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Penicillinallergie – Echte Gefahr oder Einbildung?

Als Risikofaktor für eine Penicillinallergie gilt die häufige Exposition gegenüber diesen Antibiotika. Auch höheres Lebensalter und weibliches Geschlecht sollen die Entwicklung einer Allergie fördern, reflektieren aber evtl. nur den vermehrten Antibiotikagebrauch in diesen Kollektiven, schreiben Experten des Drug and Therapeutics Bulletins, London.
Zwei Verlaufstypen der Penicillin-Allergie werden unterschieden:
1. Reaktionen vom Soforttyp beginnen in der Regel innerhalb von 60 Minuten nach dem Allergenkontakt, spätestens nach ein bis sechs Stunden. Sie manifestieren sich mit den üblichen Symptomen einer IgE-vermittelten Allergie – von Pruritus und Urtikaria bis zur Anaphylaxie.
2. Die verzögerten Reaktionen zeigen sich üblicherweise erst Tage nach der Penicillingabe, auf jeden Fall aber mit mehr als 60 Minuten Abstand. Ihnen liegt eine T-Zellaktivierung zugrunde. Infolge der Zytokinfreisetzung kommt es meist zu makulopapulösen, morbilliformen oder urtikariellen Exanthemen. In seltenen Fällen kann eine Penicillin-Allergie potenziell tödliche Arzneimittelreaktionen, etwa ein Stevens-Johnson-Syndrom, auslösen.
Wichtig für die Anamnese
- Name des Penicillins, Applikationsweg, Indikation
- Datum und Uhrzeit der Reaktion
- Abstand zwischen letzter Dosis und ersten Symptomen
- Art und Schweregrad der Reaktion
- Wann verschwanden die Beschwerden?
Zeitig zum Spezialisten, sonst droht falsch negatives Ergebnis
Der erste Schritt zur Diagnose ist auch bei der Penicillinallergie die Anamnese. Mit wenigen gezielten Fragen kann man z.B. zwischen Reaktionen vom Sofort- und vom Spättyp differenzieren. Auch die Einschätzung des Schweregrads ist möglich. Bei länger zurückliegenden Reaktionen helfen mitunter Krankenakten, Fotografien und Zeugenaussagen.Hauttests liefern vor allem bei Erwachsenen wichtige Hinweise auf IgE- oder T-Zell-vermittelte Reaktionen. Sie sollten in speziellen Zentren erfolgen, da die Interpretation der Resultate ebenso wie das Management systemischer Reaktionen erhebliche Erfahrung erfordert. Sinnvoll ist zudem eine zeitnahe Testung, da es mit zunehmendem Abstand zum Ereignis häufiger zu negativen Ergebnissen kommt. Bei Kindern sind Hauttests vor allem nach anaphylaktischen Reaktionen sinnvoll, weniger nach verzögert aufgetretenen Manifestationen.
Das spezifische IgE hat bei der Penicillinallergie nur einen geringen Stellenwert. Bei Personen mit typischer Anamnese, aber negativem Hauttest dient die orale Provokation dem Nachweis bzw. Ausschluss der Penicillinallergie. Sie sollte wiederum nur in speziellen Zentren durchgeführt werden. Als Kontraindikationen gelten u.a. ein erhöhtes Risiko für lebensgefährliche (Haut-)Reaktionen, aber auch ein instabiles Asthma und die Einnahme von Betablockern. Bei positivem Haut- oder Provokationstest ist die Allergie gesichert, der Patient muss Penicillin künftig meiden. Fallen beide Tests negativ aus, ist der Allergieverdacht vom Tisch.
Hier gilt Penicillinverbot
- bei Patienten, die unmittelbar nach einer Penicillin-Applikation mit Anaphylaxie, Urtikaria oder Exanthem reagiert haben (Risiko für Soforttyp-Allergie)
- bei positivem Hauttest
- nach einer schweren Spättyp-Reaktion (z.B. Stevens-Johnson-Syndrom)
Ungeklärter Verdacht fördert resistente Keime
Die Abklärung des Allergieverdachts ist gleich doppelt wichtig: Denn nach einem fraglichen Ereignis kann jede erneute Einnahme von Penicillin eine schwere Reaktion auslösen. Umgekehrt führt der ungeklärte Verdacht zur Verordnung resistenzträchtiger Antibiotika und in der Folge zu vermehrtem Auftreten von C. difficile, MRSA und VRE. Falsche Zuschreibungen müssen deswegen unbedingt vermieden werden.Eine suspekte oder nachgewiesene Penicillinallergie sollte immer in den Krankenakten vermerkt und in der gesamten Korrespondenz zwischen Haus- und Fachärzten aufgeführt werden. Konnte man den Al-lergieverdacht ausräumen, ist auch das zu dokumentieren.
Quelle: Drug and Therapeutics Bulletin, BMJ 2017; 358: j3402
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