Das Immunsystem auf die Probe gestellt

DGHO 2024 Dr. Miriam Sonnet

Es ist eine schwierige Balance zwischen Immunsuppression und erfolgreicher Behandlung mit CPI. Es ist eine schwierige Balance zwischen Immunsuppression und erfolgreicher Behandlung mit CPI. © Rasi - stock.adobe.com

Schließen sich eine Immuntherapie beim hepatozellulären Karzinom und eine Lebertransplantation aus? Diese Frage ist nicht ganz trivial zu beantworten. Es hängt maßgeblich davon ab, ob die CPI vor oder nach der Transplantation gegeben werden.

Für das hepatozelluläre Karzinom (HCC) sind Atezolizumab/Bevacizumab und Durvalumab/Tremelimumab Standardregime. Die Immuntherapie wirkt dabei über die PD(-L1)-Achse – und genau darüber erkennen T-Zellen auch Spenderorgane. Im Zuge der Organtransplantation wird daher das Immunsystem medikamentös unterdrückt, um eine Abstoßungsreaktion zu verhindern. 

Wie PD Dr. Dr. ­Ursula ­Ehmer, Klinikum rechts der Isar, München, erläuterte, kommen prinzipiell zwei Szenarien infrage: Zum einen Patient:innen mit HCC im Stadium BCLC B (Ex-Milan, Ex-UCSF, Ex-up-to-seven), die auf eine Immuntherapie gut und stabil ansprechen und sich nachfolgend für eine Transplantation eignen. Zum anderen Erkrankte, die bereits eine Lebertransplantation erhalten haben und ein HCC-Rezidiv entwickeln bzw. die an einer anderen Krebsart erkranken, für die eine Immuntherapie infrage kommt.

In einer Metaanalyse von 30 Fallberichten und -serien hatten 91 Betroffene vor der Lebertransplantation eine Immuntherapie erhalten. Bei 24 (26,4 %) kam es zu einer Abstoßung, wobei das Risiko für jüngere Personen höher war. „Allerdings konnte diese in der Mehrzahl der Fälle gut kontrolliert werden“, berichtete Dr. Ehmer. 80 % der Abstoßungen ließen sich medikamentös behandeln und das Überleben von denjenigen mit kontrollierter Abstoßungsreaktion ähnelte dem von Patient:innen ohne. In zwei Studien – ­ImmunoXXL und VITALITy – wird gerade überprüft, ob man nach dem Ansprechen auf eine Immuntherapie sicher transplantieren kann.

Die Kollegin präsentierte eine eigene Registerstudie zur Gabe von CPI vor der Lebertransplantation. Stand September 2024 sind bisher elf Patient:innen aus neun Zentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingeschlossen, die zu 82 % mit Atezolizumab/Bevacizumab behandelt wurden. Dr. Ehmer rief dazu auf, geeignete Erkrankte in das Register einzuschließen. Erfasst werden neben Tumorcharakteristika und Vortherapien die Informationen zur Transplantation, Komplikationen, Immunsuppression nach der Transplantation und zum Verlauf. Bisher erreichte ein relevanter Anteil der Teilnehmenden ein Downstaging. Es kam zu drei Abstoßungen, wovon eine fatal endete. 

Die Bedeutung des Wash-out

Relevant für die Abstoßungsreaktionen schien das Wash-out zu sein, d. h. die Zeit ohne Immuntherapie – im Fall der fatalen Abstoßung betrug es nur 13 Tage. In einer Studie wurde eine Wash-out-Phase von 42 Tagen als sicher definiert. „Wenn wir auf diese Wash-out-Phase achten, dann können wir die Patient:innen relativ sicher transplantieren“, resümierte Dr. Ehmer.

Und wie sieht es mit einer Immuntherapie nach einer Lebertransplantation aus, wenn die Betroffenen beispielsweise ein HCC-Rezidiv entwickeln? Laut S3-Leitlinie „Hepatozelluläres Karzinom und biliäre Karzinome“ kommt für immuntherapienaive HCC-Erkrankte mit erhaltener Leberfunktion und Fernmetastasen oder einer Tumorlokalisation, die lokoregionär nicht kontrolliert oder reseziert werden kann und für die keine zugelassene Therapie mehr zur Verfügung steht, entweder eine Monotherapie mit Nivolumab oder Pembrolizumab oder eine Kombination aus Nivolumab und Ipilimumab infrage.

In Fallberichten wurde über teilweise fulminante Abstoßungsreaktionen berichtet. Häufig handelte es sich um jüngere Personen mit besserem Immunsystem. „Bei älteren Patient:innen mit weniger gutem Immunsystem kann man das vielleicht eher in Betracht ziehen“, meinte die Oberärztin.

Eine Möglichkeit, das Risiko abzuschätzen: man bestimmt den PD-L1-Status in der transplantierten Leber (nicht im Tumor). Einzelnen Studien zufolge ist eine Expression mit einer Abstoßung assoziiert. Auch eine frühere Immuntherapie nach der Transplantation (2,9 Jahre vs. 5,3 Jahre Abstand; p = 0,02) sei möglicherweise relevant. „Inwieweit das prädiktiv ist und ob man darauf die Therapieentscheidung basieren möchte, weiß ich nicht“, so Dr. ­Ehmer. Denn die Datenlage bleibt nach wie vor mau. 

Insgesamt betrage die Abstoßungsrate knapp 30 %, einen Verlust des Organs gebe es in ca. 13 % der Fälle. Ob man den Patient:innen nach Transplantation und Rezidiv tatsächlich eine Immuntherapie geben kann, konnte die Referentin abschließend nicht beantworten. Prinzipiell gelte: nur bei fehlenden Therapiealternativen! „Wenn man nicht mehr weiter weiß, kann man das in Betracht ziehen“, resümierte Dr. Ehmer. Sie würde aber dann den PD-L1-Status im transplantierten Organ bestimmen. Letztendlich müsse man im Einzelfall entscheiden.

Quelle: Ehmer U. DGHO-Jahrestagung 2024; Vortrag V296
 

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