Chronischer Durchfall – wann ist es ein Reizdarmsyndrom?

Dr. Barbara Kreutzkamp, Foto: thinkstock

Weiche Stühle und Bauchschmerzen: Hat Ihr Patient ein Reizdarmsyndrom? Die Diagnosestellung erfolgt klinisch, die Therapie symptomorientiert, multimodal und empirisch.

Die Durchfälle treten intermittierend – oftmals nur tagsüber – auf, sind weich bis wässrig und nicht blutig und bessern sich bei Nahrungskarenz. Das sind die typischen Symptome funktioneller gastrointestinaler Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom (RDS), der häufigsten Ursache chronischer Diarrhöen bei Patienten in der haus-ärztlichen Praxis.


Pathogenetisch wirken viele Faktoren zusammen: zum einen nervale Faktoren wie viszerale Hypersensitivität und eine gesteigerte gastrointestinale Motilität, Dysfunktionen des autonomen Nervensystems, sowie psychiatrisch-psychologische Faktoren wie Depressionen, Angststörungen und in besonderem Maße Stress.


Bei anderen Patienten steht eher eine Dysfunktion des mukosalen Immunsystems mit einer persistierenden minimalen Entzündung der Darmschleimhaut im Vordergrund. Darüber hinaus berichten viele Patienten über eine Symptomverschlechterung nach Verzehr bestimmter Nahrungsmittel, insbesondere von Milch- und Weizenprodukten sowie fruktosehaltigen Lebensmitteln. IgE-vermittelte Allergien kommen allerdings selten vor.

Bei organischen Ursachen meist kontinuierliche Diarrhö

Die Diagnose Reizdarmsyndrom lässt sich in der Regel mit guter Sicherheit anhand klinischer Kriterien stellen. Neben dem hier besprochenen diarrhödominierten RDS gibt es das obstipationsbasierte RDS sowie Mischbilder. Leitsymptom sind Bauchschmerzen (dumpf – krampfartig – brennend), verbunden mit Stuhlunregelmäßigkeiten. Die Diarrhö-Symptomatik besteht meist nur tagsüber bzw. postprandial, die Bauchschmerzen können dagegen auch nachts auftreten.


Entsprechend den Rom-III-Kriterien liegt ein RDS vor, wenn in den letzten drei Monaten an mindestens drei Tagen pro Monat Bauchschmerzen sowie mindestens zwei der folgenden drei Symptome vorlagen:

  • Besserung mit/nach Defäkation,

  • Beginn der Episode mit veränderter Stuhlfrequenz oder

  • Beginn der Episode, verbunden mit Änderung der Stuhlform.


Der Beginn der Beschwerden sollte mindestens sechs Monate zurückliegen.

Erhöhtes Calprotectin legt entzündliche Genese nahe

Differenzialdiagnostisch ist u.a. zu denken an Zölia­kie, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Gallesäureverlustsyndrom, exokrine Pankreasinsuffizienz oder Medikamentennebenwirkungen. Bei den organischen Ursachen liegt allerdings meist eine kontinuierliche Diarrhö vor, was eine erste differenzialdiagnostische Orientierung ermöglicht.


Sicherheitshalber empfiehlt sich eine Stuhlanalyse auf Protozoen und Helminthen. Die Blutuntersuchung umfasst Blutbild, CRP, TSH und Ferritin. Bei Verdacht auf Zöliakie bietet sich zusätzlich die Bestimmung der Transglutaminase-IgA-Antikörper an, bei Verdacht auf Laktoseintoleranz steht der H2-Atemtest zur Verfügung.


Ein erhöhter Calprotectin-Wert im Stuhl (> 50 µg/g) spricht für eine entzündliche Genese. In diesem Fall sowie insgesamt bei Verdacht auf eine organische Erkrankung und bei Vorliegen von Warnzeichen wie Anämie, Gewichtsverlust und okkultem Blutverlust kommen Endoskopie und/oder die abdominelle Bildgebung zum Einsatz.

Gebündelte Kompetenzen in einem Betreuernetzwerk

Entsprechend der individuellen Symptomatik bietet sich eine multimodale Behandlung mit diätetischen, medikamentösen, psychotherapeutischen sowie komplementärmedizinischen Ansätzen an (s. Kasten).


Wichtige Basis für den Erfolg der oftmals langwierigen Therapie ist eine sehr gute Arzt-Patienten-Beziehung mit geduldiger Aufklärung über die zugrunde liegenden Mechanismen, insbesondere den Einfluss von Stress und Belastungssituationen. Patienten mit ausgeprägtem Reizdarmsyndrom benötigen ein kompetentes Betreuernetz – an dem neben dem Hausarzt auch Gastroenterologen, Ernährungsberater und Psychiater/Psychologen beteiligt sein sollten.

Symptomorientierte medikamentöse Therapie und Optionen

  • Bei Bauchschmerzen: Spasmolytika (z.B. Mebeverin, Butylscopolamin), 
 trizyklische Antidepressiva oder selektive Serotoninwiederaufnahme-Hemmer (SSRI) als Schmerzmodulatoren bzw. Therapeutika bei psychischen Komorbiditäten

  • Bei Diarrhö: Loperamid, Probiotika, 
Rifaximin

  • Diät: Bei Intoleranz Reduktion von 
Laktose, Fruktose und Gluten

  • Psychotherapie: Ergänzung zu schmerzmodulierenden Psychopharmaka 
oder bei stressabhängigen Diarrhöen

  • Alternative Therapien: Hypnose, 
Akupunktur, Entspannungstechniken wie beispielsweise Yoga oder auto-genes Training


Quelle: N. Schaub et al., Therapeutische Umschau 2014; 71: 551-558

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