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Den Aufruhr im Gehirn bändigen

Im Zuge einer Parkinsonerkrankung können eine ganze Reihe an psychischen Störungen auftreten. Mitunter gehen die Persönlichkeitsveränderungen den motorischen Zeichen des Syndroms um Jahre voraus, berichtet ein Team um Dr. Daniel Weintraub von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia. In einer Übersichtsarbeit geben die Autoren Tipps zu Diagnose und Therapie der sechs wichtigsten Erkrankungen bei Morbus Parkinson.
Depressionen
Bei Parkinsonpatienten kann eine Depression auch als Prodromalsyndrom auftreten. In vielen Fällen ist zudem mit einer eher leichten Ausprägung zu rechnen, bei der noch nicht die Kriterien für das Vollbild der affektiven Störung erfüllt werden.
Behandelt wird mit Antidepressiva und Psychotherapie. Wirkstoffe der ersten Wahl sind SSRI* und SSNRI**. Vorsicht ist bei Patienten geboten, die bereits MAO-B-Hemmer*** einnehmen, denn in Kombination kann es zum serotonergen Syndrom kommen. Die Psychotherapie sollte auf eine Verhaltensänderung des Patienten abzielen, etwa indem sie ihm Hilfestellung gibt, besser mit der Parkinsonerkrankung zurechtzukommen. Auch ergänzende Maßnahmen wie regelmäßige Bewegung und Yoga helfen weiter. Bei schwerer Depression, die nicht auf Antidepressiva anspricht, kommt eventuell eine Elektrokrampftherapie in Betracht.
Angststörungen
Bis zu 40 % der Menschen mit Parkinsonerkrankung entwickeln pathologische Ängste. Diese können sich als generalisierte Störung, als Panikattacken oder soziale Phobie manifestieren. Vielfach sind sie von Depressionen begleitet.
Ähnlich den Depressionen kann sich auch eine Angststörung Jahre vor den motorischen Symptomen des M. Parkinson entwickeln. Meistens tritt sie aber bei manifester Erkrankung im Zusammenhang mit nicht-motorischen Fluktuationen auf, vor allem in den Off-Phasen, wenn die Wirkung der dopaminergen Medikation nachlässt.
Die Therapie erfolgt bevorzugt mit SSRI. Bei phobischen Symptomen während der nicht-motorischen Fluktuationen sollte die Parkinsonmedikation entsprechend angepasst werden. Auch niedrig dosierte Benzodiazepine wie Lorazepam oder Alprazolam eignen sich zur Behandlung nicht-motorischer Offs oder generalisierter Angststörung. Allerdings kann es dann zu kognitiven Einbußen, Schläfrigkeit sowie Geh- und Gleichgewichtsstörungen kommen. Aktuelle Daten sprechen zudem für einen Nutzen der kognitiven Verhaltenstherapie. In den Off-Phasen können Entspannungstechniken die Symptomatik mildern.
Psychosen
Rund zwei Drittel der Parkinsonpatienten entwickeln Psychosen. Zu den begünstigenden Faktoren zählen neben der Progredienz der Erkrankung auch kognitive Störungen. Bei entsprechendem Verdacht sind zunächst andere Ursachen wie Delir und Infektion auszuschließen, zudem sollte die Einnahme potenziell begünstigender Wirkstoffe wie Anticholinergika oder Benzodiazepine vermieden werden.
Falls diese Maßnahmen nicht ausreichen, lässt sich möglicherweise über die Dosisreduktion der Parkinsonmedikamente die Psychose lindern. Kommt das zum Beispiel wegen einer Verschlechterung der Motorik nicht in Betracht, lassen sich die psychotischen Symptome eventuell mit einem atypischen Neuroleptikum wie Quetiapin angehen. Clozapin bleibt Patienten mit therapierefraktärer Psychose vorbehalten. Die klinische Erfahrung spricht außerdem für den Nutzen verhaltenstherapeutischer Maßnahmen, etwa um den Tag-Nacht-Rhythmus wiederherzustellen.
Impulskontrollstörung
Beim M. Parkinson zeigen sich Impulskontrollstörungen typischerweise mit exzessivem Spielen, übermäßigem Einkaufen oder ungehemmtem Essen, möglicherweise auch mit Hypersexualität. Zu den begünstigenden Faktoren zählen männliches Geschlecht, früher Beginn und lange Dauer der Erkrankung. Der stärkste Prädiktor ist die Behandlung mit Dopaminagonisten. Weniger deutlich ist die Assoziation mit hohen Levodopa-Dosen, Amantadin und selektiven MAO-B-Inhibitoren.
Therapeutisch hilft oft schon die Reduktion oder ein Absetzen der Parkinsonmedikation, wobei auf das Dopaminagonisten-Entzugssyndrom zu achten ist. Auch die pharmakologische Behandlung mit Naltrexon ist einen Versuch wert. Eine weitere Option ist die tiefe Hirnstimulation, sie kann die präoperative Impulskontrollstörung lindern bzw. ein erneutes Auftreten verhindern. Wichtig ist die psychosoziale Unterstützung des Patienten, ggf. ergänzt durch Psychotherapie.
Apathie
Nach wie vor unbefriedigend sind die Therapiemöglichkeiten bei Apathie. Sowohl für die pharmakologische als auch die nicht-medikamentöse Behandlung besteht bislang nur geringe Evidenz. Möglicherweise sind Stimulanzien, Cholinesterase-Inhibitoren und Dopaminagonisten geeignet. Eventuell können auch Smartphone-Apps den Parkinsonpatienten aus seiner Lethargie holen.
Kognitive Beeinträchtigung
Etwa 80 % der Menschen mit Parkinson entwickeln im Verlauf eine Demenz, bei einem Drittel besteht bereits zum Zeitpunkt der Diagnose eine leichte kognitive Dysfunktion. Therapeutisch gilt es zunächst, die Medikation zu überprüfen. Anticholinerge oder sedierende Wirkstoffe wie Benzodiazepine oder Opioide sollten zumindest in der Dosis verringert, besser noch abgesetzt werden. Auch Parkinsonmedikamente mit anticholinerger Wirkung können langfristig die Kognition beeinträchtigen und sind deshalb beim älteren Patienten tunlichst zu vermeiden.
Gefäßleiden, Schlafapnoe, Insomnie, orthostatische Hypertonie und andere Erkrankungen, die geistige Einbußen zur Folge haben können, sollten gezielt behandelt werden. Zur medikamentösen Therapie bei abnehmender Hirnleistung eignen sich Cholinesterase-Inhibitoren, in geringerem Ausmaß Memantin. Auch Bewegung und kognitives Training können den geistigen Abbau bremsen.
* selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
** selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
*** Monoaminooxidase-B-Hemmer
Quelle: Weintraub D et al. BMJ 2022; 379: e068718; DOI: 10.1136/bmj-2021-068718
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