Biologikum gescheitert – und jetzt?

Manuela Arand

Der BARS (Biologics Asthma Response Score) wurde eingeführt, um das Ansprechen auf Biologika standardisiert bewerten zu können. Der BARS (Biologics Asthma Response Score) wurde eingeführt, um das Ansprechen auf Biologika standardisiert bewerten zu können. © SciePro – stock.adobe.com

Sie haben das Biologikum für Ihren Patienten mit schwerem Asthma sorgfältig ausgewählt, sogar die ABCD-Regel der brandneuen fachärztlichen Leitlinie1 befolgt. Trotzdem bleibt der Erfolg aus. Was tun?

Bei der initialen Auswahl eines Biologikums kann man sich an den ABCD-Kriterien (s. Kas­ten) orientieren. Sie liefern Anhaltspunkte dafür, ob bei schwerem Asthma eine gute Wirksamkeit zu erwarten ist oder nicht. Im Einzelfall kann es aber trotzdem Überraschungen geben, wie PD Dr. ­Katrin ­Milger-Kneidinger vom Klinikum der LMU München am Beispiel einer ihrer Patientinnen darlegte:

Schon seit früher Kindheit litt die 49-Jährige Frau an einem allergischen Asthma bei Polysensibilisierung und nachgewiesener allergischer bronchopulmonaler Asper­gillose. Sie kam in die Klinik, weil sich trotz inhalativer Triple­therapie plus oraler Prednisolon-Dauertherapie und intermittierenden Kortison­stößen ihre Symptomatik verschlechterte und die Exazerbationen zunahmen. Alle Biomarker lagen hoch – FeNO bei 60 ppb, IgE > 7.000 IE/ml und die Eosinophilen erreichten 950/µl.

ABCD-Kriterien helfen bei der Biologika-Auswahl

A Anamnese (Alter bei Erkrankungsbeginn, klinisch relevante Allergien usw.)

B Biomarkerexpression (v.a. Eosinophile im Blut, FeNO, IgE)

C Co-Morbiditäten (Urtikaria, CRSwNP, allergische Rhinitis, Neurodermitis)

D Dosierungsintervall und andere Produktspezifika (z.B. Applikationsform)

Anti-IL-5R hatte die Patientin schon ausprobiert, was aber ebenso erfolglos geblieben war wie der nächste Versuch mit Anti-IgE. Schließlich schlug Anti-IL-4/13 an: „Die Patientin legte eine Superresponse hin, die wir so nicht erwartet hatten“, berichtete Dr. Milger-Kneidinger. Es gab einen beeindru­ckenden Zugewinn an Lungenfunktion von einem Liter FEV1 in vier Monaten. 

Hätte man das vorher wissen können? Eher nein, denn die Biomarker ließen eine gute Response auf alle drei Biologika erhoffen. 

Auch bei inakzeptablen Nebenwirkungen umstellen

Scheitert das erste Biologikum, lohnen auf jeden Fall Versuche mit einem zweiten oder dritten. Gleiches gilt bei inakzeptablen Nebenwirkungen, wie die Referentin anhand eines weiteren Patienten deutlich machte. Er sprach zwar sehr gut auf Dupilumab an, entwickelte aber eine Hypereosinophilie. Deshalb wurde er auf Benralizumab umgestellt, das zum Glück ebenso effektiv wirkte.

Auch wenn es keine direkten Vergleichsstudien gibt, kann man davon ausgehen, dass die verfügbaren Bio­logika hinsichtlich Symptomkontrolle, Reduktion der Ex­azerbationsrate, Absetzen der oralen Steroide (OCS) und Verbesserung der Lungenfunktion sich nicht viel nehmen. Das legt u.a. eine Analyse retrospektiver Daten aus mehreren deutschen Zentren nahe. Darin verglichen Münchener Kollegen drei Antikörper im Langzeitverlauf und konnten keine wesentlichen Unterschiede finden. Meis­tens liegen Ärzte mit ihrer initialen Auswahl richtig. Internationalen Registerdaten zufolge bleiben acht von zehn Patienten beim ersten Biologikum, je 10 % switchen oder hören ganz auf. 

