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COVID-19 beim Hausarzt
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Welche Diagnostik veranlassen Sie bei einem Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion?
Dr. Wittmann: Im akuten Infekt führen wir neben der körperlichen Untersuchung nur eine Pulsoxymetrie als Basisdiagnostik durch. Bei unklarer Diagnose und/oder Hinweisen auf eine bakterielle Pneumonie schließt sich ein Rö-Thorax an. Klagen Patienten nach Ende der akuten Erkrankung noch über Luftnot oder Thoraxschmerzen, führen wir Lungenfunktionstest, EKG und Laborbestimmungen – bei starken Beschwerden einschließlich D-Dimere – durch.
Welche symptomatischen Therapien setzen Sie ein?
Zunächst erfolgt eine Beratung zum Aktivitäts- und Energiemanagement. Bei diesem Pacing sollte man die Patienten auf keinen Fall an die Belastungsgrenze bringen. Ansonsten empfehlen wir Ibuprofen gegen Schmerzen, medizinische Mundspülungen zum Gurgeln, antivirale Nasensprays, z.B. mit Stickstoffmonoxid oder Rotalgen, abschwellende Nasentropfen und Vitamin C plus Zink. Hustenstiller zeigen leider oft wenig Wirkung.
Wie beurteilen Sie den Einsatz von Budesonid-Spray und Fluvoxamin?
Budesonid verwenden wir bei Patienten mit vorbekanntem saisonalem Asthma, die kein steroidhaltiges Präparat als Dauertherapie haben oder von denen wir wissen, dass sie bei Infekten leicht exazerbieren. Außerdem geben wir es, wenn steroidnaive Patienten bei guter Sauerstoffsättigung über Luftnot oder erschwerte Atmung klagen. Fluvoxamin haben wir bisher nur sehr vereinzelt verordnet, da der Nutzen doch unklar ist.
Wann geben Sie Virustatika und welche?
In unserer Praxis setzen wir regelmäßig Molnupiravir und Nirmatrelvir/Ritonavir ein. Bei Ersterem sind keine Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu erwarten und es kann auch bei eingeschränkter Nieren- und Leberfunktion ohne Dosisanpassung gegeben werden. Es gilt aber nur als Mittel der zweiten Wahl. Falls möglich, verwenden wir deswegen Nirmatrelvir/Ritonavir als Mittel der ersten Wahl. Hierunter müssen wir allerdings auf die Nierenfunktion und Interaktionen, zum Beispiel mit Antikoagulanzien und Statinen, achten.
In Betracht kommen die Substanzen für Risikopatienten, d.h. vor allem Menschen in hohem Alter und mit mehreren Risikofaktoren wie Adipositas, Diabetes, Immundefizienz oder -suppression, chronischer Niereninsuffizienz, Krebs sowie Herz- und Lungenerkrankungen. Wir erwägen die Therapien zudem für Patienten ohne vollständigen Impfschutz, mit unzureichendem Impfansprechen oder solche, die trotz vollständiger Immunisierung ein erhöhtes Risiko haben. Im Zweifelsfall entscheiden wir uns in der Regel eher dafür, eines der Präparate zu verordnen, als dagegen.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Substanzen?
Molnupiravir verschreiben wir häufig, es wird gut angenommen und wirkt auch gut. Bei Nirmatrelvir/Ritonavir ist das Einnahmeschema mit zwei verschiedenen Tabletten für alte Patienten manchmal zu komplex. Ansonsten erzielen wir damit meist gute Ergebnisse, verhindern z.B. in der Regel eine Krankenhauseinweisung. Die Therapien laufen jeweils über fünf Tage. Remdesivir verwenden wir nicht.
Sehen Sie einen Nutzen für die Gabe von Vitamin D?
Bei nachgewiesenem Vitamin-D-Mangel absolut, aber nicht in der Therapie von COVID-19 per se, wenn der Vitamin-D-Spiegel im Normbereich liegt.
Wie sehen die Kontrollen von COVID-Patienten in der Praxis aus?
Die meisten Kontrollen erfolgen, falls Bedarf besteht, telefonisch. Hausbesuche machen wir im Einzelfall bei schwer betroffenen, aber nicht krankenhauspflichtigen Patienten. Manchen von ihnen geben wir Pulsoxymeter mit nach Hause, damit sie ihre Sauerstoffsättigung überwachen können. Bei Verschlechterung sind sie dazu angehalten, sich selbstständig bei uns zu melden.
Wie behandeln Sie Patienten mit Long COVID?
Die Symptome variieren sehr stark, generell können wir sagen: „Sie wollen, aber sie können nicht!“ Für alle gleichermaßen hat das Pacing große Bedeutung. Beim posturalen Tachykardiesyndrom mit orthostatischer Dysregulation (POTS) heißt es: ausreichend trinken und genügend Salz zuführen, langsam aufstehen, Stützstrümpfe tragen, viele kleine Mahlzeiten zu sich nehmen und auf Kaffee/Alkohol verzichten. Off label kann man Ivabradin einsetzen.
Beim Mastzellaktivierungssyndrom kommen Desloratadin/Famotidin, Ketotifen, Vitamin C, Zink, Quercetin, histaminarme Diät und Chromoglicinsäure infrage. Für Fatigue und Belastungsintoleranz oder Brainfog gibt es keine zugelassenen Medikamente, wichtig ist die sorgfältige Diagnosestellung. Neben dem Pacing sind off label Naltrexon oder Aripiprazol, jeweils low dose, eine Option.
Interview: Dr. Anja Braunwarth
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