Chronische Migräne muss nicht chronisch bleiben!

Dr. Barbara Kreutzkamp, Foto: Piotr Marcinski - Fotolia

Chronische Migräne – das bedeutet mindestens die Hälfte des Monats Kopfschmerzen, oft begleitet von Übelkeit und Erbrechen. Mit multimodaler Therapie stehen die Chancen auf Linderung aber gut.

Kopfschmerzattacken, Überempfindlichkeit gegenüber visuellen, taktilen und/oder olfaktorischen Stimuli, Übelkeit und Erbrechen sind typische Kennzeichen einer Migräne.


Mindestens 15 Kopfschmerztage im Monat – acht davon mit voll ausgeprägter Migräne – und das Ganze seit mindestens drei Monaten: Das sind die Kennzeichen der Diagnose „chronische Migräne“. Etwa 2 % der Bevölkerung weltweit leiden an dieser stark beeinträchtigenden neurologischen Erkrankung, die vor allem Frauen im Alter zwischen 18 und 49 Jahren trifft.

Red Flags: Hinweise auf 
sekundäre Kopfschmerzen

  • Abnorme Befunde in der neurologischen Untersuchung

  • Fokale neurologische Symptome, die sich nicht mit einer typischen Migräneaura in Einklang bringen lassen

  • Systemische Symptome wie Fieber, Gewichtsverlust, Schüttelfrost

  • Rasche Zunahme der Attackenfrequenz

  • Maximale Kopfschmerzintensität innerhalb von weniger als einer Minute

  • Verschlechterung der Kopfschmerzen bei körperlicher Betätigung oder Orthostase

  • Neu auftretende Kopfschmerzen

  • Vorliegen von Risikofaktoren für sekundäre Kopfschmerzen wie z.B. Krebs oder Hyperkoagulation

  • Missbrauch von Kopfschmerzmitteln

Die chronische Migräne entwickelt sich langsam über Monate bis Jahre aus einer akuten Migräne. Zu den zahlreichen Risikofaktoren für diese Transformation zählen Übergewicht, Schlafstörungen, andere Schmerzsyndrome, psychiatrische Krankheiten, weibliches Geschlecht, niedriger Sozialstatus, Koffeinabusus und nicht zuletzt der übermäßige Gebrauch von Migränemedikamenten.


Er zeichnet bei etwa der Hälfte aller Patienten in Spezialambulanzen für die chronische Migräne verantwortlich, schreibt Dr. Todd Schwedt von der Neurologie der Mayo Clinic in Phoenix.

An Missbrauch von Schmerzmitteln denken!

Das Leiden ist allerdings nicht chronisch im Sinne der Krankheitspersistenz, vielmehr gilt der Zustand als „fluide“. Bei rund einem Viertel der Patienten sinkt die Frequenz der Episoden auf weniger als zehn im Monat, bei manchen wechseln die Häufigkeitsmuster hin und her. Begünstigt wird die Rever­sion durch regelmäßige Einnahme von Prophylaktika (s.u.), Entzug von missbräuchlich eingenommenen Schmerzmitteln und durch körperliche Betätigung.


Die Diagnosestellung erfolgt klinisch anhand von Symptomatik und Anamnese, bei der u.a. Qualität und Dauer der Kopfschmerzen, Lokalisation und Begleitumstände sowie die Häufigkeit der Attacken erfragt werden. Die körperliche und neurologische Untersuchung dient vor allem dem Ausschluss von sekundä­ren Kopfschmerzen.

Für die Diagnose braucht man nicht viel Technik

Der Verdacht auf einen sekundä­ren Kopfschmerz sollte sich bei bestimmten Alarmzeichen aufdrängen (s. Kasten). In den meisten Fällen mit typischer Symptomatik und normalem körperlichem Befund sind weitere diagnostische Tests nicht notwendig.


Der Migränekopfschmerz dauert pro Attacke charakteristischerweise länger als vier Stunden. Kopfschmerzen mit kürzerer Dauer finden sich z.B. beim Clusterkopfschmerz, primär schlafgebundenem oder primär stechendem Kopfschmerz.


Länger als vier Stunden dauernde Kopfschmerzen kommen auch beim chronischen Spannungskopfschmerz, der Hemicrania continua und täglich neu eintretenden Kopfschmerzen vor. Diese Erkrankungen lassen sich aufgrund der Lokalisa­tion, des zeitlichen Auftretens und des Fehlens von Begleitsymptomen aber meist gut von einer Migräne unterscheiden.

Trigger vermeiden, medikamentös vorbeugen

Durch Gewichtsreduktion, körperliche Aktivitäten, Entzug von Schmerzmitteln und Koffein, Verzicht auf Alkohol, Vermeiden von Distress und ausreichend Schlaf minimiert man migränetriggernde Faktoren.


Für die medikamentöse Attackenprophylaxe sind vor allem Topiramat und Botulinumtoxin A gut untersucht. Bei Unverträglichkeiten oder nicht ausreichender Wirksamkeit stehen Alternativen zur Verfügung (Infokasten links), die sich ggf. auch kombinieren lassen. Die volle Wirksamkeit der Substanzen wird aber meist erst nach sechs bis acht Wochen erreicht. Auch können die Prophylaktika eine Migräne nicht heilen.


Als nicht medikamentöse Maßnahmen kommen u.a. Entspannungstechniken, Biofeedback-Verfahren, kognitive Verhaltenstherapie, Akupunktur oder sportliche Aktivitäten infrage. Die Auswahl erfolgt nach den individuellen Gegebenheiten bzw. den Präferenzen des Patienten.

Medikamentöse Prophylaxe bei chronischer Migräne

  • Hohe Evidenz: Topiramat, Botulinumtoxin A

  • Mäßige Evidenz: Natriumvalproat, Gabapentin, Tizanidin, Amitriptylin

  • Schlechte Evidenz: Atenolol, Memantin, Pregabalin, Zonisamid

 

Todd J. Schwedt, BMJ 2014, 348 doi: dx.doi.org/10.1136/bmj.g1416

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