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Detaillierte Einsichten verbessern Therapie

Insulinpens, die Zeitpunkt und Zahl abgegebener Einheiten speichern, sind nicht gänzlich neu. Bei den modernen Modellen geht es jedoch auch um die Konnektivität zu Apps und Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung (CGM), wie Beiträge von Repräsentanten der Unternehmen Medtronic, Sanofi und Lilly bei einem Symposium auf der ATTD-Tagung zeigten. Der Vertreter von Novo Nordisk konnte nicht daran teilnehmen, daher sind hier keine Aussagen zu den Smartpens des Unternehmens möglich, obgleich es in Europa bereits zwei Modelle auf dem Markt gebracht hat.
Klinische Nutzung
Emma Wilmot präsentierte in ihrem Vortrag die Historie der Insulinapplikation mittels Pen. So erfolgte die subkutane Insulinapplikation bis ca. 1985 weitgehend durch Spritzen. In den Jahren danach haben sich Pens für die intensivierte Insulintherapie (ICT) durchgesetzt, insbesondere in Deutschland. Der aktuelle Fokus auf Systeme zur automatisierten Insulindosierung (AID) etc. suggeriert zwar, dass alle Menschen mit Typ-1-Diabetes eine Insulinpumpe nutzen. Diese Wahrnehmung stimmt allerdings nicht mit der Realität überein, denn je nach Land und Gesundheitssystem sowie Altersgruppe variiert der Anteil von Pumpennutzern, zwischen 10 und 40 %. Bei Menschen mit insulinbehandeltem Typ-2-Diabetes ist der Anteil der Personen, die einen Pen statt einer Pumpe verwenden, noch deutlich größer.
Durch die Digitalisierung der Diabetestherapie in den vergangenen Jahren hat sich die Verfügbarkeit von Daten von CGM-, AID- und Blutglukosemesssystemen sowie Insulinpumpen zu einem Standard entwickelt. Alle diese Geräte können Glukose- und/oder Insulindaten speichern und so auch Behandlungsteams digital zugänglich machen. Die Ausnahme war bisher die Insulinapplikation durch Pens: Hier fehlten Angaben zum Zeitpunkt der Insulingabe, zur Dosis etc. Behandelnde waren hier vielfach auf Mutmaßungen angewiesen. Smartpens sorgen diesbezüglich also für Abhilfe, was auch eine Optimierung der Insulintherapie möglich macht.
Mehr Daten für bessere Therapieergebnisse
- Wenn Angaben zum Beginn einer Mahlzeit vorliegen, dann kann geschaut werden, ob der Zeitpunkt der Verabreichung des prandialen Insulinbolus passte, ob dieser gezielt nach der Mahlzeit gegeben wurde bzw. ob sogar Boli vergessen wurden.
- Wenn gleichzeitig auch CGM-Werte vorliegen, kann auch geprüft werden, ob sich Patienten ggf. eine zu große Korrekturdosis verabreicht haben. Denn durch mehrfache Insulinapplikationen an einem Tag kann es dazu kommen, dass sich die Wirkungen dieser Insulingaben („Insulin an Bord“) aufaddieren. Auch bei der Erkennung dieser Problematik kann eine Auswertung der Daten von Smartpens helfen.
Demnach schließen Smartpens eine Lücke zwischen konventionellen Pens und Insulinpumpen. Es wundert daher nicht, dass eine Reihe solcher Produkte in der Entwicklung bzw. schon auf dem Markt sind oder bald kommen werden. Die technischen Lösungen differieren dabei beträchtlich: von Systemen, die als Kappe auf Einmalpens aufgesteckt werden und eher wenige Informationen liefern bis hin zu komplexen Systemen für den dauerhaften Einsatz, die viele Informationen bieten und einen Bolus-Kalkulator haben.
Medtronic – InPen
Medtronic etwa bietet mit dem „Smart MDI-System“ eine neuartige Kombination aus einem recht aufwendigen Pen („InPen“) und einem rtCGM-System zur Verbesserung des Managements von Typ-1-Diabetes, wie Bob Vigersky von Medtronic in seinem Vortrag ausführte. Vorteil der Kopplung mit CGM-Systemen ist die Möglichkeit von Warnungen vor aktuellen Glukoseschwankungen und die Option einer personalisierten Insulindosierung.
Anwender werden bei Nutzung der zugehörigen App also darin unterstützt, die richtige Dosis zur richtigen Zeit bei Mahlzeiten zu applizieren. Der Pen erinnert Nutzer auch an verpasste Boli. Es scheint in der Realität nämlich häufiger vorzukommen, als man denken würde, dass Patienten keinen Bolus zu einer Mahlzeit verabreichen oder nicht zum richtigen Zeitpunkt.
