Erweiterte Checkliste zur Behandlung des diabetischen Fußsyndroms

Dr. Anja Braunwarth

In manchen Fällen des diabetischen Fußsyndroms kommt man um einen operativen Eingriff nicht herum. In manchen Fällen des diabetischen Fußsyndroms kommt man um einen operativen Eingriff nicht herum. © wikimedia/James Heilman, MD; Science Photo Library

Die Checkliste zur Behandlung des diabetischen Fußsyndroms basierte bislang auf drei Punkten. Jetzt hat sie einige Elemente dazubekommen.

Infektion, Revaskularisierung und Amputation oder kurz IRA: Daran orientierten sich bisher viele Ärzte in der Therapie des diabetischen Fußsyndroms (DFS). „Das war mir zu kurz gegriffen“, erklärte Dr. Michael­ Eckhard vom universitären Diabeteszentrum Mittelhessen am Universitätsklinikum Gießen. Der Diabetologe machte daher 2019 IRBESA-PP daraus (siehe Kasten).

Das Akronym IRBESA-PP steht für

  • I: Infektion
  • R: Revaskularisierung
  • B: Begleiterkrankungen
  • E: Entlastung
  • S: stadiengerechte Wundbehandlung
  • A: (Grenzzonen-)Amputation
  • P: Physiotherapie und psychosoziale ­Unterstützung
  • P: Prävention inkl. Podologie

Bei oberflächlichen Ulzera und fehlender Infektion genügt die Wundreinigung mit Débridement von avitalem Gewebe und Hyperkeratosen. Wenn jedoch eine Infektion vorliegt, sollte man nach Gewinnung von Probenmaterial zur mikrobiologischen Unter­suchung eine empirische orale Antibio­tikatherapie beginnen. Die Zielkeime sind Staphylokokkus­ aureus und Streptokokken. Tiefe oder ausgedehnte Infektionen, die evtl. das Bein in Gefahr bringen, müssen zunächst im Hinblick auf eine dringliche operative Versorgung – z.B. Nekros­ektomie, Abszessdrainage, Kompartmententlastung – evaluiert werden. Die empirische Antibiose läuft hier am besten mit einem Breitspektrumpräparat i.v., das sich gegen die häufigsten grampositiven und -negativen Keime (inkl. Anaerobier) richtet. Je nach Resistogramm erfolgt dann die zeitnahe Anpassung. Die Revaskularisierung scheint in der Versorgung zu oft noch ein Stiefkind zu sein. Entsprechende Maßnahmen haben vor der Amputation unterer Extremitäten laut einer Untersuchung in Deutschland nur bei 38 % der Patienten stattgefunden. Daten der AOK ergaben ein ähnliches Bild. „Keine Amputation ohne Gefäßcheck“ lautete daher der Appell von Dr. Eckhard.

Zahl der Major-Amputationen sollte unter 5 % liegen

Begleiterkrankungen sind häufig und gehören frühzeitig adressiert. „Betrachten Sie Ihren Patienten mit DFS stets als Ganzes“, so der Rat. Sehr großen Stellenwert hat auch das Thema Entlastung. „Die Entlas­tung muss rund um die Uhr 24/7 stattfinden“, betonte der Experte. Denn Warnzeichen der Neuropathie fehlen bei den meisten Betroffenen. Entsprechende Methoden gibt es viele, seien es z.B. spezielle Schuhe, Unterarmgehstützen, Rollstühle oder Orthesen. Was Amputationen angeht, peilt man einen möglichst geringen Verlust an Gliedmaßen an. „Die Zahl an Major-Amputationen sollte unter 5 % liegen, was sich in qualifizierten Fußbehandlungszentren auch erreichen lässt“, berichtete Dr. Eckhard. Ziel dieser und gegebenenfalls weiterer operativer Maßnahmen müsse es sein, biomechanische und funktionelle Stabilität herzustellen, eine bestmögliche Folgeversorgung zu ermöglichen und Rezidive oder Transferläsionen zu vermeiden. Die beiden Ps – oder eigentlich 4 Ps – aus der Checkliste hält der Diabetologe für unterrepräsentiert und betonte daher besonders ihre Wichtigkeit. Zum Thema Psyche erinnerte er daran, dass 37–40 % der Patienten mit DFS gleichzeitig an einer Angststörung oder Depression leiden. Die Physiotherapie stelle eine bedeutende, aber weithin vernachlässigte Säule dar. Und die Podologie könne man gar nicht genug wertschätzen, denn „es gibt keine Heilung beim diabetischen Fußsyndrom. Nach dem Ulkus ist vor dem Ulkus“, so Dr. Eckhard. Es handelt sich um eine lebenslange Erkrankung mit aktiven und inaktiven Phasen und eine strukturierte Nachsorge mit dem wichtigen Baustein der podologischen Therapie stellt gleichzeitig eine strukturierte Vorsorge dar. Generell sollte die Behandlung des DFS möglichst von Beginn an in einem spezialisierten Zentrum erfolgen.

Quelle: 03. Nürnberger Wundkongress DIGITAL

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In manchen Fällen des diabetischen Fußsyndroms kommt man um einen operativen Eingriff nicht herum. In manchen Fällen des diabetischen Fußsyndroms kommt man um einen operativen Eingriff nicht herum. © wikimedia/James Heilman, MD; Science Photo Library
Trockene Gangrän der Zehen eines Diabetikers. 
Die Schwarzfärbung beruht auf Abbauprodukten des Blutes. Trockene Gangrän der Zehen eines Diabetikers. Die Schwarzfärbung beruht auf Abbauprodukten des Blutes. © wikimedia/James Heilman, MD
Das abgestorbene Gewebe muss entfernt werden. Das abgestorbene Gewebe muss entfernt werden. © Science Photo Library
Die Entlas­tung, zum Beispiel mit einem zweischaligen Vollkontaktgipsverband (Total Contact Cast), muss rund um die Uhr stattfinden. Die Entlas­tung, zum Beispiel mit einem zweischaligen Vollkontaktgipsverband (Total Contact Cast), muss rund um die Uhr stattfinden. © wikimedia/Enter