer bezüglich seiner Qualifikationen. Bereits 2004 bekam er von der National Academy of Medicine sein Fett weg, als diese seine Arbeiten als schwer fehlerhaft, durch falsche wissenschaftliche Begriffe beeinträchtigt und uninterpretierbar abstempelte. In Gerichtsurteilen wurde Geier zudem als „intellektuell unehrlich“, „nicht zuverlässig“ und „völlig unqualifiziert“ bezeichnet.
Es kommt noch besser: Das Journal mit der aktuellen Metaanalyse musste 2007 einen Beitrag der Geiers zurückziehen. Eine populärwissenschaftliche Zeitschrift hatte aufgedeckt, dass ein vermeintlich institutioneller Prüfungsausschuss zur Genehmigung von Experimenten mit autistischen Kindern aus Geier selbst, dessen Frau und Sohn, einem Geschäftspartner sowie einem Anwalt, den er aus Impfstoffprozessen kannte, bestand. Laut Ärztekammer ein klarer „Schein-Ausschuss“.
Für Prof. Specker schloss sich der Kreis, als er den Namen des Chef-Herausgebers von Autoimmunity Reviews las: Yehuda Shoenfeld. Letztlich gehören Impfungen also weiterhin „zu den eindeutig erfolgreichsten und wichtigsten Maßnahmen und weisen ein äußerst gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis auf“, betonte der Rheumatologe. Das viel wichtigere Fazit aber lautet, nicht jeder nach Kriterien der evidenzbasierten Medizin vordergründig gut gemachten Metaanalyse blind zu glauben. Oder salopp ausgedrückt: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
* der Impact Factor entspricht dem Einfluss eines wissenschaftlichen Journals
** autoimmune/inflammatory syndrome induced by adjuvants