Wer ist besonders gefährdet?

ASH 2021 Dr. Katharina Arnheim

Inwiefern beeinflussen vorherige Behandlung und Krankheitsstatus den COVID-19-Verlauf? Inwiefern beeinflussen vorherige Behandlung und Krankheitsstatus den COVID-19-Verlauf? © iStock/michal-rojek

Die COVID-19-Pandemie gefährdet Personen mit hämatologischen Neoplasien in besonderem Maße. Mehrere Studien zeigen auf, welche Patienten ein stark erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben. Eine Impfung ist in diesen Kollektiven besonders wichtig, neuen Daten zufolge aber nicht immer effektiv.

Patienten mit hämatologischen Neoplasien haben wegen der intensiven immunsuppressiven Behandlung und ihrer das Immunsystem schwächenden Malignome ein ausgesprochen hohes Infektionsrisiko, erinnerte Dr. Lisa K. Hicks vom St. Michael’s Hospital und der Universität von Toronto. Die COVID-19-Pandemie warf daher u.a. folgende Fragen auf: Kann die Tumortherapie weiter sicher durchgeführt werden? Und inwiefern beeinflussen vorherige Behandlung und Krankheitsstatus den COVID-19-Verlauf? Die von Dr. Hicks vorgestellte Auswertung der zwischen April 2020 und Juli 2021 erhobenen Daten des ASH Research Collaborative (RC) COVID-19 Registers (s. Kasten) zielte darauf ab, die Auswirkungen von acht Variablen zu ermitteln.1

COVID-19-Register online

Das ASH Research Collaborative COVID-19 Register wurde initiiert, um Klinikern und Wissenschaftlern aktuelle Daten in nahezu Echtzeit zu Patienten mit COVID-19 und hämatologischen Erkrankungen zur Verfügung zu stellen. Infos hier.

Mit 1029 gleichzeitig an hämatologischen Neoplasien und COVID-19 erkrankten Personen handelt es sich der Referentin zufolge um eine der größten Datensammlungen in diesem Bereich. Die Sterblichkeit in der Gesamtkohorte betrug 17 %. Sie ist damit höher als in der US-Allgemeinbevölkerung, die zu verschiedenen Zeitpunkten während der Pandemie zwischen 1,6 % und 6,2 % lag. In der univariablen Analyse war u.a. ein höheres Alter, das männliche Geschlecht, die Art der Neopla­sie, eine Tumortherapie im Vorjahr, eine geschätzte Lebenserwartung von maximal sechs Monaten vor der SARS-CoV-2-Infektion sowie der Verzicht auf eine Intensivbehandlung zugunsten einer Palliation mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert. In der Multivarianzanalyse erwiesen sich diesbezüglich nur noch vier Variablen als signifikant. Diese umfassten:
  • Alter von mindestens 60 Jahren (OR 1,99)
  • männliches Geschlecht (OR 1,70)
  • Lebenserwartung vor COVID-19 von weniger als sechs Monaten (OR 5,76)
  • verzögerte Aufnahme auf die Intensivstation (OR 10,76)
Dagegen waren Patienten unter antitumoraler Behandlung und solche mit aktiver hämatologischer Erkrankung nicht stärker gefährdet als Personen in Remission.

Einweisung auf Intensivstation nicht hinauszögern

Eine weitere Auswertung des ASH RC COVID-19 Registers betrifft Patienten mit akuten Leukämien und myelodysplastischen Syndromen (MDS).2 Wie Prof. Dr. Pinkal Desai vom Wells Cornell Medical College in New York erläuterte, handelt es sich hierbei meist um Betroffene in höherem Alter und mit tumor- oder therapiebedingten Zytopenien – also um Charakteristika, die bereits in der Allgemeinbevölkerung mit einem schwereren Verlauf und höherer COVID-19-bedingter Mortalität einhergehen. Die Analyse umfasste 257 Personen mit akuter lymphatischer Leukämie (32 %), akuter myeloischer Leukämie (53 %) oder myelodysplastischen Syndromen (16 %) und gleichzeitiger COVID-19-Erkrankung, von denen etwa die Hälfte über 60 Jahre alt war. Rund drei Viertel wiesen schwere Komorbiditäten auf; knapp die Hälfte befand sich in Remission. In der Multivarianzanalyse zeigten sich eine Neutropenie zum Diagnosezeitpunkt und eine aktive Erkrankung unabhängig und signifikant mit einem schweren COVID-19-Verlauf assoziiert, berichtete Prof. Desai. Zwei Drittel der Teilnehmer mit aktiver Neoplasie, aber nur 33 % derjenigen in Remission wurden intensivpflichtig. Patienten mit aktiver Erkrankung hatten allerdings kein höheres Mortalitätsrisiko als diejenigen in Remission. Bei älteren Personen, Männern, Rauchern und Betroffenen mit aktiver Erkrankung oder einer Lebenserwartung von weniger als sechs Monaten wurde häufiger auf eine Verlegung auf die Intensivstation verzichtet. Dieses Vorgehen resultierte jedoch in einer höheren Mortalität. Auch eine Neutropenie ging mit einer erhöhten Sterblichkeit einher. In der Gesamtkohorte belief sich die Mortalität auf 21 %, die COVID-19-bedingte Hospitalisierungsrate auf 60 %. Die nicht stationär aufgenommenen Patienten wiesen mit 1 % eine niedrige Sterblichkeit auf. Unter den hospitalisierten bzw. intensivpflichtigen Betroffenen dagegen stieg sie dramatisch auf 34 % bzw. 68 %. Prof. Desai plädierte dafür, hospitalisierte Leukämie- und MDS-Patienten unabhängig von ihrem Krankheitsstatus adäquat und ggf. auch auf der Intensivstation zu behandeln, um so die Prognose zu verbessern.

