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Penicillinallergie in vier Schritten verifizieren

Warum meinen so viele Menschen, auf Penicillin allergisch zu reagieren? Möglicherweise haben sie unter einer früheren Behandlung mit dem Medikament Übelkeit, Durchfall oder einen lokalen Soorbefall bekommen – Folgeerscheinungen der Antibiose, aber keine Allergie. Zudem können Grunderkrankungen wie eine chronische oder rezidivierende Urtikaria unter Penicillin exazerbieren und dann als allergische Reaktion fehlinterpretiert werden. Nicht zuletzt sind unter hochdosierter Therapie auch toxische Reaktionen (Nephritis, Hepatitis) möglich. Tatsächlich vertragen 85 bis 90 % derjenigen, die eine Penicillinallergie erwähnen, Penicilline bzw. Betalaktamantibiotika gut, schreiben Dr. Lukas Jörg vom Universitätsspital Bern und Kollegen.
Spätmanifestation sogar nach mehreren Wochen möglich
Schätzungen zufolge treten potenziell gefährliche Reaktionen vom Soforttyp nur ein- bis zweimal pro 10 000 Penicillinverabreichungen auf. Nach parenteraler Gabe werden sie innerhalb von Sekunden bis Minuten beobachtet. Typische Symptome sind Juckreiz (an Kopfhaut, Handflächen oder Fußsohlen), Flush, Urtikaria, Angioödeme und Dyspnoe. Auch schwere Allgemeinreaktionen wie akute Hypotonie, Herzrhythmusstörungen bis hin zur Asystolie und Bewusstseinseintrübung sind möglich.
Indikationen für die allergische Diagnostik
- Reaktionen vom Soforttyp
- Symptome bei Patienten, die noch andere Medikamente, vor allem NSAR, einnehmen
- Schwere systemische Reaktionen mit Organbeteiligung
- Großflächiger Hautbefall
- Beteiligung der Schleimhäute
- Grunderkrankungen wie Immundefizienz oder Klappenvitium
1. Anamnese
Wichtige Informationen sind u.a. die Latenzzeit zwischen der Einnahme des Penicillins und dem Auftreten erster Symptome und ob der Patient deswegen schon mal stationär behandelt wurde. Auch die Frage nach der mit Penicillin behandelten Erkrankung ist essenziell. Zum einen entwickeln gerade Kinder häufig erst nach Beginn der antibiotischen Behandlung ein durch den Erreger selbst bedingtes Exanthem. Zum anderen gelten die EBV- und die HIV- Infektion als Risikofaktoren für eine Penicillinreaktion.2. Hauttest
Bei begründetem Verdacht auf eine Penicillinallergie ist die standardisierte Hauttestung die Untersuchung der Wahl. Hierfür verwendet man zumeist Intradermaltests mit verfügbaren parenteralen Penicillinpräparaten in entsprechenden Verdünnungen. Will man Soforttypreaktionen aufspüren, wird der Test nach 20 min abgelesen, sollen potenzielle Spättypreaktionen erfasst werden, nach 24 bis 48 Stunden. Ein vorgeschalteter Prick-Test mit den Intradermal-Konzentrationen ist dann notwendig, wenn eine schwere Indexreaktion bekannt ist. Denn auch In-vivo-Tests lösen gelegentlich systemische Reaktionen aus. Hatte eine sehr bedrohliche Spättypreaktion vorgelegen, wird man von einer Intradermaltestung absehen und eher einen Epikutan- oder Patchtest durchführen. Eine Allergie kann bei einem negativen Hauttest aber nur bedingt mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Denn die Hauttestung mit Penicillinen hat eine hohe Spezifität, aber eine geringe Sensitivität (Soforttyp 70 %, Spättyp 10–30 %).3. In-vitro-Analysen
Diese Methoden haben eine noch geringere Sensitivität als die Hauttests, können aber nach Aussage der Autoren als ergänzende Untersuchung sinnvoll sein. Für Patienten mit Soforttypreaktionen kommt die Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper auf Penicillin V/G sowie Amoxicillin und der Basophilenaktivierungstest mit den auslösenden Penicillinen infrage. Bei Spättypreaktionen ist der Lymphozytentransformationstest eine Option. Können Hauttests nicht durchgeführt werden oder war es zu schweren Allgemeinreaktionen gekommen, bieten sich die Verfahren auch primär an.4. Provokationstest
Ist eine Penicillinallergie vom Soforttyp gesichert, wird mit alternativen Antibiotika oral provoziert. Der Patient erhält unter ärztlicher Kontrolle und Dokumentation der Vitalparameter einschließlich Peak-flow und Hautstatus das ausgewählte Alternativantibiotikum zunächst in einer niedrigen Dosis. Treten keine Symptome auf, wird die Medikamentendosis alle 15 bis 30 Minuten gesteigert, bis die beabsichtigte therapeutische Dosis kumulativ erreicht ist. Keine Provokationstestung sollte bei Patienten mit bekannter Spättypreaktion und solchen mit schweren, lebensbedrohliche Allgemeinsymptomen in der Vorgeschichte durchgeführt werden.Kreuzreaktion mit oraler Provokation ausschließen
Steht die Diagnose Penicillinallergie, stellt sich die Frage, ob Cephalosporine, Carbapeneme oder Monobactame verabreicht werden dürfen. Die Häufigkeit von Kreuzreaktionen zwischen Penicillinen und Cephalosporinen liegt zwischen 0 % und 10,5 %. Cephalosporine ab der dritten Generation führen seltener zu Kreuzreaktionen und können Patienten mit Penicillinallergie meist verordnet werden. Dennoch empfehlen die Berner Kollegen vorab die orale Provokation, um die Verträglichkeit zu testen. Kreuzreaktionen zu Carbapenemen betreffen weniger als 1 % der Personen mit Penicillinallergie, dennoch soll die erste Gabe wie bei einem Provokationstest fraktioniert erfolgen. Zwischen Penicillinen und Monobactamen ist keine Kreuzreaktion bekannt.Jörg L et al. Schweiz Med-Forum 2017; 17: 236-240
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