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Das geht unter die Haut

Blasenbildende Arzneimittelreaktionen umfassen epidermale bzw. epitheliale Nekrolysen mit Steven-Johnson-Syndrom (SJS, weniger als 10 % sich ablösende Epidermis) und toxischer epidermaler Nekrolyse (TEN, mehr als 30 % betroffene Haut). Dazu kommen Schleimhautläsionen im Nasen-, bronchialen und analen Bereich, schreibt Prof. Dr. Maja Mockenhaupt vom Dokumentationszentrum schwerer Hautreaktionen an der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie in Freiburg.
Wichtigstes Kriterium für die Therapie ist, den Auslöser richtig zu bestimmen. Eine zeitliche Eingrenzung ermöglicht die Frage nach Prodromi. Allgemeines Unwohlsein, Kopf-, Halsschmerzen und Fieber stellen nicht selten den Beginn der Reaktion dar. Im Abstand von meist 1–3 Tagen folgen fleckige und flache kokardenförmige Erytheme, nicht zu verwechseln mit einem Virusexanthem. Ohne das Wissen um den Indextag läuft man Gefahr, jene Medikamente zu verdächtigen, die die Kinder wegen der Erstsymptome erhalten haben (Fiebersenker, Analgetika, Schleimlöser).
Für die Reaktion verantwortlich sind vor allem Antikonvulsiva (Carbamazepin, Lamotrigin, Phenobarbital) und Sulfonamide (einschließlich Sulfasalazin). Zwischen Zeitpunkt der Einnahme und dem Auftreten der Hautreaktionen liegen im Schnitt 1–4 Wochen. Zur Abklärung vor allem bei schweren Reaktionen empfiehlt die Expertin eine histologische Untersuchung, bei der die charakteristischen nekrotischen Keratinozyten auffallen. Die Angst, eine störende Narbe durch die Biopsie zu hinterlassen, wiege geringer als die Gefahr einer Fehldiagnose (siehe Kasten). Die Letalität einer TEN liegt etwa bei 6 %.
Differenzialdiagnosen bei blasenbildenden Reaktionen
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Erythema exsudativum multiforme majus: typisch sind erhabene Kokarden, immer von der gesunden Haut abgrenzbar, die Läsionen treten extremitätenbetont auf. Im Gegensatz zu SJS und TEN ist das Nikolski-Zeichen negativ. Zu Schleimhauterosionen kommt es dagegen bei beiden Krankheitsbildern.
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generalisierts bullöses fixes Arzneimittelexanthem: Es betrifft meist weniger als 10 % der Haut und ist mit eher schlaffen Blasen verbunden. Der Allgemeinzustand ist in der Regel besser.
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staphylogene toxisch epidermale Nekrolyse (SSSS): Die Spaltbildung ist subkorneal und betrifft weniger tiefer liegende subepidermale Schichten, das Nikolski-Zeichen ist positiv, aber trocken.
Die Beschwerden bei einem DRESS (drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms) können sehr variabel ausfallen. Beispielsweise kommt es zu Rötungen und Ödemen im Gesicht und symmetrisch an Armen und oberem Stamm mit Fieber und starkem Krankheitsgefühl. Im Verlauf breiten sich die Hautläsionen auf den ganzen Körper aus: Mögliche Folgen sind komplette Erythrodermie, Kokarden v.a an den Beinen, urtikariaähnliche Reaktionen mit Juckreiz, Schleimhautläsionen in Mund und Rachen und Lymphknotenschwellungen (zervikal, axillär, inguinal) oder eine exfoliative Dermatitis. Dass diese Anzeichen meist nicht gleichzeitig auftreten, erschwert die Diagnose. Entscheidend ist die Beteiligung innerer Organe, allen voran der Leber, und eine periphere Eosinophilie.
Die nächsten Schritte bei DRESS-Verdacht sind daher ein Differenzialblutbild und Urinstatus sowie die Bestimmung von Leber- und Nierenwerten mehrfach im Verlauf. Eosinophile von mehr als 1,5 x 109 l wirken direkt toxisch auf die inneren Organsysteme. Bei der Diagnose hilft der DRESS-Validierungsscore. Allerdings kann die Eosinophilie mit einer Verzögerung von ein bis zwei Wochen auftreten.
Ein vollständiges Leberversagen ist oft noch Wochen nach Stopp des auslösenden Agens möglich. Die Nierenbeteiligung äußert sich als Hämaturie, im Labor mit steigenden Retentionswerten und klinisch bis hin zu einem akuten Nierenversagen. Das Herz ist seltener betroffen, vielleicht wird die Schädigung allerdings auch häufiger wegen der unspezifischen Symptome (Tachykardie, Hypotonie, Schmerzen) verkannt.
Die Dermatologin rät daher, aktiv nach kardialen Veränderungen zu suchen: mit Blutdruck- und Frequenzkontrollen, eventuell auch in der Bildgebung (MRT oder Herzecho) und der Messung des NT-proBNP. Die hämatologischen Veränderungen hinken häufig nach und treten erst auf, wenn sich die Leberwerte schon wieder normalisiert haben.
Häufig sind auch beim DRESS Antikonvulsiva (Carbamazepin, Oxcarbazepin, Lamotrigin, Phenobarbital) und Sulfasalazin, dazu verschiedene Antibiotika (Dapson, Vancomycin, Minocyclin) für die Reaktion verantwortlich. Die Letalität ist in der Literatur mit 2 % angegeben. Tückisch ist die meist lange Latenz von bis zu zwölf Wochen zwischen Einnahme- und Symptombeginn. Differenzialdiagnosen umfassen:
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alle makulopapulösen Exantheme, gelegentlich sogar mit erhöhten Leberwerten, aber ohne Beteiligung anderer innerer Organe
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ein Kawasaki-Syndrom
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bei COVID-19 ein Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome
Bei der Therapie beider Krankheitsbilder gilt an erster Stelle: so bald wie möglich den verantwortlichen Wirkstoff absetzen. Die therapeutischen Maßnahmen, sowie Optionen bei möglichen Komplikationen sind in der Tabelle zusammenfegasst.
Maßnahmen bei TEN und DRESS | ||||
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allgemein | lokal | systemisch | Hilfe bei möglichen Komplikationen | |
TEN |
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DRESS | bei Vorliegen einer exfoliativen Dermatitis: s. TEN |
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*GC: Glukokortikoide |
* N-terminal prohormone of brain natriuretic peptide
Quelle: Mockenhaupt M. Monatsschr Kinderheilkd 2023; 171: 439-451; DOI: 10.1007/s00112-023-01753-3
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