Impferfolge abhängig von Therapie und Krankheitstyp

Professor Dr. Susanne Saussele vom Universitätsklinikum Mannheim berichtete in ihrem Vortrag von Serokonversionen nach Vakzinierung von Personen mit myeloiden Erkrankungen.3 Untersuchungen weisen darauf hin, dass Patienten mit lymphatischen Neoplasien oder solche unter Rituximab-Therapie nach einer Impfung gegen SARS-CoV-2 niedrigere Antikörpertiter aufweisen als Gesunde, so die Referentin. Ihre Arbeitsgruppe untersuchte jetzt im Rahmen einer von Juli bis Oktober 2021 laufenden monozen­trischen Beobachtungsstudie, wie sich dies bei Betroffenen mit myeloiden Erkrankungen verhält. Dafür wurden zum einen die Antikörpertiter gegen die Rezeptorbindungsdomäne des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 mindestens zwei Wochen nach der zweiten Impfung sowie die Antikörper gegen das Nucleocapsid-Antigen gemessen. Als positiv werteten die Forscher eine Konzentration von mindestens 0,8 U/ml. Die Untersuchung umfasste insgesamt 373 Teilnehmer im mittleren Alter von 64 Jahren, die überwiegend (77 %) die Vakzine BNT162b2 erhalten hatten. In der Gesamtkohorte entwickelten 15 % der Patienten keine ausreichenden Antikörper gegen das Virus. Bei den übrigen 317 Personen detektierten die Wissenschaftler Titer von im Schnitt 197 U/ml. Bei 41 Teilnehmern lag der Titer zwischen 0,8 U/ml und 50 U/ml, bei 48 zwischen 50 U/ml und 250 U/ml und bei 228 Betroffenen über 250 U/ml. Insbesondere Erkrankte mit indolenten und aggressiven Lymphomen wiesen eine negative Antikörperreaktion auf. „Aber auch bei einer beträchtlichen Zahl an Patienten mit MDS, myeloproliferativen Neoplasien und Multiplem Myelom war keine Serokonversion festzustellen“, berichtete Prof. Saussele. Dagegen entwickelten Personen mit chronischer myeloischer Leukämie mit nur einer Ausnahme generell ausreichende Titer. Auch die Therapie beeinflusste den Impferfolg: So fiel die Antikörperreaktion bei
  • fünf von sechs Teilnehmern unter Ruxolitinib,
  • sieben von acht Betroffenen unter Ibrutinib oder Acalabrutinib und
  • fünf von acht mit Rituximab behandelten Patienten
negativ aus. Auch fünf von acht Personen mit aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen unter aktiver Behandlung erreichten keine Serokonversion. Bei den MDS-Erkrankten ließ sich hingegen keine Korrelation zwischen spezifischer Therapie und Impfreaktion feststellen. Die Studie soll fortgesetzt werden, um die Antikörpertiter im Verlauf weiter zu verfolgen sowie Durchbruchinfektionen und das Ansprechen auf die Booster-Impfung zu erfassen. 

Quellen:
1. Hicks LK et al. 2021 ASH Annual Meeting; Abstract 3040
2. Desai P et al. 2021 ASH Annual Meeting; Abstract 180
3. Saussele S et al. 2021 ASH Annual Meeting; Abstracts 218
2021 ASH Annual Meeting

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