Bronchialkarzinom: Patient zu alt für intensive Chemotherapie?

Manuela Arand, Foto: thinkstock

Die Therapie-Strategie gegen den Krebs sollte erst erst nach dem geriatrischen Assessment festgelegt werden.

Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) sollte die Chemotherapie nicht vorenthalten werden, etwa weil sie das 70. Lebensjahr überschritten haben. Nutzt man die Bandbreite der Therapiemöglichkeiten aus und wägt das Toxizitätsrisiko sorgfältig ab, können auch Senioren deutlich Lebenszeit gewinnen.

Wie toxisch wird die Therapie?

Eine US-Arbeitsgruppe hat ein Risikofaktoren-Modell entwickelt, das Toxizität besser vorhersagt als der Performance-Status oder der Karnofsky-Index. Risikofaktoren sind demnach:

  • Alter über 73 Jahre
  • gastrointestinale/urogenitale Tumoren
  • Polychemotherapie
  • Standarddosierung der Chemotherapie
  • spontane Stürze (in letzten 6 Monaten)
  • Hilfsbedürftigkeit im Alltag
  • reduzierte soziale Aktivität


Je mehr dieser Faktoren ein Patient aufweist, desto höher sein Risiko, schwere Nebenwirkungen zu bekommen – die Spanne reicht von 23 % bei einem bis 100 % bei sieben Faktoren.


(nach Hurria et al., JCO 2011)


Das NSCLC bildet die Tumorentität, die bei Älteren die meisten Todesfälle verursacht, betonte Professor Dr. Axel von Bierbrauer zu Brennstein von der III. Medizinischen Klinik am Klinikum Gütersloh. Das Alter der Betroffenen beträgt zum Zeitpunkt der Diagnosestellung median 70 Jahre, aber in Studien sind die Patienten im Schnitt zehn Jahre jünger und über 75-Jährige oft ganz ausgeschlossen.

Platinhaltige Kombination der Monotherapie?

Aktuell erhalten die meisten älteren Patienten mit NSCLC keine Chemotherapie und wenn, dann meist eine Monotherapie. Das ist nicht gerechtfertigt, denn ältere Patienten haben unter zytostatischer Therapie nicht per se eine schlechtere Prognose als jüngere.


Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Studien, die zeigen, dass es keinen Unterschied macht, ob jemand über oder unter 65 bis 70 Jahre alt ist. Das gilt für spätere Therapielinien ebenso wie für die Firstline und die Erhaltungstherapie. Auch die modernen molekular zielgerichteten Therapien sollten Älteren zugutekommen, forderte der Onkologe: „Hier gibt es viele Lebensjahre zu gewinnen.“


Differenzierter muss man die Frage betrachten, ob die Patienten besser mit einer platinhaltigen Dublette oder einer Monotherapie behandelt werden sollten: Die Dublette hat sich inzwischen in mehreren Studien an Senioren als überlegen bei den onkologischen Endpunkten erwiesen (Gesamtüberleben, progressionsfreies Überleben, Krankheitskontrollrate). Aber man muss unter der Dublette mit einer relevant erhöhten Mortalität durch hämatologische Toxizität rechnen und deshalb im Einzelfall abwägen.


Bei älteren Patienten kommt es allerdings aufgrund der physiologischen veränderten Organfunktionen zu besonders schwierigen Situationen. Im Vergleich zu einem 30-Jährigen schafft ein 70- bis 80-Jähriger eben nur noch die halbe Herzleistung. Kardiotoxische Therapien machen deshalb viel früher Probleme.


Auch Lungenkapazität und O2-Aufnahme gehen deutlich zurück, die Nieren bringen nur noch 50 bis 70 % der früheren Filtrationsleistung. Ganz wichtig: Die Regulationsgeschwindigkeit des Blut-pH sinkt um 80 % – jede Chemotherapie-induzierte Diarrhö kann gefährlich werden, weil das System viel früher zusammenbricht.

Einschleichen ist in der Onkologie keine Option

„In der Onkologie gibt es, anders als in vielen anderen Bereichen der Medizin, kein geriatrisches ,Start low, go slow‘“, betonte der Internist. Zwar kann man eine platinhaltige Chemotherapie im Einzelfall mal mit zwei Drittel oder drei Viertel der üblichen Dosis starten. Aber klassische Einschleichschemata exis­tieren ebenso wenig wie Standard-Dosisreduktionsinformationen. Das bleibt der Erfahrung des einzelnen Arztes überlassen.

Entscheidungsprobleme bei den mäßig Fitten

Sorgen bereitet die Entscheidung weder bei den „jungen Alten“, die mit wenigen Einschränkungen körperlich fit sind, noch bei den „alten Alten“, bei denen es um Symptome geht, nicht um Prognose. Schwierig ist die relativ große Gruppe in der Mitte mit zunehmender körperlicher und geistiger Verlangsamung, nicht mehr kompensierten Funktionseinbußen und Multimorbidität.


Die Behandlungswahl wird in der Regel aufgrund des kalendarischen Alters und des Performance-Status getroffen, aber das greift zu kurz, wie Prof. von Bierbrauer kritisierte. Optimal wäre ein multidimensionales geriatrisches Assessment, weil das die Therapieplanung in bis zu 50 % der Fälle revidiert – durchaus auch in Richtung einer aggressiveren Strategie als ursprünglich geplant.

Nachteil ist der hohe zeitliche Aufwand

„Unter 20 bis 30 Minuten kommt man da kaum weg“, so der Onkologe. Er hofft, dass in absehbarer Zeit Kurzversionen der gängigen Scores validiert werden, die mit geringem Zeitaufwand verlässliche Ergebnisse liefern.


55. Kongress der Deutschen Gesellschaft

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