Brustkrebs-Standardtherapie trotz Coronapandemie möglichst beibehalten

Friederike Klein

Die Überlebensrate wird sich hierzulande wohl um bis zu 10 % verringern. Die Überlebensrate wird sich hierzulande wohl um bis zu 10 % verringern. © Molly Ferguson Art – stock.adobe.com

Auch wenn sich derzeit schrittweise die Situation in Kliniken normalisiert: Die gewohnte Versorgung von Krebskranken bleibt in Zeiten der COVID-19-Pandemie erschwert und die nächste Welle kommt gewiss. Die ESMO erklärt, wie Therapien in diesen Phasen zu priorisieren sind.

Priorisieren, verschieben oder aussetzen – das sind oder waren häufig die Grundsätze der Brustkrebstherapie im Kontext der COVID-­19-Pandemie und damit einhergehender Maßnahmen. In wohlhabenden Ländern wird sich dadurch die Überlebensrate Betroffenener voraussichtlich um 5–10 % verschlechtern. Das würde Hunderttausende von zusätzlichen Todesfällen bedeuten, die weit über die Zahl von Verstorbenen durch SARS-CoV-2 selbst hinausgehen würden, zitierte Professor Dr. Sibylle­ Loibl­, Leiterin der Studiengruppe German Breast Group aus Neu-Isenburg, ein aktuelles Editorial.1 Deshalb lautete ihr Plädoyer: „Nicht überreagieren!“ Kollegen sollten möglichst nach dem Standard der EBM-Empfehlungen therapieren.

Krebskranke haben ein erhöhtes Risiko, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren sowie für einen schweren und tödlichen Verlauf von COVID-19. Die europäische Fachgesellschaft ESMO hat deshalb Hinweise zur dreistufigen Priorisierung der Krebstherapie in Pandemiezeiten herausgegeben. Brustkrebs­patientinnen fallen meist in die mittlere Priorität der drei Stufen, erklärte die Kollegin.

Operation

Die chirurgische Intervention bleibt in folgenden Fällen wichtig: Komplikationen einer vorangegangenen Brustkrebsoperation bzw. Brustrekonstruktion, nach neoadjuvanter Chemotherapie, invasives Karzinom nach vorangegangener Therapie und Schwangerschaft. Verschoben werden können am ehesten Exzisionen benigner Läsionen oder Ductus­exzisionen, Operationen nicht-invasiver Mammakarzinome in situ (Ausnahme: hochgradige duktale Carcinoma in situ), diskordante Biopsien mit wahrscheinlich beniger Ursache, Brustrekonstruktionen und prophylaktische chirurgische Eingriffe bei asymptomatischen Hochrisikopatientinnen.

Bestrahlung

Prof. Loibl zufolge sollte eine laufende Strahlentherapie fortgesetzt werden. Als weitere Indikationen nannte sie das palliative Setting bei blutenden oder schmerzhaften in­operablen Tumormassen der Brust, wenn Medikamente die Beschwerden nicht lindern können. Auch eine akute spinale Kompression oder symptomatische Hirnmetastasen sowie die postoperative adjuvante Therapie von Hochrisikopatientinnen erfolgt wie gewohnt. Bei älteren Frauen mit einem Niedrig-Risiko-Karzinom oder bei Carcinoma in situ kann man die Radiatio am ehesten verschieben.

Studien weiterführen oder stoppen?

Prof. Loibl forderte, Studienaktivitäten nicht bedenkenlos auszusetzen. Sie sprach sich dafür aus, Untersuchungen mit rein akademischen Fragestellungen und häufigen Visiten zu pausieren und darauf zu achten, dass durch die COVID-19-bedingten Maßnahmen nicht die Integrität großer Studien beeinträchtigt und die Sicherheit von Patienten bedroht wird. Am Ende zähle eine achtsame Anpassung der Studienaktivitäten.

Chemo- und Immuntherapie

Grundsätzlich plädiert die Referentin dafür, orale Therapeutika zu bevorzugen, um Patientinnen möglichst selten ins Krankenhaus zu holen. Eine hohe Priorität für die Weiterführung hat die (neo-)adjuvante Therapie eines triple­negativen bzw. HER2+ Mammakarzinoms. Bei Patientinnen mit niedrigem genetischem Risiko, Präferenz einer alleinigen endokrinen Therapie oder post­menopausalen Frauen mit Stadium-I- bzw. niedrigem bis mittelgroßen Tumoren oder lobulären Karzinomen kann eine endokrine Therapie neoadjuvant begonnen werden, bis die Operation durchgeführt werden kann. Eine laufende Therapie mit Tras­tuzumab dürfen Kollegen laut der ESMO um 6–8 Wochen verzögern, wenn Patientinnen ein hohes Risiko für einen komplizierten Verlauf von COVID-19 aufweisen. Die Expertin nannte weitere Regime­modifikationen im Falle von frühem oder metastasiertem Brustkrebs. So lässt sich eine adjuvante anti-HER2-gerichtete Therapie bei Frauen mit niedrigem Risiko bzw. in höherem Alter und mit kardiovaskulären oder anderen Komorbiditäten auf sechs Monate verkürzen. Bei vielen Chemotherapeutika kann man von einem wöchentlichen auf zwei- oder dreiwöchige Intervalle wechseln. Das gelte aber nicht für das Paclitaxel-Regime, betonte die Kollegin. Eine supportive Behandlung mit Granulozyten-Kolonie-stimulieren­dem Faktor (G-CSF) oder ggf. Antibiotika empfahl sie, um Neutropenien zu reduzieren. Dagegen sollte man Dexamethason auf­grund der damit verbundenen Immunsuppression­ nur begrenzt anwenden. LHRH-Analoga kommen entweder in langwirksamer Form alle drei Monate oder ambulant zum Einsatz. Letzteres präferiert die ESMO bei frühem Brustkrebs. Liegen Metastasen vor, kann eine endokrine Therapie die Gabe von CDK4/6-Inhibitoren verzögern. Die Referentin rät, von Immuntherapien, vor allem PIK3CA- und mTOR-Inhibitoren, aktuell abzusehen.

Quelle:
1. Editorial. Lancet Oncol 2020; 21: 603; DOI: 10.1016/S1470-2045(20)30243-6
ESMO Breast Cancer Virtual Meeting 2020

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Die Überlebensrate wird sich hierzulande wohl um bis zu 10 % verringern. Die Überlebensrate wird sich hierzulande wohl um bis zu 10 % verringern. © Molly Ferguson Art – stock.adobe.com