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Dank Redifferenzierung sprechen sie wieder auf eine Radiojodtherapie an

Für die Primärtherapie des differenzierten Schilddrüsenkarzinoms gilt es, möglichst eine R0-Resektion zu erreichen. Bei einem Mikrokarzinom < 1 cm sei eine Hemithyreoidektomie ausreichend und es bräuchte keine Radiojodtherapie, schilderte Prof. Dr. Christine Dierks, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Ab einer Tumorgröße von einem Zentimeter wird die komplette Schilddrüse entfernt, außerdem erfolgen eine Neck-Dissection und Radio-
jodtherapie. „Der TSH-Wert dieser Patient:innen muss streng eingestellt werden“, konstatierte die Kollegin – mit dem Ziel von < 0,1 mU/l über mehrere Jahre.
Sprechen die Betroffenen nicht mehr auf eine Radiojodtherapie an, erhalten sie zunächst Multikinase-inhibitoren. Zur Verfügung stehen Lenvatinib, Sorafenib und Sunitinib. Der häufigste Mechanismus, der zur Resistenz gegenüber Sorafenib führt, ist eine aberrante Aktivierung von FGFR1–4. Da sich Lenvatinib auch gegen FGFR1–4 richtet, kann dieses nach Sorafenib-Vortherapie noch wirken. „Sorafenib wirkt so gut wie nie nach Lenvatinib, aber andersrum wirkt Lenvatinib eigentlich immer nach Sorafenib“, erläuterte Prof. Dierks.
Ein Direktvergleich der Substanzen fehle bisher, ergänzte die Expertin. Lege man die Daten aus den jeweiligen Zulassungsstudien SELECT und DECISION nebeneinander, so werde deutlich, dass mit 63,2 % vs. 12,2 % mehr Patient:innen unter Lenvatinib eine partielle Remission erzielen als unter Sorafenib. Das mediane PFS ist unter Lenvatinib mit 19,4 Monaten ebenfalls deutlich länger (Sorafenib: 10,8 Monate).
Nebenwirkungen bei Schilddrüsentherapien
Beide Therapien seien nicht nebenwirkungsarm: Unter Lenvatinib kommt es häufig zur Hypertonie, die man laut der Referentin meistens gut einstellen kann. Auch treten eventuell Proteinurie, Appetitverlust, Gewichtsabnahme, Hypothyreose und Wundheilungsstörungen auf. Sorafenib hingegen führe zu Hauttoxizitäten, Hand-Fuß-Syndrom, Bluthochdruck, Übelkeit, Durchfall und Appetitverlust. Ältere Patient:innen vertragen die Substanz allerdings besser als Lenvatinib, weshalb Sorafenib bei Erkrankten > 80 Jahre, in der Gruppe mit einem BMI < 18 und bei Personen mit schwer einstellbarem Blutdruck bevorzugt zum Einsatz kommt.
Sonderfall anaplastische Tumoren
Anaplastische Tumoren machen zwar nur 1–3 % aller Schilddrüsenkarzinome aus, sie sind aber für die Hälfte der Todesfälle verantwortlich. Auch hier lohne eine Sequenzierung, denn ein Viertel der Tumoren weist adressierbare Mutationen auf, so Prof. Dierks. Die restlichen 75 % ohne entsprechende Alterationen haben eine ausgeprägte Neoangiogenese, häufig eine hohe Tumormutationslast und eine hohe PD-L1-Expression. In der Phase-2-Studie ATLEP wird die Kombination aus Lenvatinib und Pembrolizumab geprüft. Die ORR betrug 68,5 %. In den NCCN-Guidelines empfehlen die Autor:innen Lenvatinib + Pembrolizumab schon ab der ersten Linie des anaplastischen Schilddrüsenkarzinoms.
Die Zweitlinie bilden dann spezifische Inhibitoren. Vor allem die papillären Schilddrüsenkarzinome weisen adressierbare Alterationen wie BRAF-Mutationen (50 %), RET/PTC-Fusionen (10–20 %) und NTRK1/3-Rearrangements (10 %) auf. „Hier gibt es spezifische Inhibitoren, die wir einsetzen können“, erläuterte die Onkologin. In einer Phase-2-Studie erzielten Patient:innen mit BRAF-Mutation unter dem BRAF-Inhibitor Vemurafenib zu 35 % ein partielles Ansprechen. Das mediane PFS betrug 15,6 Monate. Die Substanz ist nicht zugelassen, aber meist nach Kassenanfrage erhältlich.
RET-Fusionen können mit Selpercatinib adressiert werden, NTRK-Fusionen mit Larotrectinib. Allerdings reicht die NTRK-Inhibition für Erkrankte mit anaplastischen Schilddrüsenkarzinomen und NTRK-Fusion nicht aus. „Hier muss man weitere Therapien dazugeben“, so Prof. Dierks. Medulläre Schilddrüsenkarzinome weisen ebenfalls häufig RET-Mutationen auf. In der Studie LIBRETTO-531 hat sich Selpercatinib bei dieser Indikation gegenüber Vandetanib/Cabozantinib als wirksamer erwiesen.
Die Redifferenzierungstherapie bei radiojodrefraktären Schilddrüsenkarzinomen ist ein relativ neuer Ansatz. Das Ziel: den Jodsymporter wieder zu exprimieren. Erstmals wurde das bei Personen mit BRAF-mutierten Tumoren beobachtet, die einen BRAF-Hemmer (+/- MEK-Inhibitor) erhielten. Nach der Redifferenzierung profitierten die Betroffenen dann wieder von der Radiojodtherapie. Prof. Dierks ordnete ein: „Ca. 30–40 % der Patient:innen mit BRAF-Mutation können redifferenzieren.“ Personen mit RAS-mutierten Tumoren, klassischerweise die follikulären Schilddrüsenkarzinome, ziehen diesbezüglich einen Nutzen aus MEK-Inhibitoren. Die Redifferenzierung könne auch später auftreten, weshalb man nach etwa drei Monaten noch einmal testen müsse, mahnte Prof. Dierks.
Quelle:
Dierks C. DGHO-Jahrestagung 2024; Vortrag V251
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