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DFS-Prävention: Wissenschaft tappt im Dunkeln

Wenn es um die Prävention des DFS geht, tappt die Wissenschaft bislang über weite Strecken im Dunkeln. Darauf wies Dr. Anna Katharina Trocha von der Klinik für Diabetologie am Elisabeth-Krankenhaus Essen hin: „Wir haben keine guten Daten, wen wir wie und wann screenen sollten!“ Auch die International Working Group on the Diabetic Foot (IWGDF) weise in ihren Leitlinien darauf hin, dass bislang verlässliche Daten zum Nutzen von präventiven Interventionen fehlen. „Wie schön wäre es, wenn wir frühzeitig wüssten, wer ein Ulkus entwickeln wird – und es dann verhindern!“
Risikostratifizierung fußt auf Expertenwissen
Immerhin könne man auf die IWGDF-Risikostratifizierung zurückgreifen (s. Tabelle), die je nach Risikoprädiktoren Empfehlungen für die Frequenz der Fußuntersuchungen gibt. Dies fußt in Ermangelung geeigneter Studien allerdings nicht auf wissenschaftlicher Evidenz, sondern auf der Empfehlung von Expert*innen. Demnach sind der Verlust des schützenden Schmerzempfindens (Loss of pain sensation, LOPS) und die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) die entscheidenden Risikofaktoren für die Entwicklung von Ulzera.
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Dr. Trocha berichtete von einer eigenen Erhebung unter 130 Patient*innen mit diabetischer Polyneuropathie, die über vier Jahre jährlich nachuntersucht wurden. Mehr als 55 % von ihnen hatten LOPS, 27 % eine PAVK, und bei gut 13 % lag eine Fußdeformität vor. Ein Erstulkus wurde innerhalb des vierjährigen Beobachtungszeitraums bei 18 % des Kollektivs festgestellt – in der LOPS-Gruppe lag die Rate mit 25 % allerdings signifikant höher als in der Gruppe ohne LOPS (10 %). Mit einer PAVK war das Ulkusrisiko um den Faktor 2,69 höher als ohne. „Die alleinige Deformität ist hingegen kein zuverlässiger Prädiktor für das Auftreten von Ulzera“, so Trocha.
Erstulzera verhindern – denn Rezidive erhöhen das Risiko
Warum es so wichtig ist, Erstulzera zu verhindern, zeigten Zahlen aus Dänemark und Italien zu Rezidiv- und Mortalitätsraten. So liegt die Rezidivrate nach Erstulzera bei 19 % bzw. knapp 15 %, nach mehreren vorangegangenen Ulzera hingegen bei rund 30 %. „Wer schon einmal ein Rezidivulkus hatte, ist stärker gefährdet, ein weiteres Rezidiv zu bekommen“, fasste Dr. Trocha zusammen. Auch die Mortalitätsrate steigt nach mehrfachen Rezidiven deutlich an. „Nach dem ersten Ulkus ist es daher unsere Aufgabe, das zweite Ulkus zu verhindern. Nach dem zweiten Ulkus müssen wir versuchen, den Tod hinauszuzögern.“
Ihr Fazit: „Wir müssen Risikoprädiktoren ernst nehmen, in erster Linie den Verlust des protektiven Schmerzempfindens und den Verlust eines Fußpulses. Aber auch bei Fußdeformitäten sollte man Patienten an eine DFS-Ambulanz überweisen.“ Präventive Interventionen seien zwar nicht erforscht, doch ein multimodales Konzept aus Inspektion, Schulung und neuropathiegerechtem Schuhwerk sei in jedem Fall empfehlenswert.
Expertentipp: Bogen der AG Diabetischer Fuß nutzen
Um eine Schuhversorgung zu prüfen, reicht häufig bereits ein Blick auf Schuh und Fuß, der verrät, ob der Schuh ausreichend weit, lang und hoch ist. Gleiches gilt für das Material: Weich soll es sein, innenliegende Nähte in druckgefährdeten Regionen des Vor- und Rückfußes sind ebenso tabu wie auf den Fuß einwirkende Vorderkappen. „Das Wichtigste ist aber, dass die Spezialschuhe überhaupt getragen werden. Denn Schuhe, die nicht getragen werden, wirken nicht“, betonte Jürgen Stumpf, Orthopädieschuhtechniker aus Fulda.
Mindestens 80 % der aktiven Zeit im Alltag sollte man die Schuhe an den Füßen haben. Tatsächlich aber trügen Patient*innen ihre Schuhversorgung im Schnitt nur 4,2 Stunden pro Tag – unter anderem deshalb, weil es an konfektionierten Hausschuhen mangelt, die den Bedürfnissen von Menschen mit DFS gerecht werden. Ansonsten riet der Referent Diabetolog*innen, sich am Verordnungsbogen der AG Diabetischer Fuß zu orientieren und den Fachkräften für Orthopädieschuhtechnik in ihrem Umfeld genau auf die Finger zu schauen: „Verlangen Sie die Benutzung des Kontrollbogens ‚Protokoll orthopädische Versorgung Diabetes‘ und die Durchführung der Druckverteilungsmessung zur Versorgungskontrolle. Und kontrollieren Sie dies auch!“
Diabetes Kongress 2023
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