Blut im Urin – einmal ist keinmal?

Dr. Carola Gessner, Foto: thinkstock

Blut im Urin, aber keine Symptome - das kann Patienten schnell verunsichern. Wie viel Diagnostik ist notwendig?

Die asymptomatische Hämaturie gehört quasi zu Ihrem Alltagsgeschäft – Angaben zur Prävalenz schwanken zwischen 2 und 31 % der Erwachsenen, je nach untersuchtem Kollektiv. Bei Männern über 60 Jahre mit Nikotinabusus findet sich deutlich häufiger Blut im Harn als bei asymptomatischen Nichtrauchern, erklärte Dr. Joachim Reichle vom Diakonie Klinikum Stuttgart. Wichtig ist bei Frauen selbstverständlich auch die Frage nach der Menstruation.

Hämaturie: Malignom-Alarm - klicken zum VergrößernTeststreifen reagieren auch auf Bilirubin und Myoglobin

Um den Befund zu verifizieren und zu quantifizieren, stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Der Mittelstrahlurin (bei Frauen idealerweise der Einmalkatheterurin) wird per Teststreifen oder unter dem Mikroskop begutachtet. Teststreifen-Diagnostik punktet durch Schnelligkeit, wenig Aufwand und hervorragende Sensitivität (95–100 %), aber die Spezifität ist gering: Positive Resultate können auch auf Myoglobin, Bilirubin oder Pharmakaeffekte zurückgehen.


Bei der Mikroskopie hängen Sensitivität und Spezifität stark vom Untersucher ab. Die Methode erlaubt aber u.U. anhand der Erythrozytenform bereits Rückschlüsse auf die Genese (urologisch oder nephrologisch). Wichtig ist zu klären, ob tatsächlich eine symptomatische Hämaturie vorliegt. Dies ist der Fall bei:


• Begleitsymptomen (Algurie/Dys­urie, Koliken)
• auffälligen Retentionsparametern im Labor
• Proteinurie/Leukozyturie
• Fieber, Schüttelfrost, hohen Entzündungsparametern
• Hypertonie/Ödemen
• positiver Tumoranamnese (nicht nur urologisch)


Mikro- oder Makrohämaturie - klicken zum VergrößernAktuellen Daten zufolge ist die Mikrohämaturie in 87 % idiopathisch, aber bei 5 % der Fälle lassen sich auch Urothel- oder Nierentumoren entdecken, bei Makrohämaturie sogar in fast 20 %.


Könnten vielleicht auch Blutverdünner „schuld sein“? Das wollen Kollegen oft wissen, denn etwa die Hälfte unserer Patienten mit Hämaturie nimmt Antikoagulanzien ein, so Dr. Reichle. Als Erklärung für Blut im Urin dürfen Gerinnungshemmer aber nicht herhalten: Sie sind keine Hämaturie-Ursache, sondern Symptomverstärker. In über der Hälfte der Fälle wird eine zugrunde liegende Pathologie wie benigne Prostatahyperplasie (21 %) oder Urothelmalignom (17 %) gefunden.

Tumorsuche auch bei unter 40-Jährigen sinnvoll

„Ich werde zudem oft gefragt, ob man einen einzigen Hämaturie-Befund wirklich abklären muss?“, berichtete der Referent. Ja, lautet die Antwort, gerade Malignome bluten intermittierend. Wenn der Tumor sich bei der Kontrolluntersuchung gerade „still verhält“, wiegt man sich anschließend in falscher Sicherheit.


Nach Leitlinien zur Hämaturieabklärung sucht man bei der deutschen und der europäischen Fachgesellschaft für Urologie vergeblich. Zwar findet sich bei der DEGAM eine „recht gut ausgearbeitete Leitlinie“, doch gibt es laut Dr. Reichle darin Stolpersteine. So werde bei urologischer Vordiagnose im Fall einer Hämaturie modifiziertes Abwarten vorgeschlagen.


Bei Patienten mit behandeltem Blasentumor z.B. weist aber die Blutung evtl. auf ein Rezidiv hin – hier wäre Zuwarten falsch. Auch die Altersgrenze von 40 Jahren als Grenzkriterium für eine Tumordiagnostik hält Dr. Reichle für zu hoch: „Urotheltumor-Patienten sind z.T wesentlich jünger.“

Keine Ursache zu finden: einmal im Jahr kontrollieren!

So liefert der Experte eine eigene knappe Anleitung für die Praxis. Immer abzuklären ist:
• die Makrohämaturie,
• die Mikrohämaturie bei Malignom-Risikofaktoren,
• die persistierende Mikrohämaturie und
• das Hämaturie-Rezidiv nach fachgerechter Therapie einer anderen Ursache (z.B. Harnwegsinfekt).


Nach Therapie der relevanten Ursache einer Hämaturie wird der Urinbefund kontrolliert – bei Harnwegsinfekten sollte man nach einer Antibiotikatherapie etwa eine Woche warten. Besteht dann immer noch eine Makrohämaturie, wird die GFR bestimmt und weitere Diagnostik beim Urologen veranlasst.


Hämaturie-Diagnostik - klicken zum VergrößernFindet sich bei der Abklärung eine Ursache, folgt die gezielte Therapie, falls nicht, werden regelmäßige Urinkontrollen – mindestens einmal pro Jahr in den folgenden zwei Jahren – empfohlen. Persistiert die Hämaturie, soll der Patient die Untersuchungskaskade erneut durchlaufen, bevor man sich mit der Diagnose „idiopathische Hämaturie“ zufrieden gibt.

Quelle: 49. Ärztekongress der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg, Stuttgart, 2014

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