Ein Problem lag bisher darin, dass es keine einheitlichen Kriterien dafür gab, was ein gutes Ansprechen ausmacht. Eine Arbeitsgruppe um Dr. Milger-Kneidinger hat deshalb BARS entwickelt, den Biologics Asthma Response Score. Als Maßstab zieht er Exazerbationen, Asthma Control Test und OCS-Gebrauch heran. 

Wenn Asthma und COPD zusammenkommen

Unter Patienten mit schwerem Asthma finden sich viele mit relevanter Raucheranamnese, wie Prof. Dr. Marek Lommatzsch, Universität Rostock, anhand von Daten von 220 Fällen aus der eigenen Ambulanz verdeutlichte. 44 % der Patienten mit Late-onset-Asthma, aber auch 24 % mit Asthmabeginn in jungen Jahren kamen auf mindestens zehn Packungsjahre (PY). Der mediane Tiffeneau-Index lag < 70 % und erfüllte damit die COPD-Kriterien.

„Die Frage ist: Wie nennen wir diese Erkrankung?“, so Prof. Lommatzsch. Asthma-COPD-Overlap geht nicht – diese Bezeichnung hat GOLD vor fünf Jahren abgeschafft, weil sie mehr Ungenauigkeit als Klarheit schuf. Seitdem kursieren verschiedene Varianten: Eine Arbeitsgruppe aus Hannover beschrieb „Patienten mit schwerem eosinophilem Asthma und COPD“, ein Pharmaunternehmen „COPD mit Evidenz einer Typ-2-Inflammation“ und in Rostock heißt dieselbe Konstellation* „schweres Asthma, erschwerend Z. n. > 10 PY“.

Prof. Lommatzsch schilderte den Fall eines 84-Jährigen mit schwerer obstruktiver Ventilationsstörung. Nach 40 PY hatte der Mann eine COPD, aber gleichzeitig auch ein schweres eosinophiles Late-onset-Asthma mit mehr als sechs Exazerbationen pro Jahr und ausgeprägten nächtlichen Symptomen. Hinzu kamen eine Reihe weiterer Diagnosen, u.a. Herzinsuffizienz, KHK und Lungenembolien in der Anamnese. Ohne Zweifel wies der Patient Kriterien beider Erkrankungen auf, „aber wenn die Waage wie hier in Richtung schweres Asthma neigt, dann nennen wir es schweres Asthma“, so der Pneumologe. Er verwies auf die aktuelle Asthmaleitlinie, in der die Tabelle zur anamnestischen Differenzierung zwischen Asthma und COPD um eine Reihe relevanter Kriterien erweitert wurde, was die Mustererkennung erleichtert.

Der Rostocker Patient erhielt eine hoch dosierte inhalative Tripletherapie. Und nachdem die Kollegen Anti-IL-5 hinzugefügt hatten – die Eos lagen bei über 1.600/µl – besserte sich das Krankheitsbild dramatisch. Die Exazerbationen sistierten und der Patient braucht OCS aktuell weder als Dauer- noch als Stoßtherapie.

„Wir haben Patienten, die ein lupenreines schweres Asthma und eine lupenreine COPD nebeneinander haben“, resümierte Prof. Lommatzsch. Dann kommt es darauf an, beide Diagnosen adäquat zu behandeln – also beispielsweise mit einem Biologikum plus Lungenvolumenreduktion oder nicht-invasive Beatmung

* Alter > 40 Jahre, > 10 PY, FEV1/FVC < 70 %, Nachweis von Typ-2-Biomarkern

BARS nach sechs und zwölf Monaten ermitteln

Ein Rückgang der jährlichen Ex­azerbationen um mindestens 75 %  ergibt zwei Punkte. Selbiges gilt für einen ACT-Anstieg um mindestens sechs Punkte oder um drei auf mindestens 20 Punkte. Auch wenn die oralen Kortikosteroide abgesetzt oder die Dosis wenigstens um 75 % reduziert werden konnte, bringt dies zwei Punkte für den Score. Null Punkte resultieren hingegen aus einem Rückgang der Exazerbationen um < 50 %, einem ACT-Anstieg um weniger als drei Punkte und einer OCS-Reduktion von < 50 %. Aus der BARS-Response, die nach sechs und zwölf Monaten beurteilt werden soll, leiten die Autoren die folgenden Empfehlungen für die Therapie ab:

