Der Leitlinien-Rhythmus, bei dem man mit muss

Dr. Anja Braunwarth

Als Ursache kommen z.B. eine Sarkoidose oder eine hypertrophe Kardiomyopathie infrage. Als Ursache kommen z.B. eine Sarkoidose oder eine hypertrophe Kardiomyopathie infrage. © Rasi– stock.adobe.com

Bei Arrhythmiepatienten gilt es, den plötzlichen Herztod zu verhindern. Doch wie lässt sich das Risiko minimieren? Und was ist zu tun, wenn der Worst Case eingetreten ist? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt die neue ESC-Leitlinie zum Thema.

Weltweit ist der plötzliche Herztod (sudden cardiac death, SCD) die führende Todesursache, erinnerte PD Dr. Nikolaos­ Dagres von der Abteilung für Rhythmologie am Herzzentrum Leipzig. Einen bedeutenden Risikofaktor stellen strukturelle Herzerkrankungen dar, als Zufallsbefund sieht man dabei eventuell eine nicht-anhaltende ventrikuläre Tachykardie (VT). Unter anderem für dieses Szenario gibt die ESC-Leitlinie zum Management ventrikulärer Arrhythmien einen Algorithmus vor. Die Basis der Abklärung bilden Anamnese, Labor, 12-Kanal-EKG und Echo. Je nach Befund erfolgt die weitere Spurensuche, z.B. nach Kardiomyopathien oder entzündlichen Prozessen. 

Auch bei Patienten, die mit einer ersten Episode einer anhaltenden monomorphen VT (SMVT) kommen, sollte man mit EKG und Echo nach strukturellen Herzerkrankungen suchen. 

Über 50 % der SCD-Fälle betreffen KHK-Patienten

Als Ursache kommen z.B. eine Sarkoidose oder eine hypertrophe Kardiomyopathie infrage, erklärte Prof. Dr. Christian de Chillou, Kardio­logie am Universitätsklinikum in Nancy. Beruht die SMVT Arrhythmie auf einer chronischen KHK, zeigt die Leitlinie einen Algorithmus auf, der zu den drei Optionen Ablation, ICD-Implantation oder Antiarrhythmikagabe führt.  Mehr als die Hälfte aller Fälle eines SCD betrifft Patienten mit chronischer koronarer Herzkrankheit, betonte Dr. Dagres. Die Leitlinie adressiert diesen Zusammenhang mit mehreren Empfehlungen. Unter anderem sieht sie zur Risikostratifizierung bzw. Primärprävention des SCD bei KHK-Patienten mit Synkope und vorausgegangenem STEMI eine programmed electrical stimulation vor, wenn die Synkope nach nicht-invasiver Diagnostik unklar bleibt (Klasse IC-Empfehlung). KHK-Kranke mit symptomatischer Herzinsuffizienz (NYHA II–III) und einer LVEF ≤ 35 % trotz mindestens dreimonatiger optimaler Medikation sollen einen ICD erhalten (Klasse IA-Empfehlung).

Ein weiteres Kapitel in der Leitlinie widmet sich den Kardiomyopathien. Zur genetischen Testung wird mit einer IB-Empfehlung geraten bei:

  • Patienten unter 50 Jahren mit dilatativer oder hypokinetischer nicht-dilatativer Kardiomyopathie (DCM, HNDCM) und AV-Überleitungsstörungen
  • Menschen, die einen Verwandten ersten Grades mit DCM/HNDCM oder SCD vor dem 50. Lebensjahr haben

Was tun bei langem QT?

Die Empfehlungen zum Long-QT-Syndrom präsentierte Prof. Dr. Silvia Priori, Abteilung für Molekularmedizin an der Universität Pavia. Steht die klinische Diagnose mittels wiederholter 12-Kanal-EKGs, raten die Leitlinienautoren zur genetischen Testung. Findet sich eine entsprechende Mutation, darf man die Diagnose sogar unabhängig von der QT-Zeit stellen. Zum allgemeinen Management des Syndroms gehört: 

  • keine QT-Zeit-verlängernden Medikamente geben
  • Elektrolytstörungen ausgleichen
  • genotypspezifische Arrhythmietrigger vermeiden

Bei gesicherter QT-Zeit-Verlängerung sind Betablocker Mittel der Wahl, idealerweise nicht-selektive wie Nadolol oder Propranolol. Sie kommen auch bei bestätigter Mutation trotz normaler QT-Zeit in Betracht. Mexiletin eignet sich für LQT3-Patienten mit QT-Zeit-Verlängerung. Ein ICD ergänzt die Therapie nach Herzstillstand oder bei anhaltenden Symptomen. Von ihm profitieren u.U. auch asymptomatische Hochrisikopatienten. Die linkskardiale sympathische Denervierung (LCSD) dient symptomatischen Patienten als Alternative, wenn ein ICD kontraindiziert ist, abgelehnt wird, oder mit ihm multiple Schocks oder Synkopen auftreten. Ein ICD oder die LCSD sind ebenso zu erwägen, wenn Unverträglichkeiten gegenüber Betablockern und genotyp­spezifischen Therapien bestehen oder diese kontraindiziert sind.

Multidisziplinäres Team sollte auf Spurensuche gehen

Ein kardiales MRT kommt bei DCM/HNDCM zur Klärung der Ätiologie sowie zur Risikoerfas­sung infrage. Einen ICD sollten Patienten mit DCM/HNDCM erhalten, wenn sie unter hämodynamisch nicht-tolerierbaren SMVT leiden oder einen plötzlichen Herztod aufgrund von Kammertachykardie oder -flimmern überlebt haben.

Im Alltag gibt es natürlich auch Patienten mit einem SCD als Erstmanifestation einer Erkrankung. Wurde das Ereignis überlebt und gibt es keinen erkennbaren extrakardialen Hintergrund, sollte sich ein multidisziplinäres Team auf Spurensuche begeben, sagte der Elektrophysiologe Prof. Dr. Eloi Marijon vom Hôpital Européen Georges-Pompidou in Paris. 

Das 12-Kanal-EKG bildet den dia­gnostischen Standard. Im Verlauf kommen ggf. Echo und Koronarangiografie dazu. Ein CT von Hirn und Thorax sollte man ebenso wie einen Natriumkanalblockertest und den Check der körperlichen Leistungsfähigkeit durchführen, wenn Unklarheiten bleiben.

Wer nach einem plötzlichen Herzstillstand stirbt, verdient ebenfalls Aufmerksamkeit, betonen die Leitlinienautoren. Schließlich könnten genetische Ursachen dahinterstecken und Angehörige Schutz brauchen. Die Abklärung beginnt mit einer gründlichen Fremdanamnese und Erfragung der genauen Umstände des SCD. Eine Autopsie inklusive Blutproben wird immer empfohlen, insbesondere aber bei Betroffenen unter 50 Jahren. Vermutet man ein hereditäres Geschehen, helfen DNA-Proben weiter. Angehörige erhalten je nach Befund und Familiengeschichte ein entsprechendes Screening. Ergibt das keine sichere Diagnose, wird für Erwachsene eine Wiedervorstellung nur bei Symptomen empfohlen. Bei Kindern stehen bis zur Volljährigkeit Follow-up-Untersuchungen an.

Kongressbericht: ESC* Congress 2022

*    European Society of Cardiology

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Als Ursache kommen z.B. eine Sarkoidose oder eine hypertrophe Kardiomyopathie infrage. Als Ursache kommen z.B. eine Sarkoidose oder eine hypertrophe Kardiomyopathie infrage. © Rasi– stock.adobe.com