Das große Stechen

Dr. Dorothea Ranft

Als Hauptsymptom gilt der Brennschmerz, auch stechende Beschwerden und andere Missempfindungen wie Kribbeln, Wundgefühl und Hautreizungen können auftreten. Als Hauptsymptom gilt der Brennschmerz, auch stechende Beschwerden und andere Missempfindungen wie Kribbeln, Wundgefühl und Hautreizungen können auftreten. © shidlovski-stock.adobe.com

Obwohl eine Vulvodynie die Lebensqualität deutlich sinken lassen, wird sie oft erst nach Jahren erkannt. Was sollte einen aufhorchen lassen und welche Lösungen kann man den Patientinnen anbieten?

Das Kennzeichen der Vulvodynie ist ein chronischer Genitalschmerz ohne klar identifizierbare Ursache, der über mindestens drei Monate anhält. Ätiologisch geht man derzeit von einer Störung der sensorischen Signalverarbeitung im peripheren und zentralen Nervensystem aus, ähnlich wie bei Fibromyalgie und Colon irritabile.

Zu den Faktoren, die eine Vulvodynie auslösen oder die Persistenz begünstigen, gehören Dysfunktionen der Beckenbodenmuskulatur und psychosexuelle Störungen. Vermehrt gefährdet sind z.B. Frauen, die in der Kindheit sexuellem Missbrauch oder körperlicher Misshandlung ausgesetzt waren.

Bei der klinischen Untersuchung lässt sich meist ein auslösendes physisches (Infektion, Dermatose, Operation im Beckenbereich etc.) oder psychisches Ereignis feststellen. Sexueller Kontakt (Penetration oder Berührungen) kann die Schmerzen provozieren. Manche Frauen haben bereits ab dem ersten Geschlechtsverkehr Schmerzen, andere entwickeln die Vulvodynie erst später (nach zuvor unbeeinträchtigtem Sex). Es reichen aber auch nicht sexuelle Reize durch Tampons, enge Kleidung oder eine gynäkologische Untersuchung, schreiben die Leitlinienautoren um W. van der Meijden Betsi Cadwaladr University Health Board in Bangor.

Von der provozierten Vulvodynie wird eine ohne Berührung auftretende Störung unterschieden. Möglich ist auch eine Mischform, bei der der Spontanschmerz z.B. durch Geschlechtsverkehr verstärkt wird.

Als Hauptsymptom gilt der Brennschmerz, auch stechende Beschwerden und andere Missempfindungen wie Kribbeln, Wundgefühl und Hautreizungen können auftreten. Ist die gesamte Vulva betroffen, also Klitoris, große und kleine Labien sowie das Vestibulum, spricht man von einer generalisierten Störung. Auch eine Ausbreitung auf Oberschenkel und Perianalregion ist möglich. Die lokalisierte Form manifestiert sich meist am Introitus, insbesondere am hinteren Anteil, und wird deshalb auch Vestibulodynie genannt. Bei einer Klitorodynie, die seltener vorkommt, sind auch die kleinen und großen Labien sowie die Klitoris betroffen.

Der Symptomschweregrad variiert, sowohl im Vergleich verschiedener Frauen als auch bei der einzelnen Patientin von Tag zu Tag. Allerdings haben alle Patientinnen mit einer gestörten Intimität und sexueller Kommunikation zu kämpfen, sie leiden zudem häufig an Angst und Depression. Trotz der quälenden Beschwerden vergehen meist Monate, eventuell sogar Jahre, bis die Vulvodynie erkannt wird.

Bei der Inspektion des Genitales fallen in der Regel keine Veränderungen auf oder nur Läsionen, die die Vulvodynie nicht erklären, z.B. eine Warze. Bei der provozierten Erkrankung genügt bereits leichter Druck, um Schmerzen auszulösen. Die Diagnose basiert weitgehend auf Anamnese, klinischer Untersuchung und dem Ausschluss anderer Erkrankungen mit perinealen Schmerzen (z.B. Pudendusneuralgie und Sphinkterstörungen). Mittels MRT lassen sich komprimierende Prozesse erkennen, auch Nervenblockaden können diagnostisch hilfreich sein.

Die Basis der Therapie bildet eine sorgfältige Aufklärung über die Natur der Vulvodynie. Die Patientin muss wissen, dass ihr Schmerz real ist, nicht etwa eingebildet, und dass es wirksame Therapiemöglichkeiten gibt. Am besten gelingt die Behandlung mit einem mehrdimensionalen Ansatz.

Hautirritationen sollten Frauen mit Vulvodynie tunlichst vermeiden. Die Leitlinienautoren empfehlen, Seifenersatzmittel und emulgierende Externa zu verwenden. Was die Medikation anbetrifft, wirken Lokalanästhetika und Botulinumtoxin langfristig nicht besser als Placebo. Daten zu topischen Antidepressiva (z.B. Amitryptilin 2 %) stehen noch aus und die Anwendung von Capsaicin wird durch die brennenden Sensationen limitiert.

Als systemische Schmerzmodulatoren werden vor allem bei der generalisierten unprovozierten Vulvodynie häufig trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin genutzt, allerdings mit geringer Evidenz und schlechter Verträglichkeit. Der SNRI Milnacipran (50–200 mg/d über 12 Wochen) kann die koitalen Schmerzen lindern. Gabapentin zeigte zumindest eine Besserung der sexuellen Funktion, vor allem der Erregbarkeit.

Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) kann gut in einem multidimensionalen Regime eingesetzt werden. In kleinen Studien hatte auch Akupunktur (allein oder kombiniert mit Lidocain) einen Effekt auf Schmerz und sexuelle Funktion, schreiben die Autoren. Für Laser- und Radiofrequenzbehandlung fehlt bisher die Evidenz.

In der Erstlinie lautet die Empfehlung des Leitliniengremiums: Physiotherapie. Diese soll vor allem die Beckenbodenmuskulatur wiederherstellen. Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) vermag die Schmerzen beim Geschlechtsverkehr ebenso gut zu lindern wie eine Operation und besser als eine rein unterstützende Behandlung. Auch für das Achtsamkeitstraining (allein oder in Kombination mit KVT) wurde eine Besserung der Koitusschmerzen und sexuellen Dysfunktion gezeigt.

Einen wichtigen Beitrag leistet auch ein gesunder Lebensstil (Ernährung, körperliche Aktivität, Nikotinverzicht etc.). Als Ultima Ratio wird bei therapierefraktären Schmerzen die Vestibulektomie eingesetzt. Sie kann die introitale Dyspareunie dauerhaft lindern bei guter Patientenzufriedenheit.

Quelle: van der Meijden WI et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2022; 36: 952-972; DOI: 10.1111/jdv.18102

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