  • bei gutem Ansprechen fortführen

  • bei mäßigem Ansprechen Möglichkeiten zur Optimierung prüfen oder auf erfolgversprechende Alternative umstellen

  • bei ausbleibendem Ansprechen stoppen oder eventuell umstellen

Eine unzureichende Response sollte immer Anlass sein, die Diagnose, den Einfluss von Komorbiditäten bzw. Komedikation sowie die Adhärenz zu prüfen und nach Zeichen einer persistierenden Typ-2-Inflammation zu suchen (FeNO, Eosinophile in Blut oder Sputum). Anhand dieser Biomarker lässt sich auch ermessen, auf welches Biologikum sinnvollerweise umgestellt werden sollte, erklärte Dr. Milger-Kneidinger. Sind die Eos weiter hoch, kommen gegen IL-5 oder dessen Rezeptor gerichtete Antikörper infrage. Bei erhöhtem FeNO empfehlen sich Anti-IL-4/13 oder Anti-TSLP. 

Prof. Dr. ­Karl-Christian ­Bergmann, Charité – Universitätsmedizin Berlin, plädierte dafür, sich ein Beispiel an den Dermatologen zu nehmen und sich nicht mit halben Erfolgen zufriedenzugeben. „Wenn wir jemanden behandeln, soll alles richtig gut werden.“ Neben dem Biologikawechsel könnte man sich auch Gedanken über Dosisintervalle und Wirkstoffkonzentration machen, regte er an. In einer Masterarbeit an der Charité konnte eine Kollegin zeigen, dass die Wirksamkeit von Anti-IL-5R vom Körpergewicht abhängt und bei adipösen Patienten oft sehr viel geringer ausfällt als bei Normalgewichtigen. „Vielleicht müssen wir denen, die mehr Gewicht auf die Waage bringen, etwas mehr Benra geben“, so Prof. Bergmann. 

Biologika zu kombinieren ist eine weitere Option, die vor allem bei komplexen Krankheitsbildern infrage kommt, also z.B. bei hohen Eosinophilenzahlen und allergischer Polysensibilisierung. „Omalizumab schafft keine starke Eosinophilenhemmung, und Anti-IL-5-Antikörper reduzieren allergische Phänomene nicht oder jedenfalls nicht ausreichend“, konstatierte der Pneumologe. 

Kombinierte Biologikagabe scheint sicher zu sein

In der Praxis werden Strategien mit Biologikakombinationen seltenen Einzelfällen vorbehalten bleiben. Zwei Situationen sind für Prof. Bergmann erkennbar, in denen Anti-IL-5 als Add-on bei ausgeprägter Eosinophilie infrage kommt: bei primär allergischer Genese zusätzlich zu Omalizumab sowie bei primär nicht-allergischem Asthma als Zugabe zu Anti-IL-4/13 – dann als Kurzzeittherapie oder mit weiten Intervallen zwischen den Dosen (cave off label). Sicherheitsbedenken sind nach aktuellem Kenntnisstand wahrscheinlich überflüssig. Eine Fallsammlung aus Deutschland von Patienten mit schwerem Asthma, die aus anderer Indikation ein zweites Biologikum benötigen, zeigt jedenfalls keine relevanten Signale.

Quelle: Kongressbericht 63. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin

1. S2k-Leitlinie „Fachärztliche Diagnostik und Therapie von Asthma“, AWMF-Register-Nr. 020-009; www.awmf.org

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Der BARS (Biologics Asthma Response Score) wurde eingeführt, um das Ansprechen auf Biologika standardisiert bewerten zu können. Der BARS (Biologics Asthma Response Score) wurde eingeführt, um das Ansprechen auf Biologika standardisiert bewerten zu können. © SciePro – stock.adobe.com