Verspätete oder vergessene Boli
Dass längst nicht alle Insulinboli überhaupt bzw. zum geeigneten Zeitpunkt abgegeben werden, lässt sich den Beobachtungsdaten von über 1,1 Millionen Mahlzeiten entnehmen, die die Fa. Medtronic analysiert hat. Bei diesen erfolgte die Bolusabgabe nur in etwas mehr als der Hälfte aller Fälle pünktlich, in fast einem Drittel der Fälle wurde ein Bolus sogar verpasst. Die Zeit im Zielbereich korrelierte mit der Häufigkeit der rechtzeitigen Bolusgabe (r = 0,59, p < 0,001).
Der Zugriff auf sowohl die Glukose- wie auch die Insulindaten stellt eine Option bei Patienten dar, die keine Insulinpumpe verwenden wollen. Wenn der Smartpen zusammen mit der zugehörigen Smartphone-App zur Berechnung der Mahlzeitendosis oder der Korrekturdosis von Insulin verwendet wird, können Nutzer die richtige Dosis auch deshalb sicherer bestimmen, da das noch im Körper aktive Insulin von den letzten Applikationen („Insulin an Bord“), in die Dosisberechnung einbezogen wird.
Die Verwendung dieses Pens ist mit einer um fast 2 % geringeren Zeit unterhalb des Zielbereiches (TBR) bei denen assoziiert, die vorher eine TBR von > 8 % hatten. Bei Jugendlichen (13–17 Jahre) und jungen Erwachsenen (18–22 Jahre) wiesen diejenigen, die den Smartpen (mit CGM) benutzten, beim Glukose Management Indikator (GMI) signifikant niedrigere Werte auf als jene, die herkömmliche Insulinpens verwendeten (p < 0,001).
Sanofi – Solo Smart
Während der InPen schon kommerziell verfügbar ist, ist die „Solo Smart“-Kappe, die von Andreas Bode von Sanofi vorgestellt wurde („Value of basal insulin connectivity in the diabetes management ecosystem“), noch im Zulassungsprozess. Diese wird auf Einwegpens gesteckt, mit denen Basalinsulin appliziert wird. Dabei werden allerdings nur Dosis und Zeitpunkt der Applikation erfasst. Per Bluetooth werden diese Daten an eine App übertragen, dort gespeichert und visualisiert. Dieses integrierte System unterstützt Nutzer durch Dosishinweise etc., was zu einer verbesserten Adhärenz bei der Insulintherapie mit Basalinsulin beitragen soll. Klinische Studien mit diesem System laufen zurzeit.
Lilly – Tempo Smart Button
Der Smartpen von Lilly ist aktuell ebenfalls im Zulassungsprozess. Auch bei diesem Modell handelt es sich um eine Kappe, die auf Einwegpens („Tempo Pen“, vergleichbar dem KwikPen) aufgesteckt wird. April Taylor von Lilly führte in ihrem Vortrag aus, dass die Daten zu Insulindosis und Applikationszeitpunkt (aber auch zur Insulinsorte) wiederum per Bluetooth an eine App übertragen werden, was den Anwendern bei der Insulintherapie unterstützt. Hier kann die Kappe sowohl auf Einwegpens für die Applikation von Basalinsulin wie auch auf solche für die prandiale Insulingabe aufgesetzt werden.
Lilly hat schon verschiedene Studien mit diesem Smartpen durchgeführt, um die Sinnhaftigkeit dieses Ansatzes zu belegen und die Nutzerfreundlichkeit zu untersuchen. Bei einer multizentrischen, nicht-kontrollierten Studie über 13 Wochen hinweg in fünf Zentren in den USA verwendeten die Teilnehmenden einen Smartpen für die Applikation des prandialen Insulins und einen anderen für das Basalinsulin.
Die Befragung der Teilnehmenden hinsichtlich ihrer Zufriedenheit ergab positive Ergebnisse bezüglich Einfachheit der Nutzung, Nutzer-Interface und Sinnhaftigkeit dieses Ansatzes. Allerdings nahm der positive Effekt über die Zeit hinweg leicht ab, insbesondere bei Menschen mit Typ-1-Diabetes. Dennoch würden die Probanden solch einen Smartpen zukünftig nutzen wollen.
Zusammenfassung
Abschließend stellte Peter Adolfsson klar, dass die Verfügbarkeit von Daten zur Realität der Insulintherapie eine Reihe von neuen und detailliierten Einsichten liefern wird, die bisher nicht möglich waren. Gerade für die Patientenschulung und eine individualisierte Anpassung der Therapie eröffnet dies neue Perspektiven bei der Kommunikation mit Patienten. Die aktuell laufenden Studien werden in dieser Hinsicht spannende Hinweise liefern.
Smartpens stellen eine wichtige Option zur Verbesserung der Güte der Glukosekontrolle von Patienten mit Insulintherapie dar. Sie werden mit ziemlicher Sicherheit ein wichtiges Thema in den nächsten Jahren sein.
Kongressbericht: ATTD 2022
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