Neuigkeiten zu Diagnostik und Therapie bei diabetischen Ulzera

Dr. Dorothea Ranft

Nicht immer sind die bekannten Therapiemöglichkeiten auch die richtigen. Nicht immer sind die bekannten Therapiemöglichkeiten auch die richtigen. © wikimedia/Intermedicho

Pulspalpation und Knöchel-Arm-Index ge­hören beim diabetischen Fußulkus zum Programm, verfehlen aber ihr Ziel. Auch in der Behandlung­ des Geschwürs finden sich weniger sinnvolle Ansätze. Ein Gefäßspezialist bewertet die aktuelle Lage und stellt interessante Optionen vor.

PAVK-Ausschluss

Der Ausschluss einer PAVK zählt zu den wichtigsten Aufgaben, wenn diabetische Ulzera abgeklärt werden müssen. Gleichzeitig versucht man, die Zahl der Angiographien möglichst niedrig zu halten. Wie gut sich die gängigen, nicht-invasiven Tests als Screeningmethoden eignen, haben britische Kollegen geprüft. Teilnehmer der Untersuchung waren 60 Diabetiker mit kürzlich aufgetretener Ulzeration (< 2 Monate). Davon hatten 20 Patienten eine nachgewiesene Verschlusskrankheit, berichtete Professor Dr. Maximilian Spraul vom Klinikum Rheine.

Als Goldstandard diente die Duplex-Sonographie sämtlicher Beinarterien. Für jedes potenzielle Testverfahren berechneten die Studien­autoren das negative und positive Wahrscheinlichkeitsverhältnis für die PAVK (Negative/Positive Likelihood Ratio, NLR/PLR, s. Kasten). Dabei galt, dass eine NLR < 0,1 die gesuchte Erkrankung weitgehend ausschließt. Umgekehrt würde eine PLR > 10 die PAVK recht zuverlässig nachweisen.

Wie gut ist mein Testverfahren?

Mit dem Wahrscheinlichkeitsverhältnis (Likelihood Ratio, LR) lässt sich die Güte eines Tests beschreiben.
  • Negatives Wahrscheinlichkeitsverhältnis (NLR): Es bezeichnet die Wahrscheinlichkeit eines negativen Testergebnisses bei einer Person mit der fraglichen Erkrankung im Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit eines negativen Resultats bei jemandem ohne diese Krankheit.
  • Positives Wahrscheinlichkeitsverhältnis (PLR): Es bezeichnet die Wahrscheinlichkeit eines positiven Tests bei einem Individuum mit der Erkrankung im Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit eines positiven Testausgangs bei einer Person ohne das infrage stehende Leiden.

Am zuverlässigsten ist der bidirektionale Doppler Mit einer NLR von 0,75 erwies sich das Tasten der Fußpulse als ausgesprochen ungeeignet, um eine periphere Gefäßstenose auszuschließen. Auch der Knöchel-Arm-Index versagte bei dieser Aufgabe mit einer NLR von 0,53, ebenso die transkutane Messung des Sauerstoffpartialdrucks (NLR 1,10). Relativ gut schnitt der Zehen-Arm-Index in der Ausschlussdiagnostik ab (NLR 0,24). Dieses Verfahren werde allerdings wegen des erforderlichen Equipments hierzulande nur selten genutzt, so der Referent. Am zuverlässigsten erwies sich die bidirektionale Doppler-Untersuchung (NLR = 0,15). Zeigt diese die charakteristische tibiale Flusskurve, könne man laut Prof. Spraul auf eine Angiographie verzichten. Wegen der Möglichkeit falsch negativer Befunde sollte man betroffene Patienten aber nicht aus dem Blick verlieren. Der Nachweis einer PAVK ist nach den Ergebnissen dieser Studie auch recht zuverlässig mit dem Pole-Test möglich (PLR = 10,29). Dabei wird das Bein des liegenden Patienten unter Dopplerkontrolle angehoben. Gemessen wird die Höhe in Zentimetern, ab der das Dopplergeräusch über der A. tibialis posterior bzw. der A. dorsalis pedis verschwindet.

Ulkusbehandlung

Therapeutisch stehen beim diabetischen Ulkus inzwischen verschiedene evidenzbasierte Methoden zur Verfügung. Dennoch bleibt die Wundversorgung weitgehend erfahrungsbasiert, so Prof. Spraul. Aufgrund zweier Studien sieht er keine Veranlassung mehr, diabetische Ulzera mit hyperbarem Sauerstoff zu behandeln. Im Vergleich zur Standardtherapie beschleunigt die Überdruckbehandlung weder die Abheilung der Geschwüre noch vermag sie die Amputationsrate zu senken. Umso erstaunlicher findet der Kollege die positive Bewertung der Methode durch das IQWiG. Möglicherweise nützt eine lokale Sauerstofftherapie, zu der überraschend positive Ergebnisse publiziert wurden. Mit dem Fuß in einer „gasgefüllten Tüte“ sollen fast 42 % der chronischen Fußgeschwüre innerhalb von zwölf Monaten abgeheilt sein (vs. 14 % unter einer Scheinbehandlung). Verwunderlich sei allerdings, dass bisherige Studien keinen positiven Effekt hätten nachweisen können. Prof. Spraul wartet deshalb auf eine Bestätigung der Ergebnisse, bevor er die Methode anwendet. Selbst allogene Stammzellen aus dem Fettgewebe von Liposuktionspatienten werden neuerdings zur Therapie des diabetischen Fußgeschwürs eingesetzt. In einer kleinen Studie mit 59 Patienten wurde der Effekt der stammzellhaltigen Wundauflagen mit einer Scheintherapie (Polyurethanfilm) verglichen. In der Verumgruppe erreichten nach zwölf Wochen 82 % der Patienten einen vollständigen Wundverschluss (vs. 53 % der Kontrollpersonen). Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf. Die Methode scheint also effektiv und sicher zu sein, urteilte der Referent. Wundauflage aus Fibrin, Leukos und Thrombos Bei einer weiteren Zelltherapie wird Blut des Patienten zentrifugiert und aus Fibrin, intakten Leukozyten und Thrombozyten eine Wundauflage hergestellt. Der Nutzen der Methode wurde in einer randomisierten kontrollierten Studie bei 269 Dia­betikern mit schlecht heilenden Ulzera geprüft. Als Add-on zur Standardtherapie verhalf eine derartige Wundauflage 34 % der Probanden nach 20 Wochen zu einem Wundverschluss. Das war signifikant häufiger als allein mit der üblichen Behandlung (22 %).

Quelle: 15. Diabetologie-Update-Seminar

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